Meine lieben Schwestern und Brüder,
das Jahr 2025 ist in unserer Kirche ein Heiliges Jahr unter dem Leitwort „Pilger der Hoffnung“. Dieses Leitwort steht auch über unserer diesjährigen Bistumswallfahrt. Es passt gut in unserer Zeit, die geprägt ist von Zukunftsängsten durch Nachrichten über Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten und in der sich immer weiter eine große Unzufriedenheit ausbreitet. In dieser Zeit sind wir Pilger der Hoffnung. Es ist nicht eine unbegründete, einfach nur behauptete Hoffnung, dass alles gut ausgehen wird. Wir sagen nicht einfach nur „Alles wird gut!“. Unsere Hoffnung ist begründet. Papst Franziskus hat in seiner Eröffnungsbulle zum Heiligen Jahr das Pauluswort „Spes non confundit“, „Die Hoffnung lässt nicht zugrunde gehen“, (Römer 5,5) als Überschrift über das Heilige Jahr 2025 geschrieben. An dieser Stelle des Römerbriefs begründet Paulus seine Hoffnung, die nicht zugrunde gehen lässt.
Paulus hat viele Widerwärtigkeiten und Probleme in seinem Leben erfahren müssen. Immer wieder wurde er verhaftet und bestraft, er hat beschwerliche Reisen auf sich genommen und wurde verzehrt von der Sorge um die christlichen Gemeinden, die er gegründet hatte. Aus dieser Erfahrung heraus kann Paulus dennoch schreiben: „Die Hoffnung lässt nicht zugrunde gehen“. Und dann folgt die Begründung: „Denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen“. Wir sind mit Gott im Bunde. Dieser Bund ist nicht nur ein vertragsmäßiges Bündnis, sondern man kann sagen, eine Herzensangelegenheit. Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen. Im Angelus-Gebet bitten wir: „Gieße Deine Gnade in unsere Herzen ein.“ Gott lädt uns ein zu einer herzlichen, persönlichen, liebenden Beziehung. An uns liegt es, dieses Angebot in Umkehr und Glaube anzunehmen. Dann wissen wir, unser Leben ist geborgen und getragen in Gottes Liebe. Für Paulus ist diese Hoffnung unauflösbar verbunden mit der Hoffnung auf die Auferstehung der Toten und das ewige Leben.
So schlimm es auch kommen mag, niemand kann uns aus der Hand Gottes schießen, so sagte es Kardinal Volk bei einem Bittgottesdienst kurz nach dem Attentat auf den Heiligen Papst Johannes Paul II. Der Satz im fünften Kapitel des Römerbriefs geht aber noch weiter. Die versöhnliche Beziehung der Christen zum Gott und Vater Jesu Christi wird noch konkreter beschrieben: „Die Hoffnung lässt nicht zugrunde gehen, denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.“ (Römer 5,5). Der Heilige Geist wird uns im Sakrament der Taufe und der Firmung ein für alle Mal unter dem sakramentalen Zeichen der Chrisamsalbung ins Herz gegeben.
An anderer Stelle schreibt Paulus auch, dass der Heilige Geist in uns wohnt. Bei der Taufe und bei der Firmung wurden wir mit unserem Namen angesprochen, um zu verdeutlichen, es ist nicht nur eine allgemeine Weltliebe, mit der Gott uns umfängt, sondern auch die ganz persönliche Liebe zu jedem und jeder Einzelnen von uns. Das ist der tiefe Grund, weshalb wir Pilger der Hoffnung sind. Nicht nur für uns, sondern auch für alle Menschen, mit denen wir zusammenleben.
Wir spüren natürlich, dass diese große Gabe zu einer großen Aufgabe wird: mit Gott im Bunde Hoffnung zu leben und Hoffnung zu verbreiten. Lassen Sie mich dies anhand von drei Beispielen verdeutlichen.
´Hatespeech´ ist eine Erfahrung, die unsere Zeit prägt. Nicht nur in der Kommunikation in den sogenannten sozialen Netzwerken, sondern auch in dem, was führende Politikerinnen und Politiker in aller Welt von sich geben. Vieles, was da gesagt und anderen zugemutet wird, ist von der Meinungsfreiheit gedeckt. Satire darf alles, auch beleidigen und verletzen. Die Wahrheit kommt unter die Räder. Da dürfen wir als Christinnen und Christen, in deren Herzen die Liebe Gottes ausgegossen wurde, nicht mitmachen. Ruhig und sachlich reden oder schweigen, das sind die Alternativen. Nach Argumenten fragen und diese überprüfen, das sind Wege, die das gesellschaftliche Miteinander fördern können. Und nicht mitmachen, wenn verächtlich über Menschen oder bestimmte Gruppen von Menschen gesprochen wird. Sie alle sind Geschöpfe des Gottes, der seine Liebe in unsere Herzen ausgegossen hat. Ganz besonders gilt dies für antijüdische Äußerungen. Im vergangenen Jahr gab es in Thüringen 392 antisemitische Straftaten. Nicht nur wir Christen sind mit Gott im Bunde, sondern auch die Juden. Wir beten für sie, dass sie auf ihrem Weg das Ziel erreichen, zu dem Gottes Ratschluss sie führen will. Wer Juden verächtlich macht, beschimpft oder attackiert – ob von links oder von rechts – greift unsere älteren Geschwister an.
Auch beim Thema Lebensschutz gilt: Auch wenn es alle machen – wir nicht. Auch, wenn Schwangerschaftsabbruch in unserem Land unter bestimmten Umständen straffrei ist, schützen wir auch den ungeborenen Menschen und seine Würde. Denn seit seine Eltern bei der Zeugung am Schöpfungshandeln Gottes mitgewirkt haben, ist jeder ungeborene Mensch ein Gedanke Gottes. Das ist natürlich nicht nur eine Herausforderung für die Frauen, die ungewollt schwanger geworden sind. Sie werden häufig alleingelassen. In der Verantwortung stehen genauso die Väter, aber auch die Familien wie Großeltern, Geschwister, der Freundeskreis, die Dorfgemeinschaft, die Arbeitgeber und viele andere mehr. Als Christen können wir uns diesem Engagement nicht entziehen. Ich danke allen, die sich dafür einsetzen, in der Schwangerenberatung, in Familien- und Freundeskreisen, in Kinderkrippe und Kindergärten, in Einrichtungen für Kinder mit Behinderung und in vielen anderen Bezügen. Sie sind Pilger der Hoffnung. Deswegen setzen wir uns als Glieder der Kirche dafür ein, dass das Leben ungeborener Menschen auch vom Staat geschützt wird.
Dies gilt auch für den Lebensschutz am Ende des Lebens. Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen. Wir überlassen es Gott, zu entscheiden, wann das Herz nicht mehr schlägt und wann er uns einlädt zum himmlischen Hochzeitsmahl. Ich danke allen, die in der Palliativbetreuung Großartiges leisten und todkranke Menschen medizinisch, pflegerisch und menschlich einfühlsam begleiten. Das Mitleid hört nicht auf, wenn das Leben zuende geht. Vielmehr ist die Begleitung sterbender Menschen sehr anspruchsvoll, aber auch sehr bereichernd für alle Beteiligten. So kann das Sterben ein Pilgerweg der Hoffnung sein, dass mit dem Tod nicht das Leben endet, sondern seine Vollendung beginnt.
Lassen Sie mich am Schluss noch eine kleine, vielleicht banale Anregung für Pilger der Hoffnung geben. Wenn in einer Gaststätte die Bedienung ein leckeres Essen auf den Tisch stellt, freut sich jeder über eine köstliche und schön angerichtete Speise. Mittlerweile ist es üblich geworden, innezuhalten und das Essen zunächst zu fotografieren, um das Bild an Freunde und Bekannte zu schicken. Es gibt Publikationen zu diesem Phänomen, die dieses Verhalten durchaus negativ bewerten und mit einem unschönen Begriff bezeichnen. Für uns als Gottesgläubige ist solch ein schönes Essen auf dem Tisch natürlich ein Anlass zu einem Dankgebet. Wenn die Anderen innehalten, um zunächst ein Foto zu machen, können wir auch innehalten und zunächst ein Gebet sprechen und vielleicht sogar ein Kreuzzeichen machen. Das betrifft nicht nur leckeres Essen im Restaurant, sondern jede Mahlzeit. Das Tischgebet lehrt uns Dankbarkeit. Nicht nur gegenüber den Menschen, die die Lebensmittel und das Essen bereitet haben, sondern auch gegenüber Gott, dem Geber alles Guten. Und das Tischgebet lässt uns wenigstens einen Moment daran denken, dass viele Menschen nicht jeden Tag einen gedeckten Tisch haben.
Pilger der Hoffnung, sicher fallen Ihnen noch andere Bereiche ein, in denen dieses schöne Leitwort des Heiligen Jahres 2025 für Sie ganz konkret wird. Tauschen Sie sich doch am Wallfahrtstag darüber aus.