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Erstmals Interreligiöses Gedenken in Erfurt am Totensonntag

Aus aktuellem Anlass findet in Erfurt erstmals am Totensonntag / Ewigkeitssonntag, 22. November, 15 bis 16 Uhr ein Interreligiöses Gedenken statt. Dazu lädt der Interreligiöse Gesprächskreis »Religionen in Thüringen« öffentlich ins Atrium der Erfurter Stadtwerke in der Magdeburger Allee 34 ein.

In dieser Stunde werden Vertreter des Evangelischen Kirchenkreises, der Jüdischen Landesgemeinde Thüringens, der Römisch-Katholischen Kirche Bistum Erfurt, der Russisch-Orthodoxen Kirche Weimar, der schiitischen und sunnitischen Muslime und Gemeinden jeweils Texte aus Tora, Bibel und Koran sowie Gebetsworte zur Sprache bringen.

Der Interreligiöse Gesprächskreis »Religionen in Thüringen« hat sich im Februar dieses Jahres gebildet. Hubertus Staudacher, Islambeauftragter des Katholischen Bistums und Pfarrer i. R. Dr. Aribert Rothe, Mitglied der evangelischen Arbeitsgemeinschaft "Konfessionen - Religionen - Weltanschauungen", hatten dazu die Initiative ergriffen. In einem ersten Schritt wurden Vertreter/innen der "Buchreligionen" in der Tradition Abrahams eingeladen, gleichrangig zusammenzukommen. Erst einmal ist dabei an die großen Richtungen gedacht: Judentum (orthodox), Christentum (orthodox, katholisch, evangelisch) und Islam (Sunniten, Schiiten). Bei Zustimmung könnte der Kreis auch erweitert werden. Die religiösen Gemeinschaften bzw. Konfessionen sollen jeweils durch ein bis zwei Personen fest im Kreis verankert sein. Gelegentlich können zusätzlich Gäste einbezogen werden. Damit soll eine personelle Dominanz einzelner Gruppen verhindert und zugleich Kontinuität, Vertrautheit und Verlässlichkeit erreicht werden.

Die Einladung stieß auf große Bereitschaft. Die Mitglieder kommen aus der Jüdischen Landesgemeinde, dem Kulturzentrum Erfurter Moschee, der schiitischen Gemeinde Erfurt, der evangelischen und katholischen Kirche sowie der russisch-orthodoxen Kirche in Weimar. Orte der Begegnung sind wechselweise Räumlichkeiten in gegenseitiger Gastgeberschaft. Perspektivisch ist es durchaus denkbar, Treffen mit der Anwesenheit bei Gebet und Gottesdienst der besuchten Gruppe zu verbinden.

Der Interreligiöse Gesprächskreis »Religionen in Thüringen« versteht sich allerdings nicht als ein Forum für soziale oder politische Fragen und Auseinandersetzungen. Im Vordergrund steht auch nicht die Wahrheitsfrage, sondern die Wahrnehmung des Anderen in seiner religiösen Beziehung und dem sich daraus ergebenden Verhalten zur Gesellschaft. Es ist die Freiheit Gottes, sich auch und anders gegenüber anderen zu zeigen.

Dabei ist klar, dass ein fruchtbarer Dialog nicht aus der Beobachtungsperspektive geführt werden kann. Echtes Gespräch setzt eine bewusste Identität voraus. Denn die Beziehungen zwischen Religionen können nicht neutral geklärt werden. Die jeweils eigene Lebensentscheidung und Geschichte, aber auch die Geschichte und Theologie der eigenen Glaubensgemeinschaft ist zu berücksichtigen. Jeder Glaubensentscheidung gilt Respekt.

Der Gesprächskreis ist also weniger ein Ort des Disputes als der möglichen Interaktion. Es geht zuerst um Vertiefung des Wissens um den Anderen. Nicht zuletzt braucht es den Austausch über die jeweiligen Erfahrungen als Minderheiten in einer überwiegend areligiösen Umwelt, die sich gleichgültig oder sogar ablehnend zeigt. Im entstehenden Vertrauen lassen sich viele Fragen aufgreifen: Welche unterschiedlichen Sichtweisen von Religion und Gesellschaft gibt es? Welche Probleme entstehen im gesellschaftlichen Leben und zwischen den Religionen, z. B. bei der Seelsorge in sozialen Einrichtungen, in Schulfragen und Kindergärten, bei Religionswechsel und in den Familien? Wie kann man sich gegenseitig unterstützen?

Mit der Einladung zum Interreligiösen Gedenken tritt der Interreligiöse Gesprächskreis »Religionen in Thüringen« erstmals an die Öffentlichkeit.


Pressemitteilung des Interreligiösen Gesprächskreises "Religionen in Thüringen". Den Inhalt verantwortet der Absender.

17.11.2015