Bereits im Februar und März 2018 besuchten einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter u.a. aus unserem Bistum für zwei Wochen das afrikanische Land Äthiopien. In Vorbereitung auf die Bistumswallfahrt und missio Eröffnung des Weltmissionssonntag lernten sie das Land und seine Leute näher kennen.
Im Rahmen dessen erscheint heute eine Sonderausgabe vom Tag des Herrn über die Reise nach Äthiopien und die diesjährige Bistumswallfahrt.
Zwei Artikel können Sie hier bei uns vorab lesen. Die Sonderausgabe vom Tag des Herrn liegt in Ihren Kirchorten aus. Sie können die Ausgabe aber auch beim Seelsorgeamt Erfurt bestellen.
Telefon: 0361 65 72 310
E-Mail: seelsorgeamt@bistum-erfurt.de
Neue Perspektiven
Der Interreligiöse Dialog in Äthiopien
Bedächtig verrührt mein äthiopisches Gegenüber den Zucker in seiner Tasse wohlduftenden Kaffees. Der alte Mann hatte mich mit freundlicher Geste eingeladen, mich zu ihm zu setzen. Er ist etwa 70 Jahre alt, hat graues Haar und strahlende dunkle Auge. Da wir uns nicht förmlich vorstellen, nenne ich ihn in Gedanken Nelson. Irgendwie erinnert er mich an den berühmten südafrikanischen Freiheitskämpfer.
Auch er ist zu Gast im Seelsorgeamt der katholischen Erzdiözese Addis Abeba, wo wir im geräumigen Aufenthaltsraum sitzen. Nelson und ich kommen in ein lebhaftes Gespräch. Er berichtet mir, dass die Regierung in den letzten 16 Jahren die Bildung eines Bewusstseins für die eigene ethnische Identität gefördert habe.
So werde im Personalausweis vermerkt, zu welcher der rund 80 Volksgruppen man gehört, die es in Äthiopien gibt. „Die Regierung handelt nach dem Prinzip, Teile und Herrsche‘“, sagt Nelson. „Indem man das Bewusstsein stärkt, zur Volksgruppe der Oromia oder der Amharen zu gehören, schwächt man das Selbstverständnis, Äthiopier zu sein. Die damit einhergehende Zersplitterung verhindert eine starke Opposition.“ Doch diese Politik richtet sich seit einiger Zeit wie ein Bumerang gegen die Herrschenden. So nehmen die Konflikte zwischen verschiedenen Volksgruppen zu, so dass Äthiopien in die Gefahr läuft, in einen neuen Bürgerkrieg zu rutschen.
„Welche Rolle spielen dabei die Religionen?“, frage ich. Nelson erwidert bedächtig: „Die Vertreter der Religionen sitzen hinter verschlossenen Türen und versuchen, diesem Konflikt entgegenzusteuern. Schließlich sind fast alle der Ethnien entweder christlich oder muslimisch. Religion vereint die Menschen über die Volksgruppen hinaus. Glücklicherweise sind wir Äthiopier ein sehr spirituelles Volk: Darum habe ich die Hoffnung, dass mit Hilfe der Religionen dieser Konflikt beigelegt werden kann.“ Ich entgegne ihm, dass ich während meines Aufenthalts in Äthiopien zwar ein tolerantes Nebeneinander, aber kein großes Miteinander der Religionen und Konfessionen erlebt habe. Und beim Besuch der orthodoxen Kirche St. Georg in Addis Abeba hatte ich nicht den Eindruck, dass wir Katholiken als gleichwertige Geschwister im Glauben angesehen werden.
Führt da ein Austausch der Religionsvertreter überhaupt zu einem Ergebnis? Nelson blickt mir in die Augen: „Trotz aller Unterschiede zwischen den Religionen und Konfessionen kann ein Austausch, wenn er richtig geführt wird, zur Annäherung und zum Gesinnungswandel führen. So muss man als religiöser Mensch, als Christ oder Muslim, einsehen, dass alle Menschen Gottes Schöpfung sind und zu einer einzigen Menschheitsfamilie gehören. Versteht man dies im Herzen, gibt es keinen Grund, sich wegen der Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Volksgruppen zu hassen.“
Das Gespräch mit Nelson hat mir neue Perspektiven für den Interreligiösen Dialog geöffnet, der in Thüringen zwischen den Vertretern verschiedener Religionen geführt wird. Ziel muss es grundsätzlich sein, ein friedvolles Zusammenleben zwischen den Religionen zu fördern und – in unserer besonderen Thüringer Situation – eine Brücke zwischen den konfessionslosen und den religiösen Menschen herzustellen. Im Dialog sollte dem Gemeinsamen und Verbindenden mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden als dem Trennenden. Auf diese Weise kann eine gegenseitige Achtung und Anerkennung geschaffen werden, die auf der grundlegenden Einsicht beruht, dass wir alle – unabhängig von unserer Herkunft – Geschöpfe Gottes sind. So können auch Konflikte konstruktiv angegangen werden.
(Eckehart Schmidt ist Beauftragter für den interreligiösen Dialog des Bistums Erfurt.)
„…da hilft nur Gottvertrauen“
Wie Kirche in die Gesellschaft strahlt
Der Nachsatz „da hilft nur noch Gottvertrauen“ von Sr. Emma, die ich im Sozialzentrum Medhin in der Downtown Addis Abebas kennenlernen durfte, hat sich mir als Theologiestudentin ins Herz gebrannt. Sr. Emma leitet mit einer Mitschwester – beide gehören der Gemeinschaft der kleinen Schwestern an – das Sozialzentrum, in dem sie sich um obdachlose Frauen und ihre Kinder, sowie kranke und behinderte Menschen kümmern.
Das tiefe Gottvertrauen und die Spiritualität der vielen Ordensgemeinschaften, die wir besuchten, und der Menschen, mit denen ich nach den Gottesdiensten ins Gespräch kommen durfte, haben mich sehr beeindruckt.
Der meist körperlich anstrengende und ungewisse Alltag vieler Menschen aller Lebensalter, die weit unter der Armutsgrenze leben, ist geprägt von der engen Beziehung mit und zu Gott.
Nicht selten erzählten uns die Einrichtungsleiter von Sozialprojekten, dass das Vertrauen auf Gott oft die einzige Kraftquelle und Motivation ist, immer wieder und immer weiter in der Nächstenliebe über sich hinauszuwachsen und körperliche, wie materielle Grenzen zu überwinden. Die Sozialprojekte in kirchlicher Trägerschaft und die Orden leisten eine sehr wirkungsvolle Arbeit in der Armutsbekämpfung, obwohl der Ruf der katholischen Kirche in Äthiopien insgesamt eher schlecht ist. Die Strahl- und Wirkungskraft solcher Projekte ist weit höher als der prozentuale Anteil der Katholiken an der Bevölkerung. Das hat mich fasziniert.
Davon würde ich mir als Pfarreiratsvorsitzende gern mehr als eine Scheibe abschneiden. Wie können wir als Pfarrei in einer Stadt, die mit Addis Abeba kaum zu vergleichen ist, nach einer Strukturreform beziehungsweise in den neuen Strukturen mehr innerhalb der Pfarreigrenzen aufeinander zugehen, aber unsere Nächstenliebe auch nach außen tragen? Wo sollten wir mehr einladende und (zu)hörende Kirche sein? Und wie können wir so auch eine Strahlkraft erzielen, die über unsere Grenzen hinausgeht? Wie schaffen wir es, Gott als Quelle und Motivation, als unser Zentrum, nicht aus dem Blick zu verlieren?
Wie das in Addis Abeba funktioniert, erzählte mir ein Jugendlicher nach dem Sonntagsgottesdienst bei einer Kaffeezeremonie, die zum traditionellen Kulturgut gehört. Er engagiert sich ehrenamtlich für seine Gemeinde St. Michael und leitet die Kindersportgruppe, den Kinder- und Jugendchor und die Ministranten. Das engagierte ehrenamtliche Mittun einzelner Gemeindemitglieder sei wichtig für ein lebendiges und spirituelles Miteinander der Gemeinde, das sich dann automatisch nach außen übertragen würde.
Wichtig ist das in unseren Pfarreien in Deutschland natürlich auch – leider hat es an Image ganz schön verloren. Mit Rückblick auf die Reise würde ich mir wünschen, dass wir es in unseren Pfarreien und Gemeinden wieder lernen, das Ehrenamt als Chance und nicht als Doppelbelastung zusehen. Auf dem Weg der Suche nach Gott und der Beziehung zu ihm wird ehrenamtliches Engagement kein Hindernis sein!
Als Theologiestudentin bin ich natürlich nicht nur theoretisch, sondern vor allem auch praktisch auf der Suche nach Gott und versuche meine Beziehung zu ihm zu stärken – nach dieser Reise mehr denn je. Dabei habe ich verwirrende und teilweise elende Bilder im Kopf, aber niemals trostlose, weil das Gott-vertrauen hilft!
(Paula Greiner-Bär ist Theologiestudentin und Pfarreiratsvorsitzende.)