Gemeinschaft von Unvollkommenen

Predigt von Bischof Ulrich Neymeyr am Gründonnerstag, 9. April 2020

Bild: Peter Weidemann; in: Pfarrbriefservice.de

Der Ursprung des christlichen Abendmahls ist die jüdische Paschafeier. In der Lesung aus dem Buch Exodus wurde berichtet, dass die erste Paschafeier, die unmittelbar vor dem Auszug aus Ägypten begangen wurde, eine Familienliturgie war. Auch das letzte Abendmahl Jesu fand im Kreis seiner engsten Jünger statt. Am ausführlichsten berichtet der Evangelist Lukas: „Dann kam der Tag der Ungesäuerten Brote, an dem das Paschalamm geschlachtet werden musste. Jesus sandte Petrus und Johannes aus und sagte: Geht und bereitet das Paschamahl für uns vor, damit wir es essen können! Sie fragten ihn: Wo sollen wir es vorbereiten? Er antwortete ihnen: Siehe, wenn ihr in die Stadt kommt, wird euch ein Mann begegnen, der einen Wasserkrug trägt. Folgt ihm in das Haus, in das er hineingeht, und sagt zu dem Herrn des Hauses: Der Meister lässt dich fragen: Wo ist der Raum, in dem ich mit meinen Jüngern das Paschalamm essen kann? Und der Hausherr wird euch einen großen Raum im Obergeschoss zeigen, der mit Polstern ausgestattet ist. Dort bereitet es vor! Sie gingen und fanden alles so, wie er es ihnen gesagt hatte, und bereiteten das Paschamahl vor. Als die Stunde gekommen war, legte er sich mit den Aposteln zu Tisch.“ (Lk 22,7-14)

Wir feiern heute die Abendmahlsfeier am Gründonnerstag auch in sehr kleinem Kreis und sind im Geist und im Gebet verbunden mit vielen christlichen Familien und Gemeinschaften, die zu Hause Mahl halten in Erinnerung an das letzte Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern. Wir sind hier die Bischöfe und Priester, die besondere Verantwortung tragen für das Bistum Erfurt. Wir haben viele gemeinsame Konferenzen und müssen Vieles miteinander beraten und entscheiden. Wir haben unsere Stärken kennengelernt, aber auch unsere Schwächen. Wir ärgern uns, wenn Entscheidungen anders ausfallen, als wir es für richtig halten. Wir regen uns auf, wenn im Alleingang ohne Beratung entschieden wird. Wir sind sauer, wenn jemand das nicht erledigt, was er zugesagt hat. Genauso geht es in den häuslichen Gemeinschaften auch. Jeder kennt den anderen sehr gut, auch die Eigenschaften, die er nur schwer ertragen kann, und wenn es die ausführliche Schönheitspflege im Bad ist.

Auch Jesus kannte seine Apostel sehr genau. Er wusste um ihren Ehrgeiz. Sogar beim letzten Abendmahl gab es Zank. Auch darüber berichtet der Evangelist Lukas: „Es entstand unter ihnen ein Streit darüber, wer von ihnen wohl der Größte sei. Da sagte Jesus zu ihnen: Die Könige herrschen über ihre Völker und die Vollmacht über sie haben, lassen sich Wohltäter nennen. Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern der Größte unter euch soll werden wie der Jüngste und der Führende soll werden wie der Dienende. Denn wer ist größer: der bei Tisch sitzt oder der bedient?“ (Lk 22,24-27)

Dieser Streit entstand, nachdem sie den Leib und das Blut Christi empfangen hatten! Es hatte aber auch schon vorher Rangstreitigkeiten gegeben, wie auch wieder Lukas berichtet: „Unter ihnen kam der Gedanke auf, wer von ihnen der Größte sei.“ (Lk 89,46)

Jesus feierte das letzte Abendmahl mit Männern, die er sehr gut kannte. Sie hatten alles stehen und liegen lassen, um mit ihm unterwegs zu sein. Sie waren begeistert von dem, was sie mit ihm erlebten, aber sie waren auch übereifrig, emotional, halbherzig und sogar bereit, sich von Jesus loszusagen. Der Evangelist Lukas berichtet auch davon, dass Jesus wusste, dass ihn einer seiner Apostel seinen Gegnern ausliefern würde und dass Petrus leugnen würde, ihn überhaupt zu kennen. Trotzdem hat Jesus seine Apostel nicht einfach nur ertragen, weil er sie eben brauchte, sondern er hat die Gemeinschaft mit ihnen genossen. „Er sagte zu ihnen: Mit großer Sehnsucht habe ich danach verlangt, vor meinem Leiden dieses Paschamahl mit euch zu essen.“ (Lk 22,15) So hat der Evangelist Lukas seine Worte überliefert.

Als Jesus im Abendmahlsaal sagte „Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird.“ (Lk 22,19), da dachte er sicher zunächst an die Männer, die mit ihm am Tisch saßen, und dann erst daran, dass seine Liebe zu den Menschen über den Kreis der Apostel hinausgeht und auch uns umfängt.