"Nicht Mittel zum Zweck"

Caritastag thematisiert Zusammenhang von sozialem Engagement und Glaubensverkündigung


Elisabethfenster in der Ursulinenkirche
Caritastag über soziales Engagement und Glaubensverkündigung

Erfurt (BiP). Typisch Elisabeth, möchte man sagen mit Blick auf ein modernes Kirchenfenster im Erfurter Ursulinenkloster. Das zeigt in vier Szenen die heilige Elisabeth von Thüringen im Gebet zu Gott, bei der Armenspeisung und Krankenpflege sowie als Beschützerin ihrer, vielleicht auch aller Kinder.


Die Glasmalerei fasst zusammen, was das Leben der Thüringer Landgräfin ausgezeichnet hat: ihre Liebe zu Gott und ihre Liebe zu den Menschen - und das eine ist nicht ohne das andere zu denken. Das betonte jedenfalls Bischof Joachim Wanke in seiner Predigt zum Caritastag des Bistums Erfurt anlässlich des Elisabeth-Jahres: "Es ist eindeutig, dass Elisabeths Zuwendung zum leidenden Mitmenschen gespeist wurde durch ihre Nähe zu Jesus Christus", sagte der Bischof im Eröffnungsgottesdienst am heutigen Samstag (16. Juni) im St. Marien-Dom. Dort hatten sich rund 250 haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Caritas eingefunden, um nach dem Gottesdienst in Vorträgen und Diskussionen über das Verhältnis zwischen sozialem Engagement und Zeugnis für das Evangelium nachzudenken. Der Tag stand unter dem Motto "Elisabeth bewegt - zur Liebe die verkündet".


Das zwischen Gottes- und Nächstenliebe ein innerer Zusammenhang besteht, war zu Elisabeths Zeiten vielleicht eher deutlich. Heute aber, wo es keine Volkskirche mehr gibt und die Caritas als Institution einer von vielen Sozialverbänden ist, lohnt das Nachdenken darüber, was die Caritas mit den anderen Verbänden gemein hat und was sie von anderen unterscheidet.


Der Präsident des Deutschen Caritas-Verbandes, Prälat Peter Neher aus Freiburg, der als Referent eingeladen war, brachte es auf den Punkt: Ob es sich nun um eine kirchliche oder um eine nichtkirchliche Einrichtung handelt, entscheidend sei zunächst, dass in beiden Einrichtungen Menschen gut betreut und beraten werden. Und der Caritas-Präsident spitzte sogar noch zu: "Eine Zuwendung aus christlichem Geist findet nicht nur in kirchlichen Einrichtungen statt - zum Glück." Als Unterschied benannte er dann aber, "dass sich die Einrichtungen und Dienste der Caritas gestärkt, motiviert und gesendet fühlen durch die Botschaft des Evangeliums".


Das Christentum umfasse das Wortzeugnis, die Verkündigung des Wortes Gottes, ebenso wie das Tatzeugnis, beispielsweise die Sorge für die Kranken, die Unterstützung von arbeitslosen Menschen oder benachteiligten Kindern und Jugendlichen, führte Neher aus. Zum Tatzeugnis gehöre außerdem das "anwaltliche Engagement", etwa der Einsatz für gesetzliche und finanzielle Rahmenbedingungen, die es ermöglichen, Pflegebedürftige menschenwürdig zu betreuen. Und der Dienst am Nächsten sei "in seinen vielen Formen selbst Ausdruck des Glaubens und der kirchlichen Sendung", unterstrich Neher mit Bezug auf Papst Benedikts erste Enzyklika "Deus caritas est". Daher wünscht Neher sich auch eine stärkere Wertschätzung der caritativen Arbeit in den Kirchengemeinden: Bei aller notwendigen Professionalisierung der Sozialarbeit könne und dürfe die Nächstenliebe nicht delegiert werden, hier sei jeder Christ gefordert.


Freilich seien Frömmigkeit und die Rede von Gott - sei es nun im ausdrücklichen Wort oder in der Tat - nicht "so etwas wie eine fromme Soße, die über das Ganze unserer Sozialarbeit gegossen wird, die aber eigentlich auch ausfallen könnte", gab Bischof Wanke zu bedenken. Beides gehöre zusammen, "weil wir durch die Liebe zu Gott einerseits sensibel werden für die Liebe zum Mitmenschen und andererseits durch diese Zuwendung zum anderen neben mir Gott tiefer erkennen und lieben lernen. Beides verstärkt und intensiviert sich gegenseitig", führte der Bischof aus.


In seiner Predigt hatte er zuvor betont, in der Caritasarbeit begegneten immer Menschen, nie Fälle, auch wenn ein konkretes Problem angegangen werden müsse. Doch komme es darauf an, den Menschen in seiner ganzen Wirklichkeit zu sehen, und da erkennt Bischof Wanke neben den leiblichen und psychischen Problemen auch die religiösen. Mit Geld allein ließen sich die Sorgen und Nöte der Menschen nicht lösen: "Viele, die heute in der Beratung, in der Begleitung von Menschen arbeiten, bestätigen mir: Hinter den meisten Anliegen, die Menschen an sie herantragen, stecken innere Lebensnöte, innere Verwundungen. Da steckt Trauer über Lebensschuld, die nie richtig angesprochen und vergeben worden ist - und darum drückend auf der Seele lastet."


Da kann ein Hinweis auf Gott mitunter Grenzen sprengen und neue Lebensmöglichkeiten auftun - wenn es denn angebracht ist. Schon Benedikt XVI. hatte in "Deus Caritas est" darauf hingewiesen, dass es mitunter besser ist, "von Gott zu schweigen und nur einfach die Liebe reden zu lassen" (Nr. 33), zumal "wir [...] unseren Glauben niemandem aufdrängen [dürfen] - weder den Hilfsbedürftigen noch den Mitarbeitenden", wie Prälat Neher betonte. Die Caritas-Arbeit ist also nicht Mittel zum Zweck, sondern Ausdruck des Glaubens. Sie darf aber dennoch daraufhin befragt und dargestellt werden.


Peter Weidemann



Hinweis: Die Referate von Bischof Wanke und Prälat Neher werden spätestens am 20. Juni eingestellt.

Predigt von Bischof Joachim Wanke am Caritastag