Winterstein/Detmold/Erfurt (BiP). Am 22. März 2015 feiert die benediktinische Gemeinschaft St. Bonifatius zum letzten Mal ein Jubiläum in Winterstein. Dort betreibt sie seit 50 Jahren das Haus Eichhof, eine Familienferien-, Begegnungs- und Bildungsstätte, die mit Ablauf des Jahres 2016 geschlossen wird. Ein Entschluss, der nicht leichtfiel.
Dass die Gemeinschaft St. Bonifatius ihre Aufgabe in Thüringen nicht fortsetzt, ist schon länger bekannt. "St. Bonifatius" gehört zu den sogenannten Säkularinstituten der katholischen Kirche. Dabei handelt es sich um Gemeinschaften von Männern oder Frauen, die nach den evangelischen Räten der Ehelosigkeit, Armut und des Gehorsams leben, sich aber nicht aus der Welt zurückziehen. Ihre Mitglieder gehen stattdessen einem weltlichen Beruf nach und engagieren sich in kirchlichen und gesellschaftlichen Bereichen, z.B. in der Sozial- und Bildungsarbeit wie in Winterstein. Die Lebensweise erklärt die Bezeichnung als Säkularinstitut: eine Einrichtung (Institut) in der Welt (säkular = weltlich). Das Säkularinstitut St. Bonifatius trägt den Zusatz "benediktinisch" im Namen, weil die Gemeinschaft sich neben dem missionarischen Wirken ihres Namenspatrons Bonifatius auch der Spiritualität des heiligen Benedikts und seiner Ordensregel mit dem berühmten "Ora et labora! - Bete und arbeite!" verpflichtet weiß.
Heute gehören der benediktinischen Gemeinschaft, die in der Nachkriegszeit gegründet wurde, 180 Frauen in Europa, Afrika und Zentralamerika an. Es waren schon einmal mehr. Wie wohl alle Orden und geistlichen Gemeinschaften leidet auch das Institut St. Bonifatius in Deutschland unter Nachwuchssorgen. Mittlerweile gibt es mehr ältere als jüngere Mitglieder, woran sich auch in absehbarer Zukunft nichts ändern wird. Zum Haus Eichhof in Winterstein gehören sechs Frauen, von denen fünf ständig am Ort leben. Keine von ihnen ist jünger als 65, die Älteste zählt sogar 92 Lebensjahre. Für eine Niederlassung wie die in Winterstein benötige man jüngere Frauen mit entsprechenden Qualifikationen, und die gibt es leider nicht, sagt Brigitte Kulüke, die Leiterin des Säkularinstitutes St. Bonifatius, dessen Zentrale in Detmold steht.
So bleibt nur die Aufgabe des Eichhofes, ein schmerzlicher Schnitt, wie Brigitte Kulüke zugibt. Denn Winterstein ist nicht nur eine Familienbildungsstätte, sondern auch das geistliche Zentrum der Gemeinschaft St. Bonifatius in Ostdeutschland. Seit 1955 wirkte das Institut in der DDR, zunächst im heutigen Bistum Magdeburg, dann auch an anderen Orten. Das Haus Eichhof, in dem die Gemeinschaft seit 1965 lebt, war damals ein Müttererholungsheim, zwar in Privatbesitz, aber in Trägerschaft der Caritas. Es entwickelte sich unter Leitung der Frauen des Institutes zu einer Art Familien-Oase in der DDR, einem Ort der Begegnung und des Austausches, der Familien nicht zuletzt dann wichtige Orientierung bot, wenn es um Fragen der christlichen Kindererziehung in einem totalitären Staat ging. Nach der Wende kam es zum Aufbau der Familienferien-, Begegnungs- und Bildungsstätte "Haus Eichhof", wie man sie heute kennt.
Allerdings nötigen nicht nur Nachwuchssorgen zur Aufgabe. Dem Eichhof fällt es immer schwerer, sich auch wirtschaftlich zu behaupten. Mit seinen 40 Plätzen ist das Haus sehr klein und zudem nicht behindertengerecht eingerichtet. Ohne Erweiterungs- und Umbaumaßnahmen könnte es keinesfalls weitergehen.
Das Bistum Erfurt hat überlegt, in die Bresche zu springen. Das lag nahe, denn die Diözese hatte das Anwesen 1990 gekauft und erbbaurechtlich dem Institut St. Bonifatius zur Nutzung überlassen, damit es seine wertvolle Familienarbeit weiterführen konnte. Ein von der Diözese in Auftrag gegebenes Wirtschaftsgutachten ergab aber, dass eine erneute Investition die Existenz von Haus Eichhof in der heutigen Bildungslandschaft nicht nur nicht garantieren könne, sondern auch den Bestand der übrigen diözesanen Bildungshäuser gefährde. Jeder Euro, und es stand eine höhere sechsstellige Summe für Winterstein im Raum, kann nur einmal investiert werden, und kein Kursangebot wird von einem Interessenten zweimal und dann noch in unterschiedlichen Häusern besucht. Das Bistum Erfurt muss den Eichhof verkaufen.
"Wir haben es uns gewiss nicht leicht gemacht, haben lange, sehr lange überlegt, gerade auch im Hinblick auf die engagierten Mitarbeiter und die pädagogische Leitung, für deren Arbeit wir sehr dankbar sind", sagen der Erfurter Generalvikar Raimund Beck und Institutsleiterin Brigitte Kulüke unisono über den gemeinsamen Gesprächsprozess. Aber man habe keine Alternative finden können. Bis zum 31.12.2016 läuft der Betrieb von Haus Eichhof noch weiter. Bis dahin entscheiden sich die sechs Frauen vom Institut St. Bonifatius in Winterstein, ob sie in Thüringen bleiben oder woanders als Mitglieder des Institutes leben wollen. Die neun Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die von der Instituts- und Bistumsleitung in einer Versammlung über die Verkaufsentscheidung informiert wurden, können unbürokratisch aus ihrem Dienstvertrag aussteigen, wenn sie bei einem anderen Arbeitgeber unterkommen können, und sollen sich gezielt auf freiwerdende Stellen beim Bistum Erfurt bewerben. Die Diözese hofft außerdem, dass bei einem Verkauf des Eichhofes Mitarbeiter vom neuen Besitzer übernommen werden. "Wer in einer Familienbildungsstätte kocht, kann dies ja auch in einem Altenheim oder in einem Haus für betreutes Wohnen", nennt Generalvikar Beck Möglichkeiten einer neuen Nutzung.
Und das Jubiläum? Welche Stimmung am 22. März vorherrscht, wenn 50 Jahre benediktinische Gemeinschaft St. Bonifatius in Winterstein gefeiert werden, kann niemand sicher sagen. Dennoch: Dankbarkeit wird auf jeden Fall dabei sein für das, was die "Wintersteiner", ob nun Institutsmitglieder oder Mitarbeiter, für die vielen Familien, die im Eichhof zu Gast waren, in einem halben Jahrhundert geleistet haben. Auch wenn die unmittelbare Zukunft jetzt kürzer ausfällt als gehofft. Aber es wirkt noch lange nach, was im Haus Eichhof gesagt, getan und erlebt worden ist.
www.institut-st-bonifatius.de
24.2.2015