Meine lieben Schwestern und Brüder im Herrn,
bei diesem gemeinsamen Gottesdienst in der Fastenzeit schauen wir als evangelische und katholische Christen auch auf die schwierigen und bedauerlichen Ereignisse und Entwicklungen unserer gemeinsamen Geschichte. Hier in der Klosterkirche Volkenroda schauen wir mit Bedauern auf den Niedergang eines äußerst vielfältigen kirchlichen Lebens in Thüringen. Es gab in Thüringen zu den Hochzeiten der kirchlichen und klösterlichen Geschichte 23 Ordensgemeinschaften mit 206 Klöstern und Ordensniederlassungen. Sie sind alle untergegangen.
Gott sei Dank hat sich im Laufe der Zeit wieder ein klösterliches Leben in Thüringen entwickelt. Zurzeit gibt es 28 Klöster und Ordensniederlassungen. Die Gründe für den Untergang des klösterlichen Lebens in Thüringen sind natürlich nicht nur bei der Reformation zu suchen. Manche dieser Klöster und Ordensniederlassungen hatten ihre geistliche Lebendigkeit verloren. Es wurde in den Familien entschieden, wer ins Kloster ging. In den Wirren der Reformation und der Zeit danach haben massive politische und auch ökonomische Einwirkungen das klösterliche Leben zum Erliegen gebracht.
Der Abschnitt aus dem Matthäus-Evangelium, den wir gerade gehört haben, benennt die eigentliche Mitte dieses Verlustes. Sicher waren die Klöster und Ordensniederlassungen wichtige Zentren des karitativen und diakonischen Engagements der Kirche. Sie waren wichtige Zentren der Bildung und häufig auch kulturprägend. Das Wesentliche der klösterlichen Gemeinschaft ist aber die Zusage des Herrn: "Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen" (Mt 18,20). Gemeinschaften, die sich bewusst im Namen Jesu Christi versammeln, haben die Zusage, dass der Herr mitten unter ihnen gegenwärtig ist. Dies gilt natürlich in besonderem Maße für solche Gemeinschaften, deren Mitglieder ihr ganzes Leben Christus zur Verfügung stellen und weihen und in seinem Namen als klösterliche Gemeinschaft miteinander leben.
Der Evangelist Matthäus stellt die großartige Zusage der Gegenwart Christi in der Gemeinschaft der Christen in einen wichtigen Kontext, nämlich in den Zusammenhang von Schuld und Vergebung. Unmittelbar zuvor überliefert der Evangelist Matthäus die Weisung Jesu, wie mit Schuld und Versagen in der christlichen Gemeinde umzugehen ist. Zunächst sollen die Christen versuchen, das, was sie sich gegenseitig vorzuwerfen haben, unter vier Augen zu klären. Gelingt dies nicht, sollen ein oder zwei Zeugen hinzugezogen werden. Bleibt ein Verhalten, das für die Gemeinde nicht akzeptabel ist, so kann sich die Gemeinde nicht nur von diesem Verhalten distanzieren, sondern auch von demjenigen, der es praktiziert.
Ich denke hier zum Beispiel an die Weisung des Mainzer Generalvikars Philipp Jakob Mayer, aus dem Jahre 1930: "Die von Hitler gegründete nationalsozialistische deutsche Arbeiterpartei gehört wegen Punkt 24 ihres Programmes zu den von der Kirche verbotenen Vereinen (...). Daraus ergibt sich, 1. dass es einem Katholischen nicht gestattet sein kann, eingeschriebenes Mitglied der Hitlerpartei zu werden, und 2. dass eine korporative Teilnahme dieser Partei an katholischen Gottesdiensten und Begräbnissen nicht erlaubt werden darf."
Im Anschluss an die Zusage Jesu, bei denen zu sein, die in seinem Namen versammelt sind, überliefert der Evangelist Matthäus die Weisung Jesu, Christen sollten unbegrenzt zur Vergebung bereit sein. Er schließt das Gleichnis vom unbarmherzigen Gläubiger an, der nicht bereit ist, ein kleines Darlehen abzuschreiben, obwohl ihm gerade selbst eine riesige Darlehenssumme erlassen worden ist. Der Evangelist Matthäus verdeutlicht so, dass die Zusage Jesu, bei den Seinen zu sein, nicht nur etwas sehr schönes, tröstliches und ermutigendes ist, sondern auch eine große Herausforderung darstellt, diese Gemeinschaft zu leben und zu pflegen.
Auf diesem Hintergrund und beim schmerzlichen Gedenken an den Niedergang des klösterlichen Lebens in Thüringen, ist es umso tröstlicher und erfreulicher, dass sich hier in Volkenroda buchstäblich aus Ruinen wieder klösterliches Leben entwickelt hat. Wir danken der Jesusbruderschaft von Herzen, dass sie hier nicht nur Gemeinschaft miteinander lebt, sondern auch dazu einlädt, hierher zu kommen oder hierher zu wallfahren und Zeit miteinander und mit dem Herrn zu verbringen.
Die Gemeinschaft der Schwestern und Brüder von Volkenroda lebt die Gemeinschaft untereinander und mit unserem Herrn Jesus Christus und schafft so einen wichtigen Ort des Glaubenslebens und der Glaubenserfahrung. Dass sie dies in anderen Formen tut als in den klassischen Formen klösterlichen Lebens von unverheirateten Frauen und Männern, ist ein wichtiges Zeichen des Aufbruchs, der Hoffnung und der Zuversicht.
Der Bibeltext (Mt 18, 20 - 22), auf dem die Predigt basiert lautet: 20 "Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen. 21 Da trat Petrus zu ihm und fragte: Herr, wie oft muss ich meinem Bruder vergeben, wenn er sich gegen mich versündigt? Siebenmal? 22 Jesus sagte zu ihm: Nicht siebenmal, sondern siebenundsiebzigmal."
26.03.2017