1. Der Papst wird helfen, unseren Glauben zu stärken.
Denn das haben wir nötig. Das ist auch der Dienst, den Christus, unser Herr dem Nachfolger des hl. Petrus aufgetragen hat. Petrus und in seiner Nachfolge die Bischöfe von Rom sind zunächst und vor allem Glaubenszeugen. Die Predigten des Papstes, unser gemeinsames Beten mit ihm in Etzelsbach und Erfurt werden uns helfen, uns tiefer mit Christus zu verbinden. Im Johannesevangelium mahnt uns der Herr: "Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht, denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen" (Joh 15,5). Diese Christusverbundenheit in den Gläubigen zu stärken, zu vertiefen und in ihrem Leben fruchtbar werden zu lassen - das ist die wichtigste Erwartung, die ich mit dem Besuch des Hl. Vaters bei uns verknüpfe.
2. Der Papst bringt in seiner Person die Weltkirche in unser Bistum.
Das Kommen von Papst Benedikt erinnert uns daran: Wir sind Teil der weltumspannenden Kirche Jesu Christi, auch wenn wir hier in Thüringen Kirche in der Diaspora, in der Minderheit sind. Wir sind mit einer Vielzahl von katholischen Ortskirchen in allen Erdteilen im gemeinsamen Glauben und Hoffen verbunden. Wir freuen uns über das Erstarken der Kirche in anderen Erdteilen (viele helfen durch persönlichen Austausch und ihre finanziellen Gaben dabei mit), wir leiden aber auch mit denen, die um Christi willen bedrängt und verfolgt werden. Wo immer die Kirche lebt: Sie bezeugt das Evangelium Jesu Christi. Sie ist Kirche unter den Menschen und für die Menschen. Dies zu sehen, weitet unseren Horizont und lässt uns erkennen, was auch unser Auftrag ist.
3. Der Papst kommt in eine Ortskirche im Umbruch.
Neue, bislang ungewohnte Herausforderungen sind zu bewältigen. Der Glaube an Gott ist nicht mehr das Selbstverständliche. Das kirchlich Gewohnte trägt nicht mehr so wie früher. Die Gestalt unserer Gemeinden verändert sich. Die Zugehörigkeit zur Kirche verlangt mehr als in der Vergangenheit Entschiedenheit und Kraft zum Durchhalten. Das Leben in und mit der Kirche braucht neue Einstellungen, veränderte Verhaltensweisen, eine der heutigen Zeit standhaltende Frömmigkeit. Was ist die Mitte unseres Glaubens? Und was hilft uns dabei, an dieser Mitte festzuhalten? Dazu erhoffe ich mir eine Zeitansage unseres Papstes. Er möge uns dabei helfen, aus dem christlichen Erbe ein neues Angebot für nichtglaubende Thüringer zu machen.
4. Der Papst kommt in die "neuen" Bundesländer.
Papst Benedikt hat bewusst entschieden, auch eines der neuen Bundesländer zu besuchen. Er würdigt damit den Einsatz der Menschen hierzulande für einen politischen und gesellschaftlichen Neuanfang. Er wird den Blick der Weltöffentlichkeit auf das lenken, was hier im Osten gelungen ist: eine friedliche Revolution, die uns Deutschen im Osten Freiheit und allen Deutschen die Wiedervereinigung ermöglicht hat. Wir sind in dieser Generation reich beschenkt worden. Wir haben freilich auch die Aufgabe, die neu gewonnene Freiheit verantwortlich zu gestalten. Wenn Zukunft gelingen soll, darf Gott nicht vergessen oder bewusst ausgeblendet werden. Das lehrt uns die Vergangenheit. Der Papst wird uns daran erinnern und insbesondere junge Christen auffordern, auch künftig in Politik und Gesellschaft Verantwortung für das Gemeinwesen zu übernehmen.
5. Der Papst kommt, um an einer Lutherstätte der evangelischen Kirche zu begegnen.
Wir Katholiken in der Diaspora des Ostens wissen, wie wichtig das ökumenische Miteinander der Kirchen ist. Die gemeinsamen Bedrängnisse im alten politischen System haben die geistliche Zusammengehörigkeit gestärkt. Im gleichen KZ Buchenwald sind der evangelische Pfarrer Paul Schneider und der katholische Priester Otto Neururer für Christus in den Tod gegangen. Das Evangelium Jesu ist nicht geteilt. Wir können es nur gemeinsam leben und so glaubwürdig bezeugen. Ich bin sicher, dass Papst Benedikt dem weiteren Voranschreiten zur Einheit der Kirche hin einen kräftigen Impuls geben wird. In der Wahl des Ortes für die Begegnung mit der EKD hat er schon ein Zeichen gesetzt. Und noch wichtiger ist, dass er nicht nur mit den evangelischen Glaubensgeschwistern reden, sondern mit ihnen gemeinsam beten will.
26. August 2011k
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