Lieber Joachim,
liebe Mitbrüder im bischöflichen, priesterlichen und diakonalen Dienst, liebe
Schwestern und Brüder im Herrn,
viele Jahre
konnte ich den Dienst von Bischof Joachim beobachten und auch begleiten. Mich
erfüllt heute Dank für die vergangene Zeit, Wehmut über das Heute und
Zuversicht für das Morgen.
Der heutige Tag
dient der Erinnerung, dem Dank und dem Blick auf das Fundament der Nachfolge
Christi, die durch das Lebenszeugnis von Bischof Dr. Wanke eine konkrete
Gestalt bekommen hat. Während meiner Externitas des 5. und 6. Semesters im
Winfriedhaus konnte ich Professor Dr. Wanke als Mitbewohner erleben und schaute
mit Bewunderung zu ihm auf als Student des Freisemesters. Beeindruckend war
damals schon sein unkomplizierter Umgang mit uns Studenten und seinen Kollegen.
Der Trabi, mit dem auch Professor Ratzinger bei einem Besuch durch Thüringen
gefahren wurde, kam zum Einsatz, wenn Prof. Wanke zur Aushilfe in die Orte des
Bistums fuhr.
Als Bischof Hugo
Aufderbeck gestorben war, kam der neue Bischof Dr. Wanke ins Pfarrhaus nach
Jena und besuchte den damaligen Pfarrer Georg Sterzinsky. Es wurde gemunkelt,
dass der neue Bischof einen neuen Generalvikar sucht. So war es auch und
Pfarrer Sterzinsky fuhr öfter nach Erfurt, um als Generalvikar tätig zu sein. Alle
kommentierten dazu: "Der neue Bischof hat sich einen starken Mann ins Haus
geholt." Es wurde positiv in der Diözese aufgenommen, dass der ehemalige
Professor einen gestandenen Pfarrer an seiner Seite wissen wollte.
Als Dompfarrer
und Domkapitular habe ich Bischof Joachim in seiner Mitsorge um den Dom und
seine Kathedrale erlebt. Gern habe ich ihm von Veränderungen im Personal und
auch bei Kunst und Bau berichtet. Ich wusste, dass ihn alles interessiert, was
den Domberg baulich und pastoral betrifft. Der Domberg sollte ja als
"Leuchtturm" der Diözese erlebbar sein.
Große Dankbarkeit
erfüllt mich für die wohlwollende Begleitung der innovativen Projekte auf dem
Domberg. Weil ich einen interessierten und wohlmeinenden Bischof hinter mir
sah, hatte ich auch Mut, Unkonventionelles auszuprobieren, das deutlich machen
sollte: Unser Glaube an Gott und die Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden ist
ein Schatz, der allen zugänglich gemacht werden soll.
Die Zeit als
Weihbischof des Bischofs von Erfurt habe ich als Herausforderung und
Vertrauenserweis angesehen. Ich durfte einen guten Lehrmeister erleben. Dafür
sage ich heute einen herzlichen Dank!
Die Liebe zu den
Schriften des Apostels Paulus bestimmte die Auswahl der Lesungen durch Bischof
Wanke für den heutigen Dankgottesdienst. "Sklaven in der Nachfolge
Christi" ist der Abschnitt aus dem 1. Petrusbrief überschrieben, in dem
sich der Wahlspruch von Bischof Joachim findet: "Vestigia Christi
sequi". Der Apostel spricht von der Nachfolge in den Spuren Jesu Christi, die
auch geprägt sind mit dem Leiden und Sterben Jesu. "Sklaven in der
Nachfolge Christi" bedeutet, dass die Entscheidung für die Nachfolge auch
Entscheidung für den Kreuzweg ist, der uns bisweilen zugemutet und zugetraut
wird. Der Apostel Paulus erinnert in der Beschreibung seines apostolischen
Dienstes an die Wunden Jesu, damit "wir tot sind für die Sünden und für
die Gerechtigkeit leben". Wenn auch darin eine Anstrengung der Bekehrung
und Hinwendung enthalten ist, so ist es aber letztlich doch eine "Heimkehr
zum Hirten und Bischof" unserer Seelen. Heimkehr wie beim verlorenen Sohn
ist Anstrengung, Gnade und Freude zugleich und das soll unser Christsein
bestimmen. Niemand hat uns das Schlaraffenland versprochen, als wir Ja gesagt
haben zu Taufe, Firmung und Weihe. Aber die versprochene Gemeinschaft mit
Christus und seiner Kirche hat uns beflügelt, den Spuren Christi zu folgen -
auch wenn sie Blutstropfen enthalten.
"Kommt mit
an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht ein wenig aus." - mit
diesen Worten lädt Jesus seine Jünger ein zu einer Pause im
Verkündigungsdienst. "Frau Haase hat guten Kuchen gebacken - komm doch zu
einer Tasse Kaffee und einem Stück Kuchen mal rein" - so lautete öfter die
Einladung von Bischof Joachim und Frau Haase, der auch heute besonders für
ihren Dienst zu danken ist. Frau Haase kochte einen guten Kaffee oder Cappuccino
zum frischen Kuchen. Darf man das parallelisieren? Beim Herrn ausruhen kann
sehr konkret werden, wenn Diener in der Nachfolge Jesu die Mühen anderer spüren
und Freuden und Leiden miteinander teilen wollen. Da bedarf es keiner großen
Aktionen, sondern lediglich der Sensibilität für den Mitbruder und die
Mitschwester, die sich der Mühe unterziehen, das Gotteswort zu den Mitmenschen
- Christen und Nichtchristen - zu bringen.
Die Aufgaben, die
täglich an einen Bischof, Priester, Diakon und pastoralen Laienmitarbeiter
herangetragen werden und nur mit Mühe bewältigt werden können, sind sehr
vielfältig. Da gilt es in unserer Zeit der personellen Veränderungen Prioritäten
zu setzen und den Blick für Neues frei zu halten. Die Frage von Neugetauften
oder Zugezogenen im Pfarrgemeinderat nach dem "Warum machen wir es so wie
immer" ist keine Unterstellung, dass alles Bisherige falsch war, sondern
eine Frage, die zur Reflexion und Vertiefung im pastoralen Handeln führen kann
und soll. Veränderungen in der Struktur des Bistums bringen die Frage mit sich:
"Haben wir alles bisher falsch gemacht, wenn es jetzt geändert werden
soll?" Solche Fragen höre ich von Mitarbeitern im pastoralen Dienst und
von ehrenamtlich Tätigen in den Gemeinden. Diese Frage lähmt den Einsatz und
das Miteinander. Es ist besser, die Chancen in der Veränderung zu sehen als die
Gefahren. Amerika wäre nicht entdeckt worden, wenn es nicht den Seefahrer und
Abenteurer Christoph Kolumbus gegeben hätte. Die Kirche hätte sich verlaufen,
wenn es keine Abenteurer wie den heiligen Franziskus und die heilige Elisabeth
gegeben hätte, die das Armutsideal als Kostbarkeit für die ganze Kirche neu
entdeckt hatten. Wir hätten viele große Gnadengaben nicht entdeckt, wenn nicht
Bischof Hugo Aufderbeck den Mut aufgebracht hätte, um die Erlaubnis zu
Stationsgottesdiensten mit Kommunionausteilung in Rom nachzusuchen. Unsere etwa
400 Diakonats- und Kommunionhelfer sind ein Schatz im Bistum Erfurt, den wir
nicht missen möchten und der uns die Augen für das Wirken Gottes als Hirt und
Bischof unserer Seelen verdeutlicht.
Die hauptamtlichen Seelsorger und
Seelsorgerinnen im Bistum stehen in ihrem Bemühen nicht allein, die Leuchttürme
mit konkreten Menschen zu bestücken und den Grundwasserspiegel zu heben, damit
das Land geistlich fruchtbar bleibt und Leben in Fülle ermöglicht. In der Feier
der Eucharistie, im konkreten caritativen Dienst und im Zeugnis des Glaubens
sind wir beim Hirten und Bischof unserer Seelen - Jesus Christus. Wir können
bei ihm auftanken und uns beschenken lassen. Mit unserem Dasein von 8 Prozent
Katholiken und im gemeinsamen Zeugnis mit den evangelischen Christen, mit denen
zusammen wir etwa 25 Prozent der Bevölkerung ausmachen, möchten wir den Himmel
offen halten und den Blick frei machen und frei halten für eine Wirklichkeit,
die für viele Zeitgenossen so anders, so fremd und exotisch ist.
Dass es gut
ist, in einem Kirchenraum auszuruhen, spüren viele Menschen. Dass Kirchenmusik
und Caritas dem Leib und der Seele des Menschen gut tun, wissen viele Musik-
und Kunstliebhaber. Dass Erfurt nicht ohne den Klang der Gloriosa sein kann,
wissen alle, die diese Kostbarkeit des Domes kennen und ihren Klang lieben, den
wir auch heute vor dem Gottesdienst wieder hören konnten. Bischof Joachim hat
öfter betont, dass er schon durch die erfolgreiche Reparatur der Gloriosa in
die Geschichte eingehen wird. Aber hier geht es nach meinem Empfinden nicht nur
um die Reparatur einer historischen Kostbarkeit, sondern um eine Stimme der
Stadt, die vom Wohl und Wehe der Menschen in dieser Stadt Zeugnis gibt und ein
Signal in Richtung Himmel ist, was besagt: Christen und Nichtchristen haben die
Empathie für Gott nicht verloren. Wenn beim Anläuten nach der Reparatur am 8.
Dezember 2004 die Tränen der Teilnehmer auf dem Domplatz geflossen sind - was
man in der Fernsehberichterstattung sehen konnte, dann zeigt mir dass: Hier ist
mehr als nur 11450 kg Bronze. Hier ist eine Stimme, die das Herz anrührt und
für eine verborgene Wirklichkeit offen macht.
Ein spürbares Anliegen von
Bischof Joachim war es, diese verborgene Wirklichkeit den Bürgerinnen und
Bürgern Thüringens und den Diözesanen bewusst zu machen und dem Glauben eine
konkrete Gestalt zu geben - besonders im Geist der heiligen Elisabeth von
Thüringen, d.h. in einer harmonischen Verbundenheit und gegenseitigen Ergänzung
von Caritas und Pastoral. "Es gibt keine Pastoral ohne Caritas und keine
Caritas ohne Pastoral" - war der cantus firmus in der Verkündigung unseres
Bischofs. Der Glaube, der in der Liebe wirksam wird, ist seit der Zeit der
Apostel eine Einladung, die durch konkrete Gestalten des Christentums
verständlich wird. Ich danke Gott für diese Konkretisierungen bis in unsere
Zeit und bitte ihn, dass er niemals aufhört, auch auf diese Weise der
"Hirt und Bischof unserer Seelen zu bleiben. Amen.
28.11.2012

