Bischof Joachim Wanke: "Steine in unseren Händen"

Ferienbrief für Kinder


Bischof Joachim Wanke
Liebe Mädchen, liebe Jungen,


wieder einmal bereitet Ihr Euch auf die Ferien vor. Ihr freut Euch auf frohe und erholsame Tage. Ich wünsche sie Euch allen - Euch selbst, Euren Eltern und Geschwistern und allen, denen Ihr begegnen werdet. In diesem Jahr wird die Vorfreude allerdings getrübt durch das Verbrechen, das in der Erfurter Gutenbergschule geschehen ist. Ihr wisst davon. Ich sage Euch ganz ehrlich: Auch Euer Bischof war erschüttert, als er davon hörte. Der Gedanke daran, dass so etwas bei uns geschehen konnte, lag mir sofort wie ein Stein auf dem Herzen. Vielleicht ging es manchem von Euch auch so.


Ja, manchmal liegt uns ein Stein auf dem Herzen. Vielleicht kommt es daher, dass unsere Welt plötzlich in Unordnung geraten ist, vielleicht wird uns Angst vor irgendetwas. Eine wichtige Frage ist dann: Wie werde ich den Stein in mir wieder los? Ich möchte in meinem Ferienbrief mit Euch diesmal über Steine nachdenken, denen wir in unserem Leben begegnen.


Meine erste Ü;berlegung: Wer anderen Steine in den Weg legt, bringt Kummer in die Welt.


Wenn man das Gefühl hat, man hätte einen Stein auf dem Herzen, dann weiß man natürlich, dass in Wirklichkeit gar kein Stein da ist. Aber jeder hat schon Erfahrungen mit einem wirklichen Stein gemacht: Aus Wut wirft einer den ersten Stein und verletzt damit den anderen. Dann kann es sein, dass der Nächste sofort auch einen Stein nimmt und zurückwirft. So etwas ist schon oft passiert. Das gibt es leider auch zwischen Völkern. Wir hören täglich davon in den Nachrichten. Das kommt auch in Schulklassen vor. Wo einer den anderen ans Schienbein tritt oder ihn sogar böswillig angreift, kann Angst oder sogar Hass entstehen. Ich glaube nicht, dass Ihr auf diese Weise euren Schulfrieden stört. Aber sollte es doch einmal vorkommen, dann besinnt Euch und vergesst nicht, dem anderen möglichst bald zu sagen: "Es tut mir leid." So eine Entschuldigung ist sehr wichtig. Wenn Euch aber ein anderer Steine in den Weg legt, dann versucht auf jeden Fall, eine friedliche Lösung zu erreichen. Oft geht das. Manchmal braucht man dazu auch einen Erwachsenen oder einen älteren Schüler, der dabei hilft.


Meine zweite Ü;berlegung: Mit Steinen kann man etwas aufbauen.


Man kann mit Steinen mehr tun, als sie anderen in den Weg zu legen oder an den Kopf zu werfen. Ihr macht Euch in den nächsten Tagen auf den Weg in die Ferien. Ihr werdet wahrscheinlich dort auch Steine finden: Der eine sucht vielleicht besonders schöne Steine, um sie für seine Steinsammlung mit nach Hause zu nehmen. Ein anderer baut mit anderen zusammen aus Steinen etwas Neues auf. Und wieder ein anderer begegnet einem Steinmetz bei seiner Arbeit und bewundert das Ergebnis. Menschen bauen Häuser, in denen man leben kann. Gemeinden brauchen Kirchen, in denen Gottesdienst gefeiert werden kann. Viele können dabei helfen. Etwas Neues aufzubauen, macht Freude. Man wächst daran. Man kann mit Steinen etwas zerstören, man kann aber mit Steinen auch etwas Schönes aufbauen. Wer das tut, ist auf einem guten Weg. Vielleicht vergisst er dabei sogar den Stein, der ihm bisher auf dem Herzen lag.


Und die letzte Ü;berlegung: Wir kennen einen lebendigen Stein.


"Einen lebendigen Stein?" fragt ihr nun. "Das gibt es doch gar nicht!" Ich will Euch sagen, was damit gemeint ist. Der heilige Apostel Petrus hat uns daran erinnert, dass es wirklich einen lebendigen Stein gibt. Er meint mit diesem lebendigen Stein Jesus Christus selbst. Und der hl. Petrus fordert uns auf: "Ihr sollt euch als lebendige Steine einbauen lassen in das Haus, das Gott für uns bauen wird." Jesus und seine Jünger haben mit dem Bau dieses Hauses Gottes angefangen. Jeder von uns kann zu diesem Haus etwas beitragen. Im Himmel wird es einmal ganz fertig sein. Ich denke, Ihr könnt verstehen, was mit diesem Haus gemeint ist: Wo Menschen nach Gottes Willen leben, wo sie einander helfen, wo sie auf Gott vertrauen - da ist der "lebendige Stein" Jesus Christus mitten unter ihnen. Da vergeht die Angst. Da kann man mit allen Sorgen fertig werden. Und das ist gut zu wissen.



Ich glaube, es ist diesmal ein ernster Brief geworden. Aber ich denke, Ihr könnt seinen Inhalt verstehen. Der Stein soll Euch daran erinnern:

    Wer Steine auf den Weg legt, macht anderen das Leben schwer.

    Wer mit anderen gemeinsam etwas aufbaut, ist auf einem guten Weg.

    Wer auf Jesus Christus, den lebendigen Stein, vertraut, verliert die Angst.



Liebe Mädchen, liebe Jungen, nun geht guten Mutes in die Ferien. Wenn Ihr unterwegs seid, solltet Ihr manchmal an meinen Brief denken. Vielleicht findet Ihr unterwegs einen Stein, der Euch gefällt. Nehmt ihn mit. Er soll Euch ein Erinnerungszeichen sein: Ich vertraue auf Jesus Christus, den lebendigen Stein!


Ich wünsche Euch frohe Tage ohne Angst und Sorgen. Vielleicht sehen wir uns bei der Kinderwallfahrt oder bei der Bistumswallfahrt wieder. Ich freue mich darauf.


Es grüßt Euch herzlich und segnet Euch


Euer Bischof Joachim Wanke



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