An einer Studienreise mit der Bischöflichen Kommission ADVENIAT vom 6. bis 16. Juli 2018 in Bolivien nahmen die Bischöfe Dr. Franz-Josef Overbeck (Essen), Weihbischof Rolf Steinhäuser (Köln) und ich teil. Wir wurden von Fachleuten der Kommission begleitet, die uns im Vorfeld über die verschiedenen Projekte informierten, die wir besuchen wollten.
Die Bischöfliche Hilfsaktion ADVENIAT fördert vorrangig pastorale Projekte wie den Religionsunterricht und bisweilen auch den Bau von Kapellen und Klöstern.
Die Reise ging von Santa Cruz zu den sogenannten Reduktionen, die im 16./17. Jahrhundert durch die Jesuiten angelegt wurden, um der einheimischen Bevölkerung aus der Sklaverei und dem Bildungsnotstand zu helfen. Von diesen Dörfern sind bedauerlicherweise nur noch die Kirchen und Grundstücke erhalten. Manche musealen Stücke können gezeigt werden – vor allem die Musikalien, die durch die Jesuiten angefertigt wurden, d.h. Barockmusik, die auf selbstgebauten Instrumenten von den Ureinwohnern in den Reduktionen gespielt wurde.
Weiterhin besuchten wir ein ökologisches Projekt in dem abgelegen Ort Aramasi, das durch den deutschen Priester Alexander Gerling seit 43 Jahren betreut wird und als Vorzeigeobjekt für alle gilt, die sich in der Landwirtschaft mit umweltbewusster Bewirtschaftung beschäftigen. Über Cochabamba ging die Reise nach Potosi – eine Stadt, die als die höchstgelegene Stadt der Welt gilt (4070 m ü. Msp.) und früher reicher war als Paris, da dort Silber abgebaut werden konnte. Die Silbervorkommen sind nach 400 Jahren fast erschöpft, so dass heute die Abraumhalden nach Resten von Silber durchforstet werden. Dabei wird Quecksilber und viel Wasser verwendet, was es aber nicht ausreichend gibt, so dass auch das Grundwasser geschädigt wurde.
250 000 Menschen leben heute in Potosi. Die Gegend wirkt traurig und wüst. Bauruinen verstärken den Eindruck, dass hier die Menschen durch die Regierung vergessen wurden. ADVENIAT versucht, hier das Priesterseminar und weitere katholische Bildungseinrichtungen zu unterstützen und die Arbeit der Missionare u.a. aus Polen, Kroatien und Litauen zu sichern.
Ein Kurzbesuch in Sucre, der alten Hauptstadt Boliviens, zeigt die Schönheit der Kultur und der Menschen, die zahlreiche Kirchen vor allem im 16./17. Jahrhundert geschaffen haben. In spanischer Art wurden die Kirchen geschmückt – mit bekleideten Heiligenskulpturen und zahlreichen Vergoldungen. Beeindruckend ist auch die Volksfrömmigkeit, die jedoch immer noch einen Hauch von Naturreligion in sich birgt. So wurden alle Mitglieder Reisegruppe auch zu Ehrengästen der historischen Stadt Tiwanuku in der Nähe des Titicacasees ernannt. Das geschah in einer Zeremonie im Rathaus von Tiwanuku unter Anwesenheit von etwa 10 Stammeshäuptlingen, die in ihren traditionellen Kleidungen die Zeremonie vornahmen.
Am Ende der Reise kamen wir nach La Paz und nahmen im Haus des Militärbischofs Quartier. La Paz mit dem Stadtteil El Alto ist eine Stadt mit einem Höhenunterschied von etwa 400 Metern. Der Flughafen mit der neuen Stadt El Alto liegt in 4061 Meter Höhe und ist derzeit durch 8 Seilbahnlinien, die ständig erweitert werden, mit dem älteren Stadtteil La Paz verbunden. Beeindruckend war dort die Teilnahme an den Feierlichkeiten zu Ehren der Gottesmutter vom Berg Karmel (16.07.). Am Vortag, dem Sonntag, kamen nach dem Gottesdienst etwa 40 Traditionsgruppen in bunten Trachten mit Musik und Tanz zu einer Prozession zusammen, die vor dem Bild der Gottesmutter Halt machte. Dort war zu erleben, wie die Teilnehmer an der Prozession zu innigem und heftigem Gebet verbunden waren.
„Vivir bien!“ – „Gut leben!“ nennt sich das pastorale Konzept der katholischen Kirche in Bolivien. Gutes Leben für Leib und Seele ist damit gemeint und wird von Caritas und Diözesen Boliviens unterstützt. Den Teilnehmern der Reise erschienen manche Projekte als Versuche, gleich die Welt in Bolivien zu retten. Dort mussten die Fachleute der Kommission helfen, Gegenwart und überschaubare Zukunft vor Ort in den Blick zu nehmen, damit auch durch kleine Schritte ein Aufschwung erkennbar wird und die Menschen Mut zum Leben bekommen.
Es besteht die Hoffnung, durch die Reise und die Gespräche vor allem die Solidarität der Katholiken in Deutschland zum Ausdruck gebracht zu haben, die ja vor allem durch die Kollekte an den Weihnachtstagen ermöglicht wird. Zumindest mir werden zu Weihnachten die sowohl bunten als auch traurigen Bilder Boliviens wieder in Erinnerung kommen, wenn zur Kollekte an Weihnachten eingeladen wird.
Weihbischof Dr. Reinhard Hauke