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Predigt:
Die Straßen in Heiligenstadt waren am Palmsonntag noch nie so leer wie heute. Lange wurde um die Entscheidung gerungen, ob die traditionelle Palmsonntagsprozession ausfallen muss oder nicht. Was die Nationalsozialisten und die Kommunisten nicht geschafft haben, hat ein Virus geschafft, der tödlich sein kann. Wir sind gezwungen, in einer einfachen Form diesen Palmsonntag 2020 in Heiligenstadt, in allen Kirchen Deutschlands oder sogar überall in der ganzen Welt zu gestalten, wo der Corona-Virus aktiv ist.
Wir schauen in diesen Tagen in den Nachrichten auf Tabellen, die mit ihren Linien den Verlauf der Krankheitsfälle und den Verlauf der Börse zeigen. Immer noch steigen die Zahlen der Infektionen. Es steigen auch die Zahlen der Toten. Froh sind wir über die angegebene Zahl der ehemals Erkrankten, die wieder geheilt nach Hause gehen können. Die Tabellen der Börsen zeigen Zickzack-Kurven und beschreiben sowohl einen Abwärtstrend und der manchmal auch ein kleines Wachstum signalisiert, das uns Hoffnung macht.
„Auf und Ab“ – vielleicht können wir mit diesen einfachen Worten nicht nur das Börsenbarometer beschreiben, sondern auch den Inhalt des Palmsonntag. Wir haben am Beginn des Gottesdienstes vom Einzug Jesu in Jerusalem gehört. Das war ein Siegeszug, der die Überzeugung vieler Einwohner Jerusalems wiedergegeben hat, dass Jesus von Nazareth der Messias ist. Jesus nutzte auch Zeichen, die der Prophet Sacharja für den Messias angekündigt hatte: Zeichen der Demut und Einfachheit. „Der Prophet Jesus von Nazareth in Galiläa“ wird er genannt. Jeder in Israel wusste aber, dass das kaum möglich sein kann, denn der Messias musste doch aus Judäa kommen – aus Bethlehem, der Davidsstadt. Zwar sprechen die Bewohner von Jerusalem vom „Propheten“ und nicht gleich vom „Messias“, aber die äußeren Zeichen, die Jesus setzt und die von den Menschen vollzogen werden, wie das Ausbreiten der Tücher und das Zujubeln mit Zweigen, drücken aus: Hier ist der Messias.
Das „Ab“ oder der Absturz der Lebenskurve ist in der Passionsgeschichte beschrieben: es geht nicht nur um das Sterben, sondern um Gewaltanwendung, die zum Tode eines Menschen führt, dessen Schuld nicht genau beschrieben wurde. Im Matthäusevangelium wird auch nicht von Hochstapelei oder Amtsanmaßung Jesu gesprochen wie in anderen Evangelien, sondern allein, weil das Volk zwischen Barrabas und Jesus entscheiden sollte und man sich für die Freilassung des Mörders Barrabas entschieden hatte, wurde der Gefangene Jesus zur Hinrichtung geführt. Ruf-Mord könnte man dazu sagen: Weil man Jesus loswerden wollte, haben die Leute gerufen und den Tod am Kreuz gefordert und bewirkt. Solche Betrachtungen eines Lebensweges in den gewaltsamen Tod ohne Schuld machen mich sehr betroffen.
Die Kurve des Auf und Ab kann uns aber auch zuversichtlich stimmen, denn es ist ja damit ein Wechsel anzeigt, der sicher ist. Wir hoffen und beten derzeit, dass mittels der Medizin und des Abstandhaltens die Kurve der Neuinfektionen und Toten abnimmt. Wir hoffen, dass die Wirtschaft wieder anspringt und die Rezession nicht zu heftig wird und uns belastet. Die Erfahrung lehrt uns, dass es eben ein Auf und Ab gibt – wenn auch in zeitlicher Ungewissheit.
Der Prophet Sacharja berichtet von seiner Gotteserfahrung, die ebenso mit dem Auf und ab zu tun hat. Er gibt die Worte des Gottesknechtes wider, der sich ganz dem Willen Gottes geöffnet hat und deshalb Schmähungen verkraften muss. „Gott wird mir helfen“ – ist seine Botschaft und Überzeugung trotz seiner Erniedrigung. Er nimmt den Weg abwärts in Kauf, weil er vom Aufwärts überzeugt ist. Da könnte man schnell auf den Gedanken kommen, dass er dann die Abwärtsbewegung nicht so heftig gespürt hat. Das ist aber nicht der Fall. Das Leiden und Sterben Jesu war qualvoll, auch wenn er sicher war, dass der Vater im Himmel ihn im Blick hat. Der Leidende fällt nicht in ein Loch, sondern in die barmherzigen Hände Gottes, des Vaters. Das macht es leichter auszuhalten. Das ist auch die Botschaft der Christen gegenüber Leidenden und Sterbenden heute: Du fällst nicht in ein Loch, sondern in die barmherzigen Hände Gottes.
Das Auf und Ab des Lebens Jesu beschreibt In einer Kurzform das Lied im Philipperbrief, das der Apostel Paulus dort eingefügt hat. Jesus kommt vom Vater im Himmel und geht wieder dorthin. Er geht uns voraus und wir können uns an ihn anhängen. Das tun wir beim Leben aus dem Glauben.
Wir sagen heute demjenigen, der sich ganz oben fühlt: Nimm dich in Acht, dass du nicht fällst und der Fall dich ganz aus der Lebensbahn wirft! Sei dankbar, dass es dir jetzt gut geht, aber sieh es niemals als eine Selbstverständlichkeit an und sage nicht, dass du es sogar verdient hättest.
Wir sagen dem, der sich in einer Abwärtsbewegung befindet: „Es wird auch wieder anders werden! Vielleicht gibt es die Wende erst in der Ewigkeit, aber es gibt sie.“
Den Christen soll Gelassenheit und Vertrauen auszeichnen. In diesem Vertrauen schauen wir auf den Passionsweg Jesu und bitten um die Kraft im Glauben, der im Auf und Ab zu gestalten ist, wie es Jesus, der Prophet aus Nazareth getan hat. Amen.