Die Predigten in der Fastenzeit sollen in diesem Jahr eine Einladung sein. Eine Einladung zum Beten: Zum Beten mit der Heiligen Schrift. Eine Einladung Neues in den uns vertrauten Texten zu entdecken. Die Bibel ist für uns Christen Gottes Wort. Immer wieder nimmt Gott so Kontakt zu uns auf. Wir müssen nichts tun als hinhören. Wie die Jünger dürfen wir zu Christus gehen und sagen: Herr, lehre uns beten! In den biblischen Texten dürfen wir Antworten erwarten und erhoffen.
Lassen Sie uns hinhören, wie das gehen kann. Lassen Sie uns hörend mit unserem Herrn mitgehen!
Im Evangelium wurde uns die Verklärung des Herrn vorgestellt. In dieser biblischen Erzählung finden sich manche Hinweise darauf, wie wir beten können:
1. Mit den Jüngern schauen und hören
Gehen wir mit den Jüngern auf den Berg! Was erleben wir dort?
Jesus führt die Jünger auf den Berg. Das Wort, das dort steht, heißt sogar: er trägt sie hinauf. Sie können kaum etwas dazu tun, nur sich mitnehmen lassen. Auf dem Berg dürfen wir mit den Jüngern auf das himmlische Geschehen schauen. Aber weder die Jünger noch wir können etwas dazu beitragen. Himmel ist Himmel und Erde ist Erde. Jesus, Mose und Elija auf der einen, die Jünger mit uns auf der anderen Seite. Und doch dürfen wir diesem himmlischen Bereich nahekommen - es ist gut, dass wir dabei sind. Petrus spricht es aus. Er möchte diesen Ort, diese Erfahrung festhalten. Schließlich ist hier der Himmel ganz nah.
Am Ende geraten die Jünger in den Schatten einer Wolke. Die Wolke ist Symbol der Gegenwart Gottes. Seit dem Wüstenzug wissen die Juden: hier ist Gott wirklich da. Wieder sind die Jünger Gott ganz nahe. Sie hören die göttliche Stimme, die sie auf Jesus und seine Worte hinweist.
Am Ende steigen sie vom Berg hinab. Sie verstehen Jesu Worte über die Auferstehung nicht - wie auch, so weit ist die Geschichte noch nicht. Sie reden aber immerhin miteinander, was das sei, von den Toten auferstehen. Ob sie eine Antwort gefunden haben? Es wird uns nicht erzählt. Aber sie sind mit ihren Fragen nicht allein geblieben.
2. Mit Gott ins Gespräch kommen
Was heißt das für unser Beten?
Wir sind zu spät geboren, um Jesus persönlich als Menschen kennenzulernen, um so mit ihm ins Gespräch zu kommen, wie die Jünger damals: von Angesicht zu Angesicht, von Mensch zu Mensch.
Aber vielleicht trägt er auch uns manchmal auf einen Berg. Was könnten solche Bergerlebnisse sein? Für den einen ein schöner Gottesdienst, für andere eine Wallfahrt oder ein kurzer, guter Moment oder ganz andere Begebenheiten. Es gibt Ereignisse im Glauben, die möchte man festhalten. Da möchte man dabei bleiben, nicht mehr weg müssen. Es ist Gott selbst, der uns so etwas schenkt. Wir können davon zehren. Wir können in der Erinnerung an solche Erlebnisse neu zugehen auf Gott, neu die Begegnung mit ihm suchen - er trägt uns dahin. Aber unser Glauben lebt nicht nur von eigenen Erlebnissen. Die Bibel gibt uns Anteil an dem, was andere Menschen mit Gott erfahren haben. So zeigt sich Gott uns im Leben und auch im Lesen.
Die göttliche Aufforderung aus der Wolke mag uns schwierig erscheinen. Wie sollen wir auf Jesus hören, da er doch nicht irdisch bei uns ist? Müssen wir auf mystische Erleuchtungen warten? Die Heilige Schrift hilft uns weiter. In den Evangelien hören wir, was Jesus uns zu sagen hat. Zugleich sind das Worte, die vielen Generationen von Christen wichtig geworden sind. Wir dürfen Jesus hören - jedes Mal wenn uns das Evangelium verkündet wird.
Vom Berg wieder hinabsteigen ohne alles verstanden zu haben - diese Erfahrung machen nicht nur die Jünger. Beten, Gemeinschaft mit Gott beantwortet nicht alle Fragen. Manchmal hilft es, nicht allein damit zu bleiben. Miteinander können wir manchmal besser ergründen, was der Herr gemeint hat. Aber auch das persönliche Meditieren der Schrift kann uns Hilfe sein, ihn besser zu verstehen.
3. Heute Christus suchen
Glauben lebt aus der Erinnerung daran, dass Gott da ist. Diese Erinnerung kommt aus eigenen Erlebnissen, an die wir denken können, aber auch aus den Geschichten der Heiligen Schrift. Beides zusammen zeigt uns die Grundlage unseres Betens, auf die wir uns verlassen können: Gott ist schon da, ehe wir anfangen. Wir werden im Gebet nicht allein bleiben.
Wir können unsere Aufmerksamkeit auf Jesu Worte richten, wenn wir sie im Evangelium hören oder lesen. Er eröffnet das Gespräch. Wir brauchen nicht grübeln, wie wir es anfangen. Er fängt an. Er spricht zu uns, ehe wir den Mund aufmachen. Wir können zuhören, hinterher hören, fragen und antworten.
Beten endet nicht mit dem "Amen". Manches schleppen wir mit uns herum, an manchem haben wir zu knabbern, zu überlegen, uns zu freuen... Unsere Fragen, unsere Einsichten und Erlebnisse können Gesprächsthema untereinander werden und uns zum Beten bringen: um Einsicht, um gegenseitige Stärkung, um Gottes guten Geist?
Quelle: Predigthilfe des Erfurter Seelsorgeamtes für die Fastenzeit 2012. Anne Rademacher ist Referentin des Seelsorgeamtes.

