Statement von Bischof Dr. Heinrich Mussinghoff, Aachen, beim Pressegespräch am Donnerstag, 23. Mai 2002, anlässlich des 50jährigen Jubiläums der Theologischen Fakultät Erfurt. Bischof Mussinghoff ist stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und Vorsitzender der DBK-Kommission "Wissenschaft und Kultur":
Erfurt ist ein guter Ort, über Universitäten und katholische Theologie zu sprechen: Von Beginn an hatte die im Jahr 1392 eröffnete Erfurter Universität eine Theologische Fakultät. Mit der Errichtung einer evangelisch-theologischen Professur wurde sie im Jahr 1566 zur ersten deutschen Universität, an der beide Konfessionen vertreten waren. In der DDR war das Philosophisch-Theologische Studium Erfurt die einzige katholische Ausbildungsstätte, wo in katholischer Theologie auf wissenschaftlichem Niveau geforscht und gelehrt wurde. Hier ist der größte Teil der Priester und auch mancher Laie ausgebildet worden. Erfurt ist für Kirche und Theologie mithin ein besonderer Ort.
Die Kommission für Wissenschaft und Kultur der Deutschen Bischofskonferenz hat darum bereits im Sommer 1991 empfohlen, das Philosophisch-Theologische Studium in Erfurt fortzuführen. Mehr noch: Für den - damals noch gar nicht absehbaren - Fall der Gründung einer Universität Erfurt hat die Bischöfliche Kommission zu der Zeit bereits geraten, die Theologie in eine neu zu gründende Hochschule zu integrieren. Diese Vision scheint nun in der einen oder anderen Form Realität zu werden.
Hinter dieser Linie steht die Ü;berzeugung, dass die Katholische Theologie eine der klassischen Disziplinen unserer Universitäten ist. Als Glaubenswissenschaft hat sie ihren Wert an sich - jenseits aller funktionalen Ü;berlegungen und Begründungen. Vorrangige Aufgabe einer Theologischen Fakultät ist es, die Wissenschaft von Gott auf einem guten Niveau und in ihrer ganzen Breite in Forschung, Lehre und Studium zu betreiben. Die deutschen Bischöfe halten es für unverzichtbar, dass die Katholische Theologie in der ostdeutschen Hochschullandschaft mit über 80 Hochschulen und 300.000 Studenten auf dem Niveau einer Fakultät präsent ist. Nur so kann sich die Theologie auf das Gespräch mit den anderen wissenschaftlichen Disziplinen einlassen. Dieses Gespräch ist gerade in unserer Zeit wachsender Orientierungslosigkeit notwendig.
Ein weiterer Aspekt ist, dass Theologie nicht im luftleeren Raum betrieben werden kann. Sie hat immer auch mit ihrem Kontext - mit den Menschen und Verhältnissen ihrer Umgebung - zu tun. Darum ist eine theologische Hochschule in den neuen Bundesländern mit ihren speziellenGegebenheiten nicht nur hochschul- und wissenschaftspolitisch klug. Sie ist auch theologisch und pastoral notwendig. Extreme Diasporasituation, Nachwirkungen der sozialistischen Ideologie und tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen erfordern eine eigene Antwort der Kirche und der Theologie.
Für die strukturelle Einbindung einer theologischen Ausbildungsstätte bieten sich grundsätzlich mehrere Modelle an. Wir haben in Deutschland theologische Fakultäten an staatlichen Universitäten. Sie machen die größere Zahl aus und haben die meisten Professoren und Studenten. Daneben steht eine nicht geringe Zahl von Fakultäten und Hochschulen in der Trägerschaft von Diözesen und Ordensgemeinschaften. Sie bereichern das theologische Angebot auch fachlich, weil sie durchweg ein eigenes Profil aufweisen. Diese Pluralität hinsichtlich Trägerschaft und inhaltlichem Profil hat sich bewährt. Es entsteht so ein facettenreiches Bild der Theologie, das bunter ist, als es von außen oft wahrgenommen wird. Welcher Weg strukturell im konkreten Fall gegangen wird, muss unter Abwägung aller Argumente im Einzelfall geprüft werden. Unverzichtbar scheint mir dabei allerdings, dass die konkreten Gegebenheiten beachtet werden - hierzu gehören auch die Belange der Ortskirche bzw. der beteiligten Ortskirchen - und dass eine fachliche Profilierung angestrebt wird.