"Den Himmel offen halten" war sein spürbares Anliegen

Predigt von

Diözesan-Administrator Weihbischof Reinhard Hauke im Pontifikalgottesdienst im Erfurter Dom zur Verabschiedung

von Bischof Joachim Wanke

Lieber Joachim,

liebe Mitbrüder im bischöflichen, priesterlichen und diakonalen Dienst, liebe

Schwestern und Brüder im Herrn,

viele Jahre

konnte ich den Dienst von Bischof Joachim beobachten und auch begleiten. Mich

erfüllt heute Dank für die vergangene Zeit, Wehmut über das Heute und

Zuversicht für das Morgen.

Der heutige Tag

dient der Erinnerung, dem Dank und dem Blick auf das Fundament der Nachfolge

Christi, die durch das Lebenszeugnis von Bischof Dr. Wanke eine konkrete

Gestalt bekommen hat. Während meiner Externitas des 5. und 6. Semesters im

Winfriedhaus konnte ich Professor Dr. Wanke als Mitbewohner erleben und schaute

mit Bewunderung zu ihm auf als Student des Freisemesters. Beeindruckend war

damals schon sein unkomplizierter Umgang mit uns Studenten und seinen Kollegen.

Der Trabi, mit dem auch Professor Ratzinger bei einem Besuch durch Thüringen

gefahren wurde, kam zum Einsatz, wenn Prof. Wanke zur Aushilfe in die Orte des

Bistums fuhr. 

Als Bischof Hugo

Aufderbeck gestorben war, kam der neue Bischof Dr. Wanke ins Pfarrhaus nach

Jena und besuchte den damaligen Pfarrer Georg Sterzinsky. Es wurde gemunkelt,

dass der neue Bischof einen neuen Generalvikar sucht. So war es auch und

Pfarrer Sterzinsky fuhr öfter nach Erfurt, um als Generalvikar tätig zu sein. Alle

kommentierten dazu: "Der neue Bischof hat sich einen starken Mann ins Haus

geholt." Es wurde positiv in der Diözese aufgenommen, dass der ehemalige

Professor einen gestandenen Pfarrer an seiner Seite wissen wollte. 

Als Dompfarrer

und Domkapitular habe ich Bischof Joachim in seiner Mitsorge um den Dom und

seine Kathedrale erlebt. Gern habe ich ihm von Veränderungen im Personal und

auch bei Kunst und Bau berichtet. Ich wusste, dass ihn alles interessiert, was

den Domberg baulich und pastoral betrifft. Der Domberg sollte ja als

"Leuchtturm" der Diözese erlebbar sein.

Große Dankbarkeit

erfüllt mich für die wohlwollende Begleitung der innovativen Projekte auf dem

Domberg. Weil ich einen interessierten und wohlmeinenden Bischof hinter mir

sah, hatte ich auch Mut, Unkonventionelles auszuprobieren, das deutlich machen

sollte: Unser Glaube an Gott und die Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden ist

ein Schatz, der allen zugänglich gemacht werden soll.

Die Zeit als

Weihbischof des Bischofs von Erfurt habe ich als Herausforderung und

Vertrauenserweis angesehen. Ich durfte einen guten Lehrmeister erleben. Dafür

sage ich heute einen herzlichen Dank!

Die Liebe zu den

Schriften des Apostels Paulus bestimmte die Auswahl der Lesungen durch Bischof

Wanke für den heutigen Dankgottesdienst. "Sklaven in der Nachfolge

Christi" ist der Abschnitt aus dem 1. Petrusbrief überschrieben, in dem

sich der Wahlspruch von Bischof Joachim findet: "Vestigia Christi

sequi". Der Apostel spricht von der Nachfolge in den Spuren Jesu Christi, die

auch geprägt sind mit dem Leiden und Sterben Jesu. "Sklaven in der

Nachfolge Christi" bedeutet, dass die Entscheidung für die Nachfolge auch

Entscheidung für den Kreuzweg ist, der uns bisweilen zugemutet und zugetraut

wird. Der Apostel Paulus erinnert in der Beschreibung seines apostolischen

Dienstes an die Wunden Jesu, damit "wir tot sind für die Sünden und für

die Gerechtigkeit leben". Wenn auch darin eine Anstrengung der Bekehrung

und Hinwendung enthalten ist, so ist es aber letztlich doch eine "Heimkehr

zum Hirten und Bischof" unserer Seelen. Heimkehr wie beim verlorenen Sohn

ist Anstrengung, Gnade und Freude zugleich und das soll unser Christsein

bestimmen. Niemand hat uns das Schlaraffenland versprochen, als wir Ja gesagt

haben zu Taufe, Firmung und Weihe. Aber die versprochene Gemeinschaft mit

Christus und seiner Kirche hat uns beflügelt, den Spuren Christi zu folgen -

auch wenn sie Blutstropfen enthalten.

"Kommt mit

an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht ein wenig aus." - mit

diesen Worten lädt Jesus seine Jünger ein zu einer Pause im

Verkündigungsdienst. "Frau Haase hat guten Kuchen gebacken - komm doch zu

einer Tasse Kaffee und einem Stück Kuchen mal rein" - so lautete öfter die

Einladung von Bischof Joachim und Frau Haase, der auch heute besonders für

ihren Dienst zu danken ist. Frau Haase kochte einen guten Kaffee oder Cappuccino

zum frischen Kuchen. Darf man das parallelisieren? Beim Herrn ausruhen kann

sehr konkret werden, wenn Diener in der Nachfolge Jesu die Mühen anderer spüren

und Freuden und Leiden miteinander teilen wollen. Da bedarf es keiner großen

Aktionen, sondern lediglich der Sensibilität für den Mitbruder und die

Mitschwester, die sich der Mühe unterziehen, das Gotteswort zu den Mitmenschen

- Christen und Nichtchristen - zu bringen.

Die Aufgaben, die

täglich an einen Bischof, Priester, Diakon und pastoralen Laienmitarbeiter

herangetragen werden und nur mit Mühe bewältigt werden können, sind sehr

vielfältig. Da gilt es in unserer Zeit der personellen Veränderungen Prioritäten

zu setzen und den Blick für Neues frei zu halten. Die Frage von Neugetauften

oder Zugezogenen im Pfarrgemeinderat nach dem "Warum machen wir es so wie

immer" ist keine Unterstellung, dass alles Bisherige falsch war, sondern

eine Frage, die zur Reflexion und Vertiefung im pastoralen Handeln führen kann

und soll. Veränderungen in der Struktur des Bistums bringen die Frage mit sich:

"Haben wir alles bisher falsch gemacht, wenn es jetzt geändert werden

soll?" Solche Fragen höre ich von Mitarbeitern im pastoralen Dienst und

von ehrenamtlich Tätigen in den Gemeinden. Diese Frage lähmt den Einsatz und

das Miteinander. Es ist besser, die Chancen in der Veränderung zu sehen als die

Gefahren. Amerika wäre nicht entdeckt worden, wenn es nicht den Seefahrer und

Abenteurer Christoph Kolumbus gegeben hätte. Die Kirche hätte sich verlaufen,

wenn es keine Abenteurer wie den heiligen Franziskus und die heilige Elisabeth

gegeben hätte, die das Armutsideal als Kostbarkeit für die ganze Kirche neu

entdeckt hatten. Wir hätten viele große Gnadengaben nicht entdeckt, wenn nicht

Bischof Hugo Aufderbeck den Mut aufgebracht hätte, um die Erlaubnis zu

Stationsgottesdiensten mit Kommunionausteilung in Rom nachzusuchen. Unsere etwa

400 Diakonats- und Kommunionhelfer sind ein Schatz im Bistum Erfurt, den wir

nicht missen möchten und der uns die Augen für das Wirken Gottes als Hirt und

Bischof unserer Seelen verdeutlicht.

Die hauptamtlichen Seelsorger und

Seelsorgerinnen im Bistum stehen in ihrem Bemühen nicht allein, die Leuchttürme

mit konkreten Menschen zu bestücken und den Grundwasserspiegel zu heben, damit

das Land geistlich fruchtbar bleibt und Leben in Fülle ermöglicht. In der Feier

der Eucharistie, im konkreten caritativen Dienst und im Zeugnis des Glaubens

sind wir beim Hirten und Bischof unserer Seelen - Jesus Christus. Wir können

bei ihm auftanken und uns beschenken lassen. Mit unserem Dasein von 8 Prozent

Katholiken und im gemeinsamen Zeugnis mit den evangelischen Christen, mit denen

zusammen wir etwa 25 Prozent der Bevölkerung ausmachen, möchten wir den Himmel

offen halten und den Blick frei machen und frei halten für eine Wirklichkeit,

die für viele Zeitgenossen so anders, so fremd und exotisch ist.

Dass es gut

ist, in einem Kirchenraum auszuruhen, spüren viele Menschen. Dass Kirchenmusik

und Caritas dem Leib und der Seele des Menschen gut tun, wissen viele Musik-

und Kunstliebhaber. Dass Erfurt nicht ohne den Klang der Gloriosa sein kann,

wissen alle, die diese Kostbarkeit des Domes kennen und ihren Klang lieben, den

wir auch heute vor dem Gottesdienst wieder hören konnten. Bischof Joachim hat

öfter betont, dass er schon durch die erfolgreiche Reparatur der Gloriosa in

die Geschichte eingehen wird. Aber hier geht es nach meinem Empfinden nicht nur

um die Reparatur einer historischen Kostbarkeit, sondern um eine Stimme der

Stadt, die vom Wohl und Wehe der Menschen in dieser Stadt Zeugnis gibt und ein

Signal in Richtung Himmel ist, was besagt: Christen und Nichtchristen haben die

Empathie für Gott nicht verloren. Wenn beim Anläuten nach der Reparatur am 8.

Dezember 2004 die Tränen der Teilnehmer auf dem Domplatz geflossen sind - was

man in der Fernsehberichterstattung sehen konnte, dann zeigt mir dass: Hier ist

mehr als nur 11450 kg Bronze. Hier ist eine Stimme, die das Herz anrührt und

für eine verborgene Wirklichkeit offen macht.

Ein spürbares Anliegen von

Bischof Joachim war es, diese verborgene Wirklichkeit den Bürgerinnen und

Bürgern Thüringens und den Diözesanen bewusst zu machen und dem Glauben eine

konkrete Gestalt zu geben - besonders im Geist der heiligen Elisabeth von

Thüringen, d.h. in einer harmonischen Verbundenheit und gegenseitigen Ergänzung

von Caritas und Pastoral. "Es gibt keine Pastoral ohne Caritas und keine

Caritas ohne Pastoral" - war der cantus firmus in der Verkündigung unseres

Bischofs. Der Glaube, der in der Liebe wirksam wird, ist seit der Zeit der

Apostel eine Einladung, die durch konkrete Gestalten des Christentums

verständlich wird. Ich danke Gott für diese Konkretisierungen bis in unsere

Zeit und bitte ihn, dass er niemals aufhört, auch auf diese Weise der

"Hirt und Bischof unserer Seelen zu bleiben. Amen.


28.11.2012