Christus - Stern neuer Hoffnung

Predigt von Bischof Joachim Wanke am ersten Weihnachtstag im Erfurter Dom


Bischof Joachim Wanke
Predigt von Bischof Joachim Wanke am ersten Weihnachtstag im Erfurter Dom

Der Weihnachtsgottesdienst wurde vom Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF) übertragen.



Liebe Schwestern und Brüder im Herrn!


In diesem Jahr haben Studenten der hiesigen Universität vielen Besuchern des Erfurter Weihnachtsmarktes geholfen, durch phantasievolle Aktionen an der Krippe das Geheimnis dieses Festes zu entdecken. "Einmal ein anderer Zugang zu Weihnachten!" Viele Menschen waren davon durchaus angetan, auch viele Nichtchristen.


Was ist das für ein Kind da in der Krippe, unter Tieren geboren, auf Stroh gelegt und doch von Menschen angebetet? Nein, das ist nicht "der kleine Weihnachtsmann", wie tatsächlich eine hilflose Großmutter ihrem fragenden Enkelkind erklärte. So geschehen dieser Tage auf dem Erfurter Weihnachtsmarkt vor dieser Krippe!


Dieses Kind in der Krippe kommt von Gott. Es ist Stern und Licht, Weg und Erlösung der an ihn Glaubenden. Eine wahrhaft phantastische Geschichte, gewiss - aber keine Phantasterei. Seit mehr als 2000 Jahren bauen Menschen ihr Leben auf diese Botschaft von Bethlehem, die sich ja fortsetzt mit dem Leben und der Botschaft, dem Kreuzestod und der Auferstehung Jesu. Wer das gläubig annimmt und sich auf den Namen dieses Kindes taufen lässt, weiß sich getröstet und zu neuem Leben geboren.


Im Tagesgebet der heutigen Festmesse heißt es: "Gott, du hast den Menschen in seiner Würde wunderbar erschaffen und noch wunderbarer wiederhergestellt. Lass uns teilhaben an der Gottheit deines Sohnes, der unsere Menschennatur angenommen hat!"


Hier wird nicht um ein Leben ohne Krankheit und Leiden gebetet. Hier geht es nicht um eine fragwürdige Verlängerung irdischer Lebensmöglichkeiten. In diesem Gebet der Kirche geht es um mehr: "Lass uns teilhaben, Gott, an deinem Leben!" Um Größeres kann man nicht bitten.


Je tiefer wir dank der Wissenschaften in die Geheimnisse des Lebens eindringen, umso mehr lernen wir das Staunen, wie wunderbar alles geschaffen ist, ob in den Weiten des Weltalls oder in den letzten Verästelungen unseres eigenen Körpers. Gottes Schöpfung ist nicht kärglich. Nicht kleinlich schenkt er seine Gaben.


Aber all dies stellt unser Herz noch nicht zufrieden. Gott hat in uns eine tiefere Sehnsucht eingepflanzt, ein unstillbares Verlangen nach glückendem, erfüllten Leben - über alles hinaus, was wir derzeit haben oder uns vorstellen können.


Wir sagen manchmal, wenn einer nach einer Krankheit oder einer tiefen Depression wieder neuen Mut fasst: Jetzt glaubt er wieder an sich selbst! Ärzte wissen davon, Therapeuten und Berater, aber wohl auch alle, die etwas mit Pädagogik und Erziehung zu tun haben: Wichtig sind die Selbstheilungskräfte des Menschen.


Vermutlich ist dies mit dem Wort "Würde" in unserem weihnachtlichen Gebet gemeint. Gottes Handeln an uns geht nie gegen uns. Es ist ein Handeln, das uns stark macht, das uns Selbstachtung ermöglicht, das uns Würde schenkt. Meine Hoffnung auf Leben darf größer sein als mein misstrauisches Herz zulassen will.


Das bringt Christus - und das ist mehr als ein Leben ohne dieses oder jenes Ü;bel, das ja mit Recht von uns bekämpft werden soll. Die Geburt Christi ist der Anfang eines neuen, erlösten Lebens, das wir uns nicht selbst verschaffen können. Darum steht über der Krippe der Stern. Darum beugen wir vor diesem Kind das Knie. Denn diese Geburt geht uns alle an.


Wenn das so ist, hat das aber auch Konsequenzen.


Wenn Gott jedes menschliche Leben mit göttlicher Würde ausgestattet hat, können wir über dieses Leben nicht nach eigenem Gutdünken verfügen. Die christliche Sicht des Menschen macht verständlich, warum menschliches Leben unverfügbar bleiben muss, unantastbar - weder durch Billigung der Selbsttötung oder der Euthanasie, noch durch die Tötung ungeborener Kinder, noch durch die Todesstrafe, aber eben auch nicht durch eine medizinische Forschung, die menschliches Leben "verbraucht", sprich: vernichtet.


Ich weiß: Alle diese Themen sind heftig umstritten. Aber es geht beim Nachsinnen über die Weihnachtsbotschaft um das Erkennen der großen Perspektive, die Gott uns gibt: "Erkenne den Wert des Lebens - sei es dein eigenes oder das deines Mitmenschen!"


Heute erhalten alle Besucher dieses Gottesdienstes und auch die Kranken, die besucht werden, ein unscheinbares Geschenk: einen kleinen Weihnachtsstern, der in seiner Form auf den Thüringer Pädagogen Friedrich Wilhelm Fröbel zurückgeht. Er ist in vielen Wohnungen ein beliebter Weihnachtsschmuck.


Dieses Zeichen will uns daran erinnern: Christus ist Stern und Licht einer neuen Hoffnung. In ihm ist unsere unzerstörbare, weil von Gott geschenkte Würde begründet. Leiden, Sterben und Tod haben nicht das letzte Wort. Wer von Gott geliebt ist, kann nicht sterben.


Geht einmal in unsere Waisenhäuser und Kinderheime und lasst euch von den Erziehern dort sagen, was den Kindern und Jugendlichen am meisten fehlt. Es sind nicht teure Klamotten und elektronisches Spielzeug. Es sind Zuneigung, Geborgenheit, Mitgefühl, Liebe.


Das Licht von Bethlehem ist der bleibende, unaufhebbare Goldgrund unseres Menschseins, das unzerstörbare Fundament unserer Würde, auch wenn das im Alltag oftmals übersehen wird. Manchmal muss man kostbare Geschenke abstauben, damit sie neuen Glanz gewinnen. Die Feier der Geburt Christi nimmt den Grauschleier von unserem Leben. Gegen alle im Alltag erfahrene Armseligkeit und Vergänglichkeit steht Christus - Stern und Licht, Weg und Erlösung.


Wer das begriffen hat, hat Weihnachten verstanden - und vermag das Leben zu feiern, auch über diesen Festtag hinaus. Amen.



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