Lieber verehrter Bruder Nuntius,
liebe geehrte Gäste aus Nah und Fern, liebe Schwestern und Brüder!
Papst Johannes Paul hat Mut! "Ihr sollt ein Bistum sein!" Ob er da genau hingeschaut hat? Die deutschen Bischöfe haben Mut! " Ja, in Thüringen soll es ein Bistum geben!"
Ob sie sich das richtig überlegt haben? Zumindest ist das ein erstaunlicher Vertrauensvorschuss. Darüber freuen wir uns.
Ich danke unserem Heiligen Vater, Papst Johannes Paul II., dass er uns zutraut, in Erfurt ein Bistum zu sein. Vor 1250 Jahren hat einer seiner Vorgänger schon einmal einen Versuch gemacht. Möge er jetzt länger halten als damals!
Besonders aber danke ich den Bischöfen unserer Mutterdiözesen Fulda und Würzburg und (für ein kleines Zipfelchen Diözesangebiet) auch Hildesheim. Sie haben Ja gesagt zu dem, was wir heute hier festlich begehen: die Gründung des Bistums Erfurt. Dieses Ja ist nicht selbstverständlich. Ich weiß, dass manche von Euch auch darüber ein wenig traurig sind. Aber geht es Eltern nicht ähnlich, wenn sie zulassen, dass ihre erwachsenen Kinder aus dem Haus gehen? Und dennoch bleiben ihnen ihre Kinder auch später dankbar und mit Respekt verbunden - und so soll es auch zwischen Erfurt und Fulda, zwischen Erfurt und Würzburg sein. Ihr habt für uns in schwerer Zeit gesorgt und unter oft großem persönlichen Einsatz die Verbindung zum Osten gehalten. Für diese wertvolle Erfahrung von Kirche sagen wir von Herzen "Danke"! Und ich schließe in diesen Dank alle anderen Diözesen ein, die uns viel geholfen haben, besonders auch Mainz und Limburg. Wir bitten weiterhin um Eure Solidarität und Eure Weggemeinschaft.
Manch einer mag fragen, ob sich das wohl lohnt: Ein Bistum für 200 000 Katholiken? Ich frage einmal anders: Ein Bistum für 1 Million ungetaufter Thüringer? So gefragt wird auf einmal deutlich, was uns eigentlich mit dieser Bistumsgründung zugetraut, ja aufgetragen ist: Zusammen mit unseren evangelischen Mitchristen und allen Getauften Kirche Christi zu sein und Kirche Christi zu werden für die Menschen hier und heute, die Gott nicht kennen. Hier in diesem Land, in Heiligenstadt und Meiningen, in Eisenach und Jena, in Städten wie Erfurt oder Weimar und in kleineren Orten wie Kirchheilingen oder Obermaßfeld soll durch Euch - durch uns - Kirche Christi Gestalt und Ansehen erhalten, soll sie "Kirche zum Anfassen" werden. Ob uns das gelingen wird?
Wir fangen miteinander nicht beim Punkt Null an. Wir sind schon miteinander einen guten Weg gegangen. Schon viele Male habe ich hier vor Euch gestanden bei unserer gewohnten Wallfahrt zum Mariendom. Ich denke noch an die Wallfahrt im bewegten September 1989! Ich denke an die Wallfahrt, wo unser jetziger Heiliger Vater vor etwa 20 Jahren hier mit uns gebetet hat. Ich denke an die Wallfahrten und Glaubensfeste mit Weihbischof Freusberg, mit Bischof Aufderbeck, im Klüschen Hagis, auf dem Kerbschen Berg, an das Elisabeth-Jubiläum 1981 hier auf diesem Platz und nicht zuletzt auch an das Dresdener Katholikentreffen, wo wir uns aus dem "Erfurter Gebiet" kräftig eingebracht haben. Wie o f t habe ich Euch gesagt: Hier ist unser Ort!
Bayern ist zwar ein schönes Land, und im Rheingau mag es leichter sein, als Katholik zu leben. Aber "auf dieses herrliche Land ist unser Los gefallen!" - so hat es Bischof Hugo immer wieder gesagt. Und wenn das früher galt, so erst recht heute! Hier Kirche Christi bleiben und immer mehr Kirche Christi werden, Gott zur Ehre und um der Menschen willen, die mit uns hier im Osten das alte System erlitten haben und nun mit dem Aufräumen und dem Neuaufbau beschäftigt sind.
Nein, wir sind kein großes Bistum und werden uns auch nicht mit Köln und Berlin vergleichen. Dorthin schicken wir nur unsere besten Leute! Aber ernsthaft gefragt: Wie wird unsere kleine Ortskirche aussehen müssen?
Lasst mich in Kürze nur drei Gedanken sagen:
Ein erster: Wir werden miteinander eine suchende und fragende Kirche sein müssen. Vieles, für manche allezu vieles wird sich in Zukunft ändern. Noch mehr als bisher werden vertraute Sicherheiten entfallen, bewährte Lebenserfahrungen nicht mehr tragen. Da müssen wir von neuem fragen: Wie geht das eigentlich: Beten in einer hektischen, lauten Welt? Was ist das eigentlich: Eine christliche Ehe? Wie bleibt man Christ und mit der Gemeinde verbunden, auch durch Versagen und Scheitern hindurch? Was macht den Wert der Sonntagsmesse aus, gerade wenn sie eben keinen Unterhaltungswert hat? Und was heißt das eigentlich: Christliche Weltverantwortung, wenn alles so vorprogrammiert und von oben herab gesteuert zu sein scheint? Die Antworten auf solche Fragen müssen neu gesagt werden. Das Evangelium gibt uns die inhaltliche Richtung vor, doch um das Wie der Nachfolge Christi in einer so tiefgreifend veränderten Lebenswelt müssen wir ringen.
Ihr jungen Christen, ich lade Euch ein: Sucht miteinander eine überzeugende Gestalt des Christ-Seins für heute und morgen. Unser junges Bistum braucht eine Jugend, die wieder neu nach dem lebendigen Gott fragt. Ihr müsst in die Tiefe gehen, nach innen, zu den Quellen. Fragt bei den Heiligenstädter Schulschwestern nach, auch bei den Kleinen Schwestern in Gräfentonna, bei den Karnielmönchen in Ohrdruf: Wie geht das - Christ-Sein heute? Fragt den Herrn selbst - und beschämt uns Ältere, wenn wir müde und in der Nachfolge Christi bequem werden wollen. Ich rechne mit Eurem Feuer!
Ein zweiter Gedanke: Wir werden eine auf das Wesentliche, auf die Mitte unseres Auftrags konzentrierte Kirche sein müssen. Kirche kann nicht alles und jedes. Sie ist weder vorrangig Arbeitgeber noch Agentur für Sinnfindung noch moralischer Zeigefinger der Gesellschaft. Die Kirche bringt das ganz Andere in die Welt. Sie redet von Gott. Sie weist auf das hin, wovon wir alle leben, noch bevor es so etwas gibt wie Staat, Gesellschaft, Familie.
Sie redet von dem Sinn, der mehr ist als alle Zwecke. Sie redet vom Leben, das aus mehr besteht als aus Essen und Trinken, aus Arbeiten und Verbrauchen. Davon müssen wir Zeugnis geben. Wir alle, nicht nur die Priester, nicht nur die Hauptamtlichen!
Uns gegenüber sind die Menschen o f t misstrauisch. Ihr, liebe Schwestern und Brüder, müsst zeigen, was Euch trotz aller Enttäuschungen Hoffnung gibt, was Euch inmitten so vieler Egoismen lieben lässt, was Euch Zuversicht schenkt, auch wenn z.B. der Arbeitsplatz weg ist! Das wünsche ich mir von unserer Kirche, dass sie Gott bezeugt, von seinen Verheißungen spricht, zu einer Hoffnung anstiftet, die aus dem Evangelium kommt.
Und schließlich: Wir werden sein eine familiäre Kirche, eine "Kirche des Füreinander". Manches davon war uns in der Vergangenheit geschenkt. Ob wir das bewahren können? Versteht mich recht: Wir wollen keine geschlossene, die anderen abweisende Gemeinschaft Gleichgesinnter sein. Besonders für unsere Mitchristen in der Ökumene sind wir offen. Nur mit ihnen zusammen, nicht gegen sie, können wir in diesem Land, das von der Reformation geprägt ist, glaubhaft Kirche Christi sein. Auch in die Gesellschaft hinein wollen wir uns öffnen für alle. Aber nicht für alles und jedes! Das wird Spannungen bringen, wie wir jetzt schon merken. Der eine hält das für Wichtig, der andere jenes. Schon ist der Streit da! Zugegeben, das kannten wir früher nicht. Da waren wir alle darin eins: Wir sind dagegen.
Können wir Kirche bleiben, die Menschen unterschiedlichster A r t verbindet? Die auf der Basis des Vertrauens Menschen zusammenführt? In der A l t und Jung, Ostleuteund Westleute, Deutsche und Ausländer, Konservative und Alternative, Frauen und Männer, Priester und Laien so miteinander umgehen, dass keine Wunden entstehen und unüberbrückbare Gräben? "Bei Euch aber soll es nicht so sein!" sagt der Herr, und er bückt sich und wäscht denen die Füße, die nach den Ministerposten fragen. Lasst uns Kirche sein, die dort unten beim Herrn zu finden ist - nicht dort oben, wo man herrschen, haben und verteilen will. Dort, wo wir füreinander da sind! So schaffen wir Vertrauen, verbinden wir Wunden, entwaffnen wir durch Liebe. Lasst uns diesen Weg Christi gehen, "seinen Spuren folgen", als einzelne, in den Familie und Gemeinden, als Ortskirche insgesamt.
Die Verheißung Christi steht: "Ich bin bei Euch alle Tage, auch 1994, auch im kommenden Jahrtausend, das bald anhebt, in Thüringen, im Eichsfeld!" Jetzt fehlt die Rhön - aber Euch Rhöner bitte ich: Steht weiter wie bisher fest in Eurem Glauben und macht uns im Bistum Fulda keine Schande! Wir gehören weiter miteinander zur einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche. Und ihr, dieser Kirche, gilt die Verheißung, die nicht irgendeiner sagt, sondern der Herr, der von den Toten Erstandene, der vom Vater über alle Mächte und Gewalten Gesetzte - auch über die Mächte dieser Weltzeit. Unsere Kirche unser junges Bistum sind in seiner Hand.
Maria, unsere liebe Mutter, möge uns schützen. Unsere heiligen Patrone, Elisabeth, Bonifatius und Kilian, mögen uns beistehen. So lasst uns getrost unseren Weg weitergehen - im Namen Christi. Amen.