Im folgenden dokumentieren wir die Predigt von Propst Heinz-Josef Durstewitz, Heiligenstadt, die er im ZDF-Gottesdienst am 4. Adventssonntag, 19. Dezember 1999, gehalten hat.
Liebe Schwestern und Brüder, verehrte Zuschauerinnen und Zuschauer,
Eine Grundfrage für alle bedächtigen und verantwortlichen Menschen unserer Zeit heißt wohl: Welcher Stimme aus dem Konzert der Angebote muß ich folgen? Wer sagt mir wirklich, wo wir das Leben finden. Allerdings ist diese Frage so alt wie die Menschheit. Die Beschäftigung mit ihr drückt sich auch in zwei Bildern aus, die an den Säulen unserer Kirche gegeneinander gestellt worden sind. Das eine zeigt Adam und Eva, wie sie dem Wort der Schlange lauschen: Könnt ihr Gott wirklich trauen? Und schon nehmen sie die Frucht, ihr Leben in die eigenen Hände. Wer der Schlange traut, hat das Paradies schon verloren. Wer aber sein Leben in die eigene Hand nimmt, muß beständig aufpassen, daß er nicht zu kurz kommt. Menschen müssen sich voreinander in acht nehmen. Deshalb haben unsere Vorfahren Adam mit Hufen dargestellt und Eva mit Krallen und beide mit Narrenkappen. Sie machen sich gegenseitig etwas vor. Um selber nicht zu kurz zu kommen, erschlägt Kain seinen Bruder. Um selber nicht zu kurz zu kommen, mißachten auch heute Menschen das Recht und die Würde anderer. Wer der Schlange glaubt, der wird immer wieder auch anderen Narren glauben und folgen, besonders solchen, die gar den Himmel auf Erden versprechen.
Aber solche Stimmen führen uns Menschen nicht in tragende Gemeinschaft, in das Leben; die Schlange und alle Narren nach ihr verführen zur Abgrenzung, zur Absonderung und Sünde, letztlich zum Tod. Aber sind wir vor Narren sicher? Heute lassen sich viele nicht gern erinnern an den närrischen und deshalb gefährlichen Unsinn, den sie in der DDR-Zeit mit Beifall gehört oder gar selber geredet haben. Viele im Westen haben mit den Narren im Osten kokettiert? Welches Unheil entstand aus dem Unsinn des großen Verführers der Nazizeit. Viele haben in diesem ausgehenden Jahrhundert in Deutschland den großen Narren geglaubt. Vor solcher Einfalt hat auch kein Doktorhut oder Professorentitel geschützt. Im Gegenteil: Gerade die meinten nicht selten, selber zu wissen, worauf es ankommt, jubelten am lautesten.
Welchem Wort trauen wir?
Das andere Bild zeigt Maria, wie sie das Wort des Engels vernimmt. Sie vertraut dem Wort Gottes. Unter der Führung des Gotteswortes aber wird Maria in das Paradies geleitet. Dieses Wort lädt ein, Gott unbegrenzt zu vertrauen. Wenn Gott uns hält, können wir an andere verschenken, was wir selber empfangen haben, gar uns selber. Dabei werden wir vielleicht nicht reich. Aber wir finden das Leben. Gottes Wort stiftet Gemeinschaft. Leben aber ist Gemeinschaft. Maria hat das Wort zum Leben allen Menschen schenken dürfen. In ihr bekam es menschliche Gestalt und den Namen Jesus.
Welchen Wort folgen wir? Dem der Schlange und dem der Narren, oder dem Wort Gottes?
Wer sich dem Gotteswort versperrt, der wird für seine Welt kein Glück bringen. In einer Gesellschaft, in der Gottes Wort nichts gilt, in einer Gesellschaft, in der die größten Narren den Ton angeben und den stärksten Beifall erhalten, wird ein Mensch des anderen Wolf werden. Unter Narren wird selbst die Ahnung vom Paradies verlorengehen. Fast 70 Jahre herrschten hierzulande Narren. Was hat ihr Wort alles zerstört, auch in den Herzen vieler Menschen. Wir wissen Maria zu schätzen, weil sie Ohr und Herz Gottes Wort geöffnet hat. Wir wissen Maria zu schätzen, weil so Gott über Maria zu uns kam und viele den Sprüchen der Verführer widerstehen konnten. Darum geben wir Christen Maria einen Ehrenplatz. Unter den vielen Stimmen unserer Zeit muß Gottes Wort auch heute seinen Platz haben. Sonst geben allein Narren den Ton an. Narren führen auch heute nicht in das Leben. Sie zerstören Gemeinschaft, sei dies in Familien, im Beruf, in der Gesellschaft oder zwischen den Völkern. Welchen Worten folgen die Menschen? Darüber kann man sich amüsant oder erregt unterhalten. Die entscheidende Frage aber heißt: Welchem Wort folge ich? Dem der Schlange und der Narren? Oder vertraue ich der Botschaft Gottes? Maria lädt auch heute zu eindeutiger Antwort ein.
Meditationstext während der Kommunion
Adam und Eva haben ihr Leben in die eigenen Hände genommen. Das machte Abgrenzung nötig. Die Schurze aus Feigenblättern sind die ersten Grenzen, die Menschen gegeneinander erfinden. Andere sollen nicht wissen, wie es um mich steht, damit sie mich nicht verraten können. Kappen und Hüte lenken vom Gesicht ab. Wie aber kann ich dann leben? Der den größten Eindruck macht, dem folgen wir Menschen gern. Wir imitieren die Größen der Welt, irgendwelche Stars, und machen uns so zum Affen.
Kommunion heißt "Gemeinschaft". Maria vertraut vorbehaltlos dem Wort Gottes. So findet sie nicht nur in die Gemeinschaft der Menschen, sondern sie darf sogar in die Gemeinschaft mit dem dreifaltigen Gott eingehen.
In dem Brot der Eucharistie finden wir bereits hier und jetzt die Kommunion, die Gemeinschaft mit Gott.
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