Offizialat – was?

Mit einem Festakt und Ehrengästen aus fünf Bundesländern begeht das Interdiözesane Offizialat Erfurt sein 40-Jähriges

Erfurt (BiP). Das Interdiözesane Offizialat Erfurt feiert am 1. Juli sein 40-jähriges Bestehen. Spätestens beim dritten Wort dieses Satzes dürften sich die meisten Menschen fragen: Was um alles in der Welt ist ein Offizialat? Heinz Gunkel, der diese katholische Institution seit vielen Jahren leitet und deshalb den Titel Offizial führt, ist darüber nicht böse. „Ich erinnere mich, dass vor einigen Jahren ein Mann vor unserer Tür stand, leicht verzweifelt auf das Schild am Eingang starrte und mich, als ich eintreten wollte, fragte: ‚Können Sie das lesen?‘“ – In der Tat, wenn man es nicht jeden Tag übt, kann die Aussprache des mit einigen Zischlauten versehenen Zwölfsilbers „Interdiözesanes Offizialat“ Schwierigkeiten bereiten. Und dass die meisten Menschen, Katholiken eingeschlossen, nicht wissen, was ein Offizialat ist, überrascht Gunkel auch nicht. „Unsere Arbeit ist vor allem Hintergrundarbeit“, erklärt er. Aber er ist gerne bereit, zur Aufklärung beizutragen.

Ein Offizialat sei ein kirchliches Gericht, das ausschließlich für die kirchliche Rechtsprechung zuständig sei. „Oberster Richter in jedem Bistum ist der Bischof. Das Kirchenrecht sieht aber vor, dass er diese Aufgabe delegiert – an den Offizial. Der nimmt stellvertretend für ihn die Gerichtsbarkeit wahr, das heißt, er spricht im Namen des Bischofs Recht“, sagt Gunkel. Natürlich gehe es dabei ausschließlich um innerkirchliche Angelegenheiten. „Sonst kämen sich ja Staat und Kirche ins Gehege. Für Diebstahl, Mord, Betrug und selbst für Kirchenschändungen und vieles andere mehr sind immer noch staatliche Gerichte zuständig“, meint der Offizial. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland anerkenne aber in den Artikeln 4 und 140 das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen und ermögliche ihnen so eine Gerichtsbarkeit zum Rechtsschutz innerhalb der Institution.

Grundsätzlich ist ein Offizialat für alle Bereiche des kirchlichen Rechtes zuständig. „In der Praxis geht es aber fast ausschließlich um Ehenichtigkeitsverfahren“, schränkt Offizial Gunkel ein. Die katholische Kirche kennt keine Möglichkeit einer Scheidung von Eheleuten, sondern hält an der lebenslangen Dauer der Ehe fest. Eine Wiederheirat nach Trennung vom Ehepartner ist darum nur möglich, wenn die erste Ehe ungültig geschlossen wurde. „Eine Ehe ist ungültig geschlossen, wenn beispielsweise ein Formfehler bei der Trauung vorliegt oder ein Ehepartner dem anderen Wesentliches bewusst verschwiegen hat, etwa dass er keinesfalls Kinder möchte“, verdeutlicht Gunkel. Im Ehenichtigkeitsverfahren wird dann darüber geurteilt, ob diese Ehe annuliert und damit eine katholische Trauung mit einem neuen Partner kirchlich ermöglicht werden kann. Offizial Gunkel ist lange genug Priester und Seelsorger, um zu wissen, dass das Kirchenrecht nicht alles richten kann, was im Leben von Menschen schief geworden oder zerbrochen ist, und natürlich kennt er auch die inner- und außerkirchliche Diskussion um geschiedene und wiederverheiratete Katholiken. „Wenn wir aber mit einem Verfahren diesen Menschen helfen können, tun wir das gern und möglichst unkompliziert“, sagt er.

Für die Ehenichtigkeitsverfahren steht im Erfurter Offizialat ein ganzer Stab von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zur Verfügung. Dass es so viele sind, hat mit der Besonderheit dieses Offizialates zu tun. Es ist eine interdiözesane Einrichtung und nicht nur für ein Bistum (= Diözese), sondern für die Bistümer Dresden-Meißen, Erfurt, Görlitz und Magdeburg zuständig und außerdem für die Apostolische Exarchie der Katholischen Ukrainer des byzantinischen Ritus in Deutschland und Skandinavien. Kein Wunder also, dass zur Feier des 40-jährigen Bestehens Bischöfe und Ehrengäste aus fünf Bundesländern anreisen. Die Feier am Montag, 1. Juli beginnt um 10 Uhr mit einer festlichen Heiligen Messe in der Kirche des Ursulinenklosters. Anschließend findet ein Festakt im benachbarten Bildungshaus St. Ursula statt, bei dem der Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr, der „Gründungsoffizial“ Prälat Armin Bernhard aus Berlin und der amtierende Offizial Gunkel Reden halten.

Für Gunkel beginnt mit dem Juli sein letzter Monat als Offizial, er geht dann in den Ruhestand. Sein Nachfolger steht schon bereit, Vize-Offizial Dr. Andreas Ferdinand Friedel, der aus dem Eichsfeld stammt und 2017 im Kirchenrecht promoviert wurde. Seit drei Jahren arbeiten die beiden im Erfurter Offizialat zusammen. Ab August wird Friedel für die Bischöfe Recht sprechen, Rechtsgutachten verfassen, sich an der Aus- und Weiterbildung der Seelsorgerinnen und Seelsorger beteiligen und Informationsangebote in den Kirchengemeinden anbieten. Insgesamt 19 Jahre lang war das die Aufgabe von Offizial Heinz Gunkel, unterbrochen von sechs Jahren als Pfarrer in Eisenach. Für seine Verdienste als Offizial in Ostdeutschland und auf der Ebene der deutschsprachigen Offiziale hat ihn Papst Benedikt XVI. zum Päpstlichen Ehrenkaplan mit dem Titel Monsignore ernannt. Doch Gunkel will am Ende seiner Laufbahn weniger zurück als nach vorne schauen. Die Zukunft zählt. Das beweist auch die Fachtagung der Katholisch-Theologischen Fakultät, die sich dem Festakt anschließt: „Die Ehe – ein ganz spezieller Fall. Theologische Perspektiven und aktuelle Fragen zur Sakramentalität der Ehe.“ Es ist nicht nur Pflichtbewusstsein bis zur letzten Minute, das Offizial Heinz Gunkel daran teilnehmen lässt.


Offizial Msgr. Heinz Gunkel                                   Vize-Offizial Andreas Friedel