Meine lieben Schwestern und Brüder im Herrn,
die Fußwaschung ist ein beeindruckender Ritus der Liturgie am Gründonnerstag. Die Rubriken des Messbuchs schreiben dazu vor: „Wo die seelsorgerlichen Verhältnisse es anraten, folgt (auf die Predigt) die Fußwaschung. Die Altardiener geleiten die Männer, an denen die Fußwaschung vorgenommen werden soll, zu den an geeigneter Stelle bereitgestellten Sitzen.“ Die Fußwaschung war ursprünglich ein Ritus unabhängig von der Gründonnerstagsliturgie. Im 4. Jahrhundert ist sie in Verbindung mit der der Taufliturgie bezeugt. In einem Zeremonienbuch für die Bischöfe von 1600 ist der Brauch erwähnt, dass der Bischof nach der Vesper oder zu Mittag, in der Kirche, im Kapitelsaal oder an einem anderen geeigneten Ort dreizehn Armen die Füße wäscht, abtrocknet und küsst, nachdem er sie bekleidet, ihren Hunger gestillt und ihnen ein Almosen gegeben hat, oder auch dreizehn Kanonikern, je nach den örtlichen Gewohnheiten und dem Willen des Bischofs.
Die Fußwaschung war also ein bedeutungsvoller Gestus, der aber nicht in der Versammlung des ganzen Gottesvolkes vollzogen wurde. Die Fußwaschung hatte einen sehr schönen Namen: Mandatum – auf Deutsch Gebot – entsprechend der Antiphon, die während der Fußwaschung gesungen wurde: „ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander so wie ich euch geliebt habe.“ (Joh 13,14). Mit der Neuordnung der Heiligen Woche durch Pius XII. 1955 erhielt die Fußwaschung ihren Platz nach der Predigt und wurde auch für Pfarrkirchen empfohlen.
Im Jahr 2013 gab es eine spektakuläre Weiterentwicklung: Papst Franziskus feierte wenige Tage nach seiner Wahl die Abendmahlsmesse in der Kapelle des römischen Jugendgefängnisses Casal del Marmo mit etwa 50 Häftlingen. Der Papst umarmte alle jungen Leute und forderte sie auf, sich niemals die Hoffnung rauben zu lassen. Zwölf Gefangene verschiedener Nationalitäten und Religionen waren ausgewählt worden, vom Papst die Füße gewaschen zu bekommen. Papst Franziskus sagte den jungen Menschen: „Einer muss dem anderen helfen, das lehrt uns Jesus und das ist das, was ich tue, es ist meine Pflicht“. Die Fußwaschung sei ein Symbol und ein Zeichen, sie bedeute, „dass ich zu Deinen Diensten bin.“ Wer höhergestellt sei, der müsse im Dienst der anderen stehen.
In der KONGREGATION FÜR DEN GOTTESDIENST UND DIE SAKRAMENTENORDNUNG läuteten die Alarmglocken, nicht weil der Papst die Liturgie im Gefängnis feierte oder weil er sich deutlich auf die Seite der Straftäter stellte, auch nicht weil die Jugendlichen, denen er die Füße wusch, nicht alle Christen waren, sondern weil darunter auch Frauen waren und doch das Messbuch vorschreibt: „Die Altardiener geleiten die Männer, an denen die Fußwaschung vorgenommen werden soll, zu den an geeigneter Stelle bereitgestellten Sitzen.“ Also musste diese Rubrik im Messbuch überarbeitet werden. Dies geschah mit dem Dekret „In Missa in cena domini“ vom 6. Januar 2016. Es heißt jetzt: „Die Altardiener geleiten diejenigen, die aus dem Volk Gottes dazu ausgewählt wurden, zu den an geeigneter Stelle bereitgestellten Sitzen, damit so die Hirten eine kleine Gruppe von Gläubigen auswählen können, die die Verschiedenheit und Einheit eines jeden Teiles des Gottesvolkes repräsentieren.
Diese Gruppe kann aus Männern und Frauen bestehen und angemessener Weise aus Jungen und Alten, Gesunden und Kranken, Klerikern, Ordensleuten und Laien.“ Erläuternd heißt es: „Es geht ja nicht nur um die äußere Nachahmung dessen, was Jesus getan hat, sondern auch um die Bedeutung dessen, was er mit universaler Geltung vollzogen hat, nämlich die Selbsthingabe für das Heil des (gesamten) Menschengeschlechts. (…) In der Tat geht ja das exemplum, das er gegeben hat, damit auch wir so handeln wie er (vgl. Joh 13,14-15), darüber hinaus, dass wir anderen physisch die Füße waschen, und umfasst all das, was dieser Gestus an spürbarem Liebesdienst für den Nächsten ausdrückt.
Die Liebe Christi schließt niemanden aus – auch nicht einen römischen Hauptmann oder eine heidnische Frau, Er hat dem Judas Iskariot die Füße gewaschen und dem Verbrecher am Kreuz das Paradies verheißen.
Die Liebe Christ erwartet aber auch eine Antwort – oder besser: sie ersehnt eine Antwort. Im Lukasevangelium heißt es: „Mit großer Sehnsucht habe ich danach verlangt, vor meinem Leiden dieses Paschamahl mit euch zu essen.“ (Lk 22,15) Diese Sehnsucht erhofft nicht nur, dass wir in der Gemeinschaft mit Jesus Christus bleiben, sie erwartet auch, dass wir sein Mandatum, sein Gebot erfüllen: „Liebt einander so, wie ich euch geliebt habe.“ (Joh 13,14)
Gründonnerstag
In der Abendmesse des Gründonnerstages gedenkt die Kirche des letzten Abendmahls Jesu mit seinen Jüngern. Die Bezeichnung dieses Tages stammt vermutlich vom mittelhochdeutschen „gronan“, weinen. Am Gründonnerstag wurden früher Menschen, die für schwere Sünden öffentlich büßten, wieder in die kirchliche Gemeinschaft aufgenommen. Diese Büßer nannte man auch „Weinende“.
Im Gottesdienst am Abend des Gründonnerstags werden Frauen und Männern der Gemeinde vom Bischof oder vom Priester die Füße gewaschen. Die Fußwaschung ist ein Ausdruck dienender Liebe, wie sie Jesus vorgelebt hat. Obwohl es ein Knechtsdienst war, hatte auch Jesus beim letzten Abendmahl den Jüngern die Füße gewaschen.
Die Glocken und die Orgel erklingen an diesem Abend bis zur Osternacht zum letzten Mal. Sie schweigen zeichenhaft an den Tagen des Leidens und Todes Jesu. Auch das Entfernen des Altarschmuckes am Ende der Messe und die Übertragung des eucharistischen Brotes in den Dom stimmen die Gläubigen darauf ein.