Sich von Jesus Christus entflammen lassen

Predigt von Bischof Ulrich Neymeyr beim ersten Bistumsjugendtag am 20. Mai an der Talsperre Seebach

Meine lieben Schwestern und Brüder im Herrn,
das Thema des Bistumsjugendtages ist "Feuer und Wasser". Wir wissen um die zerstörerische Kraft, die das Feuer haben kann. In einem trockenen Sommer genügt ein kleiner Funke, damit ein Waldbrand ganze Wälder vernichtet. Das Feuer frisst sich mit großer Geschwindigkeit voran. Die große Hitze, die es entfacht, erschwert die Löscharbeiten. Leicht entflammbare Stoffe und Flüssigkeiten können uns die Gefährlichkeit und die Zerstörungswut des Feuers vor Augen führen.

Auch in der Bibel kommt diese große zerstörerische Macht des Feuers zum Ausdruck. Sowohl im Alten als auch im Neuen Testament ist das Feuer ein Bild für das göttliche Gericht. Es zerstört alles Widergöttliche und Unmenschliche. Nichts kann sich vor ihm in Sicherheit bringen und niemand bleibt davor bewahrt, dass das Sündhafte in ihm vernichtet werden muss. "Jeder wird mit Feuer gesalzen werden." (MK 9,49) So heißt es in einem rätselhaften Wort im Markus-Evangelium. In jedem Menschen gibt es etwas, das vom göttlichen Feuer reinigend weggebrannt werden muss.

Aber in der Bibel kommt nicht nur die zerstörerische Macht des Feuers zur Sprache, sondern auch das Gute und Schöne des Feuers. Wir denken hier zunächst daran, dass das Feuer wärmt und hell macht. Die Bibel sieht vor allem auf den lichthellen Glanz des Feuers, der für sie ein Bild der glanzvollen Herrlichkeit Gottes ist. Der Seher Johannes hat eine Erscheinung, in der ihm Jesus Christus begegnet. Er schreibt: "Sein Haupt und seine Haare waren weiß wie weiße Wolle, leuchtend weiß wie Schnee und seine Augen wie Feuerflammen." (Offb. 1,14)

Der Glanz Gottes strahlt aus den Augen Jesu Christi. Das muss bei Jesus von Nazareth auch so gewesen sein. Nicht dass er buchstäblich Feuerzungen in den Augen gehabt hätte, aber doch dass seine Person, seine Stimme, seine Augen die Menschen so angesprochen und begeistert haben, dass sie sich eingelassen haben auf das, was er ihnen gesagt und verkündet hat. Manche haben sogar alles stehen und liegen lassen und sind mit Jesus umhergezogen, um dieser faszinierenden Persönlichkeit möglichst nahe zu sein und alles zu hören, was er sagte, und mitzuerleben, was er tat. Der faszinierende Glanz der Göttlichkeit erscheint nicht nur in den Augen Jesu Christi. Auch der Hl. Geist, der die Apostel mit dem Mut zum Glaubenszeugnis erfüllte, sah aus wie Zungen von Feuer. (Apg 2,3) Auch die Herrlichkeit Gottes des Vaters zeigt sich im Feuer. Dem Moses erscheint Gott im brennenden Dornbusch. Der Faszination und Herrlichkeit des dreifaltigen Gottes entspricht das Bild des glänzenden und lodernden Feuers.

Der diesjährige Jugendsonntag lädt ein, sich von der Faszination Jesu Christi entflammen zu lassen. Das kann man nicht alleine. Man kann die Faszination eines Fußballspieles auch nicht erleben, wenn man zu Hause am Fernsehen ein Fußballspiel schaut. Das wirklich Mitreißende der Musik kann man meist nur auf einem Konzert erleben, nicht aber wenn man die Musik alleine hört. So ist es auch mit der Faszination des dreifaltigen Gottes. Wir müssen uns aufmachen, um unseren Glauben gemeinsam zu feiern.

Ich habe schon viele Gottesdienste gefeiert und miterlebt, in denen spürbar geworden ist, dass die Gemeinde Feuer und Flamme für Jesus Christus ist. Ich denke etwa an den Abschlussgottesdienst der Ministrantenwallfahrt in Rom im vergangenen Jahr oder an den Abschlussgottesdienst der 72-Stunden-Aktion vor zwei Jahren. Es sind aber nicht nur große Jugendgottesdienste, begeisternde Musik, die etwas vom Glanz Gottes ahnen lassen. Das können auch kleine stille Gottesdienste sein, Momente der Sammlung und Anbetung, Augenblicke der Einleuchtung Gottes, in denen uns bewusst wird, dass es Gott wirklich gibt und dass Jesus Christus uns anschaut.

Solche Momente wünsche ich uns allen. Wir müssen aber auch einiges dafür investieren. Der Funke kann nur überspringen, wenn wir in seiner Nähe sind. Wenn wir um die Kirche einen großen Bogen machen, jede Einladung zu besonderen Gottesdiensten oder zu Jugendfahrten ablehnen, dann kann die göttliche Herrlichkeit uns auch nur schwer entflammen.

Wenn sie nur auf ein paar Strohhalme trifft, kann sie auch nur ein kurzes Strohfeuer in Brand setzen. Wenn wir aber dafür sorgen, dass immer wieder gutes Brennholz nachgelegt wird, dann kann ein wärmendes und leuchtendes Feuer in uns brennen. Das Brennholz, das wir nachlegen, ist unsere Bereitschaft, Gott nicht aus dem Blick zu verlieren, sondern durch die Feier der Sakramente und das persönliche Gebet immer wieder den Kontakt zu ihm zu suchen. Das Brennholz, das wir nachlegen ist aber auch unser wacher Blick für den Mitmenschen und unsere Bereitschaft für ihn da zu sein und für ihn zu sorgen.

Denn die Liebe zum Menschen, den wir sehen, hält in uns die Liebe wach zu Gott, den wir nicht sehen. So bleiben wir leicht entflammbar für die Herrlichkeit Gottes.

20.05.2017