Sammeln auf den Philippinen Anregungen für die Seelsorge in Thüringen (v.l.): Pfarrer Stefan Götting, Gemeindereferentin Marcella Luft und Seelsorgeamtsreferentin Ayline Plachta
Erfurt/Hildburghausen/Jena (BiP). Stefan Götting ermuntert gerne junge Leute, sich die Welt anzuschauen. "Es hat noch niemandem geschadet, sich den Wind um die Nase wehen zu lassen und Erfahrungen mit fremden Kulturen zu machen", sagt der 47-Jährige, der Pfarrer in Hildburghausen ist. In der nächsten Woche tritt er selbst eine weite Reise an: Gemeinsam mit Gemeindereferentin Marcella Luft (30) aus Jena und der Erfurter Seelsorgeamtsreferentin Ayline Plachta (34) fliegt er auf die Philippinen. Nicht zum Vergnügen. Es handelt sich um eine Dienstreise.
Angeregt hat sie die Leiterin des Seelsorgeamtes im Bistum Erfurt, Dr. Anne Rademacher, nachdem sie von einer Studienreise des katholischen Hilfswerkes Missio über die "Kirche der Partizipation" erfahren hatte. Nichttheologen werden sich unter dem Thema nur wenig vorstellen können, aber es geht um eine der entscheidenden Weichenstellungen für die Zukunft des Katholizismus in den hiesigen Breitengraden. "Eine Kirche der Partizipation ist eine Kirche der Teilhabe, der Beteiligung. Ihre Gemeinden organisieren sich vor Ort als kleinere Gemeinschaften und leben nicht ausschließlich vom Einsatz hauptamtlicher Seelsorger, sondern von den Talenten, die jeder Mann und jede Frau einbringt. So wird Kirche im Kleinen gelebt und gebaut", erklärt Rademacher.
Es ist nicht allein der Priestermangel, der hierzulande nach einer partizipativen Kirche fragen lässt. Schon das II. Vatikanische Konzil (1962-65) unterstrich die Würde aller Gläubigen, Kleriker wie Laien, und sah sie gemeinsam als "Volk Gottes unterwegs". Dementsprechend sind auch alle eingeladen, in der Kirche mit zu wirken. "Das umzusetzen - da stehen wir eher noch am Anfang", meint die Seelsorgeamtsleiterin selbstkritisch. Sie möchte vom "Vereinsmodell" wegkommen. "Hier der Vorstand, der alles regelt und verantwortet, da die Mitglieder, die sich gut betreut wissen - das lässt sich schon personell nicht mehr lange durchhalten", prognostiziert Rademacher.
In Asien ist man schon weiter. Dort haben die Bischöfe 1990 den so genannten "Asiatischen Integralen Pastoralen Ansatz" zum Grundmodell der Gemeindeseelsorge bestimmt und damit, durchaus erfolgreich, auf die Bildung kleiner Gruppen gesetzt, die sich als Kirche vor Ort verstehen. Auf den Philippinen etwa, wohin die drei Thüringer reisen, heißen diese kleinen Gruppen "Kirchliche Basis-Gemeinschaften". In ihnen haben sich Katholiken aus der Nachbarschaft zusammengeschlossen. "Wo zwei oder drei zusammen sind, da bin ich mitten unter ihnen", heißt es von Jesus in der Bibel. Der Bibelvers könnte das Motto der Basis-Gemeinschaften sein. Sie wissen sich in der Nachfolge Christi. Gemeinsam und ohne Priester studieren und interpretieren sie die Heilige Schrift, um Impulse für ihr kirchliches Leben und Handeln zu gewinnen. Dabei beschränken sie sich nicht nur auf geistliche Anliegen, sondern sind auch im sozialen Bereich aktiv.
Wie das im Einzelnen aussieht, sollen jetzt die Thüringer im Verein mit Vertretern anderer Bistümer herausfinden. Die Reisegruppe umfasst 20 Teilnehmer, dazu kommen Betreuer von Missio und den Philippinen. Ziele sind Manila, wo ein viertägiges Blockseminar stattfindet, und die Insel Mindoro. Hier folgen nach der Theorie praktische Erfahrungen und Begegnungen in konkreten Basis-Gemeinschaften. Die katholische Kirche ist eine Weltkirche. Da müsse man das Rad nicht jedes Mal neu erfinden, sondern könne sich anregen lassen, wie anderenorts Kirche gelebt und verwirklicht wird, sagt Anne Rademacher. "Es geht allerdings nicht ums Kopieren, sondern ums Kapieren", ergänzt Marcella Luft, die Jüngste der Reisegruppe. Und Ayline Plachta findet den Richtungswechsel spannend: "Jetzt lernt die Kirche des Nordens, die reiche Kirche, von der armen Kirche des Südens."
Die beiden Frauen und Pfarrer Götting werden noch während der Reise ihre Einsichten und Erlebnisse in einem Blog niederschreiben (weltkirchebistumerfurt.wordpress.com), wenn sie Zugang zum Internet haben. Marcella Luft ist bereits für zwei Vorträge in ihrer Gemeinde in Jena gebucht, denn was die drei erleben, sollen sie ja nicht nur für sich in ihrem Herzen bewegen, sondern anderen mitteilen und in die Seelsorgearbeit des Bistums Erfurt einfließen lassen. "Unser Bistum reist gewissermaßen mit und schaut mit den Augen der Reisegruppe, was sich für uns hier in Thüringen zu entdecken und zu bedenken lohnt", unterstreicht Seelsorgeamtsleiterin Anne Rademacher.
Peter Weidemann
www.missio-hilft.de
14.3.2014