„Und das Wort ist Fleisch geworden“ (Joh 1,14) - mit diesem programmatischen Satz besingt der Evangelist Johannes das Festgeheimnis des heutigen Tages. Das Wort, der Logos, ist der Ursprung allen Seins: „Alles ist durch das Wort geworden und ohne es wurde nichts, was geworden ist.“ (Joh 1,3). Das ist der unvorstellbar große Schöpfergott, der sich in die menschliche Existenz begibt, die mit dem Wort ´Fleisch´ beschrieben wird. Damit ist die Existenz gemeint, die an Raum und Zeit gebunden ist, nur begrenztes Einsichtsvermögen hat, der Vergänglichkeit unterworfen ist und von Trieben und Süchten gesteuert werden kann und vielfältigen anderen Begrenztheiten unterworfen ist.
Der Evangelist Lukas schildert diesen Gegensatz zwischen dem Wort und dem Fleisch anders: Der Engel verkündet zunächst in aufsteigender Linie, wer da in Bethlehem geboren worden ist. Der Retter, der Messias, der Herr. Dann beschreibt er in absteigender Linie, was es heißt, ein Mensch zu sein: Ein Kind, das in Windeln gewickelt – darauf wird hingewiesen – in einer Krippe liegt, nicht in einem weichen Bettchen.
Der Evangelist Johannes besingt im Prolog zu Beginn seines Evangeliums nicht nur den großen Gegensatz zwischen der unvorstellbaren Welt des Schöpfergottes und einem kleinen Menschenkind, sondern er beschreibt auch, dass der Logos Mensch geworden ist, der göttliche Sohn des göttlichen Vaters, dessen Wirken er in seinem Evangelium beschreibt. Man könnte den Eindruck gewinnen, der Logos habe die göttliche Dreifaltigkeit verlassen, um eine irdische Existenz anzunehmen. Man könnte fragen, ob die göttliche Dreifaltigkeit in der Zeit der irdischen Existenz des Logos eine andere gewesen sei.
Hier hilft der Satz des Theologen Karl Rahner: „Die ökonomische Trinität ist die immanente Trinität und umgekehrt.“ Unter immanenter Trinität versteht Karl Rahner die liebende Beziehung der drei göttlichen Personen untereinander. Es ist der Kern des Glaubens an einen dreifaltigen Gott, dass Gott nicht nur in ewiger Glückseligkeit in sich selbst ruht, sondern in ihm selbst personale Begegnung stattfindet. Die immanente Trinität bleibt aber nicht unter sich, sie geht aus sich heraus. Gottvater ist der Schöpfer des Himmels und der Erde. Der Sohn wird in Jesus von Nazareth Mensch. Der Heilige Geist verbindet sich mit der Kirche. Dieses Aus-Sich-Herausgehen, das wir an Weihnachten in besonderer Weise feiern, bezeichnet Karl Rahner als ökonomische Trinität und weist auf den tiefen inneren Zusammenhang hin. Die liebende Beziehung der drei göttlichen Personen schließt die Schöpfung, die Mensch-Werdung und die Ausgießung des Heiligen Geistes mit ein und im Wirken nach außen ist nicht nur eine göttliche Person vertreten, sondern alle drei.
Im Stundengebet wird morgens in der Terz gebetet: „Komm Heiliger Geist vom Ewigen Thron, eins mit dem Vater und dem Sohn, durchwirke unsre Seele ganz mit deiner Gottheit Kraft und Glanz.“ Wir öffnen uns für das Wirken des Heiligen Geistes, wissen aber, dass er eins ist mit dem Vater und dem Sohn. Ebenso ist den Menschen zu Lebzeiten Jesu nicht nur der Sohn Gottes begegnet, sondern auch der dreifaltige Gott. Im Johannesevangelium steht der Satz Jesu: „Ich und der Vater sind eins“ (Joh 10,30), und der Johannesprolog beschreibt: „Alles ist durch das Wort geworden und ohne es wurde nichts, was geworden ist.“ (Joh 1,3).
An Weihnachten offenbart sich der dreifaltige Gott. Die Größe und Liebe der drei göttlichen Personen, die wir am Dreifaltigkeitssonntag feiern, bleibt nicht unter sich, sondern strömt hinaus in die Schöpfung und in die Herzen der Menschen und zieht uns mit hinein in ihre göttliche Liebe: „Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.“ (Röm 5,5) oder wie es im Johannes-Prolog heißt: „Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, Gnade über Gnade“ (Joh 1,16).
Aus dieser großen Gabe erwächst die Aufgabe, dem Evangelium von der Liebe Gottes Raum zu geben in unserer Welt. Diese Aufgabe betrifft zunächst und zuerst die Welt, in der wir leben, für die wir Verantwortung tragen. Der Barmherzige Samariter hat sich um den verletzten Mann gekümmert, der vor ihm auf dem Weg lag, und nicht - um einen schönen Satz von Bischof Kamphaus zu zitieren - eine Enquetekommission einberufen, die die Ursachen der Räuberei auf dem Weg von Jerusalem nach Jericho untersuchen und abstellen soll. Die Herausforderung ist schon groß genug, in unserer kleinen Welt dem Evangelium von der Liebe und Barmherzigkeit Gottes Raum zu geben. Wir brauchen die Liebe Gottes, die in unsere Herzen ausgegossen ist, und die Gnade, die wir von ihm in den Sakramenten empfangen haben und empfangen. Und wir flehen den Herren an, dass er diese seine Liebe auf die ganze Welt ausgießt, die so zerrissen ist und von Kriegen und Zerstörung bedroht.
Papst Leo XIV. hat am 7. September am Ende der großen Heiligsprechungsmesse für Carlo Acutis gesagt: „Der Fürsprache der Heiligen und der Jungfrau Maria vertrauen wir unser unablässiges Gebet für den Frieden an, insbesondere im Heiligen Land und in der Ukraine sowie in allen anderen vom Krieg heimgesuchten Ländern. Den Regierenden sage ich erneut: Hört auf die Stimme eures Gewissens! Die scheinbaren Siege, die mit Waffen errungen werden und Tod und Zerstörung säen, sind in Wirklichkeit Niederlagen und bringen niemals Frieden und Sicherheit! Gott will keinen Krieg, er will Frieden, und er unterstützt diejenigen, die sich bemühen, aus der Spirale des Hasses auszubrechen und den Weg des Dialogs zu beschreiten.“ Gerade an Weihnachten beten wir besonders innig um den Frieden in der Welt, um den Frieden der Menschen untereinander und unter den Völkern und um den Frieden mit der Schöpfung. Wir stimmen damit ein in den Gesang der Engel über den Feldern von Bethlehem: „Friede auf Erden, den Menschen seine Gnade.“ (Lk 2,14)

