19. Dezember

Gott macht Schlagzeilen

Bild: Michael Gaida auf Pixabay

Das hatte Gott von langer Hand geplant. Sein Sohn sollte Mensch werden. Der Termin stand fest und auch der Ort, an dem er das Licht der Welt erblicken würde.

Jetzt musste er nur noch seine himmlische Schar briefen, damit sie die freudige Nachricht unter die Leute brachten. Also versammelten sich alle auf sein Geheiß hin, zückten ihre Stifte, um sie bald darauf wieder wegzulegen. Denn die Nachricht war kurz und knackig und so grandios, dass man sie einfach nicht mehr vergessen konnte.

"Wie lautet die Botschaft?", hakte der Allmächtige noch einmal nach. "Fürchtet euch nicht! Heute ist euch der Heiland geboren.", erschallte es freudig aus unzähligen Engelskehlen.

Doch dem Allmächtigen entging nichts. Er sah einen Abweichler, der sich schwer mit dieser Botschaft tat. Weil Gott kein Despot ist und Widerspruch gut aushalten kann, ließ er ihn seine Bedenken vorbringen. "Also, die Sache ist die", begann die forsche Rede des Engels, "nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten. Denn die verkaufen sich viel besser. Und schau dir die Menschen an – sie fahren richtig darauf ab".

Ach du lieber Himmel, kein Wunder, dass der Engel so argumentiert, schoss es dem Allmächtigen durch den Kopf. Gehörte er doch zu der Truppe, der er die schreibende und medienschaffende Zunft anvertraut hatte. Vielleicht sollte er doch mal wieder das Personenkarussell kreisen lassen. Wenn schon Engel anfällig für solche Überzeugungen werden, brauchte es ihn bei den Menschen nicht zu wundern.

Und während Gott all diese Gedanken durch den Kopf gingen, hatte der Engel schon ein paar Alternativschlagzeilen auf Lager. Zum Beispiel: "Hartherziger Wirt schickt Hochschwangere ins Dunkel der Nacht." Oder: "Tiere müssen ihre Krippe an Neugeborenes abtreten".

Sofort erscholl der Protest der anderen Engel, die einstimmig meinten, dass ja die Hauptperson der frohen Botschaft in derartigen Schlagzeilen gar nicht mehr vorkomme. Da musste ihnen der Engel natürlich Recht geben.

Gott war froh, dass seine Himmelsschar  dieses Problem unter sich gelöst hatte.
Und weil er nicht nur allmächtig, sondern auch allwissend ist, war ihm längst klar, dass man auch noch in mehr als 2000 Jahren von dieser guten Nachricht reden würde.


Andrea Wilke