Paulus an die Erfurter

Beim Gemeindefest auf dem Domberg trat der Apostel Paulus mit einer fulminanten Rede auf


"Paulus" vor den Erfurtern
(Foto: Bernhard Grotzke)
Auf dem Domberg trat der Apostel Paulus mit einer fulminanten Rede auf

Hoher Gast beim Gemeindefest auf dem Erfurter Domberg: Im Paulusjahr trat kein Geringerer als der heilige Apostel Paulus auf der Severiwiese auf und richtete sein Wort an die versammelte Gemeinde - durchaus mit dem einen oder anderen Augenzwinkern. Wir dokumentieren die von Gregor Heiland wortmächtig ausgearbeitete und von ihm als Paulus vorgetragene Rede im Wortlaut:



Brüder!


Ich bin zwar alt, doch nicht von gestern,

drum grüß ich auch die lieben Schwestern.

Ich grüß die Laien und den Klerus,

die Fans vom Dom und Sankt Severus,

die Gäste, die sich herverlaufen,

kurzum: ich grüß den ganzen Haufen.


Wie mein antikes Kleid beweist,

bin ich von fern herangereist.

Von fernem Ort aus ferner Zeit

frühchristlicher Vergangenheit

komm ich heut zu eurem Fest

als - neudeutsch sagt man - Special Guest.


Der Festausschuss, der bat mich sehr,

dem Volk vom Dom und Sankt Sever

an diesem Gott geweihten Orte

zu sagen ein paar fromme Worte.


Doch soll?n nicht nur die ganz streng Frommen

zum Herrgott in den Himmel kommen.

So merk ich froh, in eurer Luft

liegt ein tierisch guter Duft.

Der kommt wohl aus des Feuers Glut,

doch riecht?s nicht, wie es Weihrauch tut.

Hier riecht?s nach Bratwurst, meine Lieben.

Dazu hab ich einst was geschrieben:


"Wer Fleisch isst, der tut?s Gott zur Ehr."

Ihr hört ganz recht, das klingt als wär

der Satz, der da geschrieben steht,

ein thüringisches Tischgebet.

Schaut man indes genauer hin,

ergibt sich noch ein tief?rer Sinn.

Denn auch der volle Fleischverzicht

wird unsrem Herrn zur Ehr verricht?.

Wisst ihr wo?s steht, Severianer, Dömer?

Vierzehn, sechs, Brief an die Römer!


Mit dieser Fleischtheologie

plädiert? ich einst für Harmonie.

Das junge Christenvolk von Rom

stand nicht gleich brav vorm Petersdom.

Nein, um die rechten Glaubenssitten

wurd hier wie vielerorts gestritten.

Da gab es manche Diskussion

um uns?ren lieben Gottessohn

und sein? frohen Himmelslehren:

Welchen Tag soll man nun ehren?

Welche Speise gilt als rein?

Muss ein Mann beschnitten sein?

Da stritten Juden noch mit Heiden.

Ich mochte alle Christen leiden

und ging als Kirchentheologe

damals noch zur Synagoge.


Wie steht?s um euch? Habt ihr noch Zwist?

2008 nach Jesus Christ

gab?s doch genug Gelegenheit

zu begraben allen Streit.


Wenn euch mal eine Frage brennt,

lest ihr im neuen Testament

und braucht nur Exegese treiben.

Ich mußt? noch alles selber schreiben.


Ihr habt Severi und den Dom

`nen Bischof hier und auch in Rom

sitzt grad auf Peters heil?gem Throne

höchst unfehlbar, nun, ein Teutone.


So habt ihr alles fein sortiert,

die Kirche straff organisiert.

Drum denk ich, gibt?s in eurer Zeit

keinen echten Grund zum Streit.

Oder denk ich da zu schnell?

Ich fragt? mich, wer ist Martin L.?


Sein Name bei euch jüngst erklang

auf der Treppe mit Gesang.

Gewalt?ge Nägel schlug man ein

in den Dombergstufenstein,

ein Bild, gerade so als wär

der Martin ein Provokateur.


Als vor den Toren eurer Stadt

der Blitz ihn fast erschlagen hat,

verließ er seine alten Pfade

für Christus, Glaube, Schrift und Gnade.


Auch mich hat vor Damaskus Toren

der Herr vom Himmel aus erkoren,

den Glauben stark an allen Orten

zu künden, auch mit scharfen Worten,

offen und nicht nur im Stillen

auch gegen meines Kaisers Willen.


So gesehen hat?s fast den Schein,

als hätten wir etwas gemein,

der Martin L. aus eurem Land

und ich, die "Missgeburt" genannt.


Doch ich will nicht spekulieren.

Denn wie ein Donner tat?s mich rühren,

als ich hörte, dass ihr gar

feiert fast 500 Jahr?

das heil?ge Herrenmahl getrennt.

Welch grausliges Experiment!

Das macht mich wild. Ich sag?s euch gleich:

den Nagel dreh ich euch im Fleisch!


Ich weiß zwar nicht, wer an dem Zwist

warum woran wie schuldig ist.

Ich weiß nichts von Reformation,

kenn nur die alte Tradition,

nach der der Herr beim Abendmahle

den Seinen gab aus einer Schale.

Da gab es nicht zwei Sorten Brot:

Vollwert und Sonderangebot.

Nur einen Wein gab er zum Trank.

Man sollte meinen: Gott sei Dank.

Ein Streit um Christi Leib und Blut

der steht den Christen gar nicht gut.


Und fragt nicht: "Was geht uns das an?

Schuld sind doch die And?ren dran!"

Fremde Schuld als Argument

braucht nur, wer sonst kein and?res kennt.

Erleuchtung bringt es wahrlich nicht.

Die bringt nur das wahre Licht.

Habt ihr es hier an Ort und Stelle?

Auch in der Marienkapelle?

Wenn ja, dann solltet ihr nicht ruh?n,

sondern etwas damit tun.

Ich will und kann zu diesen Fragen

nichts als Theologe sagen.

Doch mit Gebeten und mit Kerzen,

schlichtem Christenmut im Herzen

habt ihr kampferprobte Waffen,

die können wahren Frieden schaffen.

Unter voller Glaubenspower

bröckelte schon manche Mauer.

Und wer vom wahren Brot genährt,

der sollte stark sein wie ein Pferd

und zur Not die Schwachen tragen.

Das lasst vom alten Mann euch sagen:

Einen solch sensiblen Zank,

den löst man nicht auf langer Bank.

Schuldhaft ist auch der Verzug.

500 Jahre sind genug!


Doch will euch in diesem Rahmen

jetzt nicht mehr gar so schwer ermahnen.

Es gibt modernes Diskutieren

das lässt sich leichter kommentieren.


So manchen ist sie Herzenssache,

die Messe in der Muttersprache,

derweil in einigen Pfarrei?n

pflegt man wieder gern Latein.

Sind Lateiner tolerant,

schau?n Deutsche über?n Tellerrand,

steh?n sie in Vielfalt einig da:

Kirche und ecclesia.

Dann heißt auch in der Dombergprosa

die Glocke weiter "Gloriosa".


Für uns in der Antike waren

Lateiner ohnehin Barbaren.

Ruft ihr: "Herr erbarme dich",

tut ihr?s oft griechisch, wie einst ich.

Selbst eure Kinder singen?s schon:

das "Kyrie Eleison".

Und betet ihr in Gottes Namen,

dann schließt ihr auf Hebräisch: Amen!


Griechen, Römer und Hebräer,

wir war?n schon immer Global Player.

Ich zog schon damals durch die Welt,

nicht zum Vergnügen, nicht für Geld,

nein, um das Wort hinauszutragen.

Ihr könnt mir heut noch "Danke" sagen.


Ihr auf eurem Berg hier oben

könnt Gott in vielen Sprachen loben.

Menschen fast aus jedem Land,

wie beim Weltfussballverband

spielen hier zwar kein Turnier,

dafür beten viele hier

ständig oder als Touristen.

Ihr seid wahrlich bunte Christen.


Die Meisten sind euch wohl bekannt.

Drum seien nur ein paar benannt:

Gläubige aus Afrika

und Lateinamerika.

Iberer - auch aus Spanien,

Wessis aus Germanien,

Italiener und Franzosen,

selbst Bayern mit den Lederhosen,

feiern hier mit euch sakral,

nicht nur beim DFB-Pokal.

Ich glaub, es gab - ich sag?s ganz leis? -

auch Fans vom Fussballclub Carl Zeiss.


So klingt ein buntes Sprachgewimmel

seit jeher hoch zu Gott im Himmel.

Probleme gibt?s nicht im Geringsten.

Er sandt euch ja den Geist zu Pfingsten!


Mit meiner Sicht aus frühen Tagen

könnt ich euch noch so manches sagen.

Doch lieber zieh, bevor ich geh,

ich nur ein kurzes Resume:

Fromme Wege gibt es viel.

Am Ende zählt das eine Ziel.

Nehmt eure Vielfalt als Geschenk.

Und treibt kein irdisches Gezänk.

Ihr dürft mit dieser Sinfonie aus Stein

der Welt ein leuchtend Zeichen sein.

Bewahrt im Trubel eurer Zeit

den Blick für Gottes Ewigkeit.

Und werdet im Gebet nicht faul.

Das rät euch herzlichst euer


Paul


Alle Rechte: Gregor Heiland



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