Maria und Elisabeth haben vermutlich aramäisch miteinander gesprochen. Der Evangelist Lukas schreibt die Begegnung in griechischer Sprache auf. Dabei sagt Elisabeth, dass die Mutter ihres Herrn gekommen ist: mäter tu kyriou – im Griechischen. Elisabeth bekennt, dass sie den Kyrios – den Herrn – ihren Herrn in ihrer Nähe spürt und bekennt. Sie legt ein Glaubensbekenntnis ab, wie es dann beim Konzil von Nizäa im Jahr 325 formuliert worden ist, dass Jesus Christus der kyrios ist, der Sohn Gottes. Vermutlich sprach Elisabeth vom Messias und verwendete dieses Wort, das dann im Griechischen mit Kyrios übersetzt wurde.
Alle Hoffnungen Israels verbinden sich mit diesem Titel. Im Magnifikat Mariens – in ihrem Antwortgesang auf den Gruß der Elisabeth – beschreibt sie, welche große Tat Gott damit gemacht hat und welche Hoffnungen sich damit verbinden, dass nun sein Messias in diese Welt kommt: Hochmut wird zerstört; Mächtige werden vom Thron gestürzt und die Niedrigen werden erhöht. Es wird das sich ereignen, was auch schon Abraham erlebt hat, als er dort, wo es eigentlich keine Hoffnung mehr gab, Wunderbares und Neues geschaffen hat.
Das Glaubensbekenntnis der Bischöfe von Nizäa ist in erster Linie eine Absage an die Irrlehren der damaligen Zeit, die versucht haben, die Frage nach dem Wesen und der Natur Jesu zu beantworten, aber dabei auf Abwege geraten sind.
Der erste Lösungsvorschlag im 2. Jahrhundert war die sogenannte „Gnosis“. Diese Lehre verbannt Gott in seine Herrlichkeit, wo er mit der materiellen Gegenwart nichts mehr zu tun hat. Der Schöpfergott war ein Gott, der sich in einem vorweltlichen Sündenfall vom wahren Gott getrennt hatte und daher die Welt böse ist. Zwar ist der Mensch vom Wesen her göttlich, aber sein Körper bindet ihn an die Welt, die böse ist. Das Ziel des Menschen besteht darin, sich von dieser Welt zu lösen, was durch die Erkenntnis – die sogenannte Gnosis – möglich ist. Der wahre Gott habe nun seinen Sohn gesandt, um dem Menschen diese Erkenntnis zu vermitteln. Da aber die Welt ja dem Bösen unterworfen sei, konnte der Sohn Gottes nicht Mensch werden und durch seine Menschwerdung die Menschen erlösen. Er konnte nur die Erkenntnis vermitteln, dass sich der Mensch von dieser Welt lösen muss. Die Gnosis war also so etwas wie eine Selbsterlösungslehre.
Damit spielt Gott als der Schöpfer und Erlöser keine Rolle mehr. Der Mensch macht alles selbst!! Das ist eine Lehre, die heute sicherlich viele Anhänger findet. Das Konzil aber hat geantwortet: „Ich glaube an den einen Gott, den Vater den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde, aller sichtbaren und unsichtbaren Dinge.“ Es gibt also keinen zweiten und bösen Gott. Es gibt keine Selbsterlösung, sondern der Sohn Gottes hat für uns die Erlösung bewirkt.
Ein weiterer Versuch war der sogenannte Monarchianismus – ein Versuch, den Trinitätsglauben zu erklären. Hier wurde gelehrt, dass Jesus erst durch die Taufe am Jordan der Sohn Gottes geworden ist oder auch erst bei der Auferstehung als Sohn Gottes angenommen wurde. Auch wurde der Vater als Schöpfer im Alten Testament, der Sohn als Erlöser im Neuen Testament und der Heilige Geist als Führer seit dem Pfingstfest bezeichnet. Gott tritt also in drei verschiedenen Varianten auf. Daher formuliert das Konzil die Einheit von Vater, Sohn und Heiligem Geist. Dieser Glaube wird schon in der Taufformel zum Ausdruck gebracht, wie wir sie im Evangelium beim Taufbefehl finden: „Tauft sie auf den Namen des Vaters, und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Dabei spielt das Wort „und“ die entscheidende Rolle. Alle drei sind miteinander verbunden zu einer neuen Einheit.
Vor allem richtete sich das Konzil gegen die Lehre des Arius, der als angesehener Prediger in der Stadt Alexandria tätig war. Auch er versuchte, die Lehre von der Dreifaltigkeit tiefer zu ergründen. Er betont, dass ja nur der Vater allein und ohne Anfang sein kann, wenn es den einen Gott gibt, und daher der Sohn und der Geist einen Anfang gehabt haben müssen. Es gab also damit einmal eine Zeit, in der der Gottessohn nicht existierte. Damit ist er auch vom Vater in seinem Wesen wesentlich unterschieden. Die Erschaffung sei zwar auch vor aller Zeit gewesen und der Sohn nur aus Gottes Gnade ein Gott. Hier ergibt sich aber die Frage, ob denn dann der Sohn, der auch nur ein Geschöpf Gottes ist, uns Menschen als Geschöpfe erlösen kann? Ist er denn damit nicht zu schwach?
Im Glaubensbekenntnis werden diese Lehren und Irrlehren im Einzelnen benannt und korrigiert. Der Vater wird als Schöpfer bekannt, der Sohn dem Wesen des Vaters gleichgesetzt, die Menschwerdung mit Leiden, Tod und Auferstehung bekannt und wesensmäßige Einheit von Vater, Sohn und Heiligem Geist feierlich erklärt. Wenn auch das Konzil von Nizäa die Gottheit des Heiligen Geistes nicht ganz klar zum Ausdruck gebracht hat, so wurde das dann beim Konzil von Konstantinopel im Jahr 381 nachgeholt. Daher nennen wir unser Glaubensbekenntnis korrekt auch: nizäno-konstantinopolitanisches Glaubensbekenntnis. Dort wurde dann auch der Glaube an die heilige, katholische und apostolische Kirche angefügt, sowie das Bekenntnis zur Taufe, zur Vergebung der Sünden, zur Auferstehung und zum ewigen Leben.
Damit wurde unser Glaube in einen festlichen Rahmen gefasst und konnte sich in weiteren Überlegungen entfalten. Die Kunst hat in ihrer eigenen Art den Glauben entfaltet und die Bilder in der abendländischen und morgenländischen Tradition zeigen vor allem die Menschwerdung des Gottessohnes, sein Leiden, Sterben und Auferstehen. Unsere Ikone zeigt die Kirche in Gestalt der Bischöfe, die sich um den Thron versammelt haben, auf dem die Heilige Schrift aufgeschlagen zu sehen ist und der Schriftzug Alpha und Omega erscheint, der ja an Jesus Christus erinnert, den wir als Alpha und Omega der Offenbarung Gottes bezeichnen und diese Buchstaben auf unseren Osterkerzen auf ihn und seine Bedeutung hinweisen.
Wir bekennen uns zu Jesus Christus, der für uns ohne Anfang und Ende ist und uns daher auch ein Leben in Unendlichkeit schenken kann. Diesen Glaubensschatz tragen wir als Christen seit 1700 Jahren in unseren Händen und haben besonders heute allen Grund, dafür dankbar zu sein.
Schmerzlich erfahren wir aber auch in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass das gemeinsame Glaubensbekenntnis von Nizäa uns aber noch nicht die gewünschte Einheit der Christenheit gebracht hat. Die lange Geschichte mit den konkreten Personen hat dafür gesorgt, dass sich innerhalb dieses Glaubens Kräfte entwickelt haben, die nicht vom Glauben, sondern vom Machstreben bestimmt waren. Heute müssen wir nüchtern feststellen, dass vor allem die Trennung der abendländischen und morgenländischen Kirche im Jahr 1054 aus politischen Gründen erfolgte und theologische Gründen im Nachhinein als bedeutsam für die Trennung benannt wurden.
Ein solches Gedenken, wie wir es heute feiern, sollte eine Ermutigung sein das Gemeinsame in den Vordergrund zu stellen und alle trennenden Aussagen kritisch zu hinterfragen, ob sie wirklich aus Glaubenserkenntnis oder doch eher aus Machtinteresse formuliert wurden. Eine tiefe Erfahrung der Einheit der Christenheit konnte ich einmal in Genf im Weltrat der Kirchen machen, wo deutlich wurde, wie ernsthaft um die Einheit gerungen wird und dennoch die Unterschiede deutlich benannt werden, um sie zu prüfen und zu besprechen. Jeder und jede von uns wird es schon erfahren haben, dass ein Gespräch mit ernsthaft engagierten Christen verschiedener Konfessionen – z. B. im Bibelkreis – kein Problem ist. Mir ist es jedoch wichtig, dass wir ehrlich sind in unserem Ringen um den Glauben, das Gemeinsame und das Unterscheidende kennen und darüber aus dem Glauben heraus reflektieren können.
Unser Gebet heute sollte vor allem ein Gebet um die Einheit der Christenheit sein. Dass an diesem Tag das Gespräch zwischen den Präsidenten Putin und Trump in Alaska stattfindet, erscheint mir als eine besondere Fügung. Ich erhoffe mir in dieser fast aussichtslosen Situation von zwei Präsidenten, die sich auch gern als Christen zeigen, eine himmlische Unterstützung, die sichtbar macht, was Maria im Magnifikat gesungen hat: Gott stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. Ich vertraue auf seine Macht, die vielleicht nicht heute, sondern grundsätzlich die Welt zum Guten führt. Amen.

