"Wollen wir so leben, mit diesem politischen Terror?"

Statement von Bischof Ulrich Neymeyr zu den Anschlägen auf Wohnhaus und Politiker-Büros

Symbolbild: Aufkleber: Demokratie gestalten? Bitte! Bild: Peter Weidemann In: Pfarrbriefservice.de

Auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) äußerte sich Bischof Ulrich Neymeyr zu den kürzlich verübten Anschlägen auf das Ferienhaus eines Lokalpolitikers und auf Büros von Landtagsabgeordneten in Thüringen:

"Ob ich besorgt bin? Natürlich bin ich besorgt, sogar auf das Äußerste besorgt – und sehr traurig. Es wurde ein Brandanschlag auf das Ferienhaus eines Lokalpolitikers verübt. Dort hielt sich eine Familie mit einem Baby auf! Diese Menschen mussten Angst um ihr Leben haben, sie hätten schwer verletzt werden, im schlimmsten Fall sogar zu Tode kommen können. Den Tätern war das offensichtlich egal. Menschenverachtend, nenne ich so etwas. Und es gab weitere Anschläge, mutmaßlich aus dem rechtsextremen Milieu, auf Büros von Politikern demokratischer Parteien, mitten In Thüringen.

Die Frage, die sich uns allen stellt, heißt nicht: „Wo leben wir eigentlich?“ – Sondern: „Wollen wir so leben, mit diesem politischen Terror?“

Solche schrecklichen Taten entstehen ja nicht im luftleeren Raum. Sie werden alltäglich begünstigt und ermutigt durch rechtsextremen Populismus, sprachliche Verrohung, Hass und Menschenverachtung, durch die Nichtbeachtung demokratischer Tugenden und die Verächtlichmachung politischer Gegner und demokratischer Institutionen. Darum reicht es auch nicht, diese Anschläge nur strafrechtlich zu verfolgen. Wir alle sind gefordert: Spätestens jetzt muss sich jeder anständige Mensch in Thüringen fragen, welchen Protest, welche politischen Stimmungen und welche Parteien er unterstützt und wählt. Die Antwort auf diese Frage kann lebensgefährliche Folgen haben, wie wir leider gerade sehen. Aber wir können etwas dagegen tun -  demokratisch selbstbewusst, klug und engagiert. Dass die Zivilgesellschaft gegen solche lebensgefährlichen Tendenzen mobilisiert, macht darum Mut und verdient jede Unterstützung."

 

Hintergrund: In Thüringen hatte es in der vergangenen Woche mehrere Angriffe auf Gebäude gegeben, in denen Politiker wohnen oder arbeiten. Ein mutmaßlicher Anschlag galt dem Wohnhaus von Michael Müller (SPD)  im Kreis Gotha. Müller organisierte zuletzt eine Demonstration gegen Rechtsextremismus. Nur wenige Stunden zuvor hatten Unbekannte die Scheiben von zwei SPD-Büros in Suhl eingeworfen. Das Wahlkreisbüro von Landtagspräsidentin Birgit Pommer in Bleicherode wurde mit Hakenkreuzen beschmiert.

Bereits im Januar hatten sich die Bischöfe der deutschen Ost-Bistümer in einem gemeinsamen Statement besorgt über die politischen Entwicklungen gezeigt.