geb. am 13.7.1920, gest. am 1.2.2000
Das letzte Mal habe ich meinen von mir so sehr geschätzten Vorgänger im Amt des Domorganisten an der Orgel zu unserer Hochzeit am 25. September 1999 im Dom hören dürfen. Am Schluß stand die dritte Strophe des großen Chorales "Wachet auf, ruft uns die Stimme", in der es heißt: "Gloria sei dir gesungen mit Menschen- und mit Engelszungen, mit Harfen und mit Zimbeln schön.....".
Wilhelm Kümpel, im Juli 1920 geboren, war einer, der prägte und Spuren hinterließ. Keiner, der für Kompromißformeln gewonnen werden konnte. Aber zugleich einer, der dazulernte und zu neuen Erkenntnissen kam. Einer, der in Kirche und Welt unbeugsam war - in der Kirche zugleich treu und unbequem, gegenüber der Welt mit heilsamer Distanz und doch Nähe, gegenüber dem DDR-Sozialismus im Besonderen auf eine beeindruckende Weise unbestechlich.
Er plätscherte nicht dahin, sondern verfügte über eine breite Palette an Intensität - von großem Charme und Witz bis hin zu gleichsam heiligem Zorn. Ein Mann mit ausgeprägter Willenskraft und erstaunlicher Energie.
Doch eine himmlische Zierde dieser irdischen Welt erkannte er in der Musik: Die Orgel hat ihm Flügel wachsen lassen, die ihn schon hier weit getragen und ihn am Ende sicher himmelwärts geführt haben.... - sie war Ästhetik und Verkündigung zugleich, kein Sentiment ohne Herkunft, sondern getragen von der Freude am Herrn.
Bach, Buxtehude und Ahrens waren neben anderen das Dreigestirn, das der Organist Wilhelm Kümpel immer wieder zum Klingen brachte. Ein an klaren Prinzipien orientierter Stil durchzog seine Musik und gab auch seinen Improvisationen das typisch Kümpelsche Rückgrat. Seine Musik hatte Klasse und Format, seine Improvisationen - zumindest die, die ich hörte - waren oft meditativ und von eigenartiger Anziehungskraft.
Auch hat er auf eine fruchtbare Art und Weise gelehrt und eine ganze Schar von Organisten herangebildet, die ihm sehr viel verdanken. Auf die katholische Kirchenmusik in der DDR hatte er als Organist, Orgel- und Glockensachverständiger, Komponist, Liturgiker und Lehrer einen bedeutenden Einfluß, und als Schüler von Prof. Joseph Ahrens in Berlin war er sicher einer seiner bedeutendsten künstlerischen Nachfahren, ohne dies jedoch selbst gegenüber anderen festgestellt zu haben.
Wilhelm Kümpel wußte um seine einzige und wunderbare "Abhängigkeit" vom Schöpfer und war deshalb erstaunlich unabhängig und frei in der Welt. Ich habe an ihm seine unkonventionelle Art und Aufrichtigkeit geschätzt, seine Kanten, die weit aus der Provinz herausragten. Man mußte ihn verstehen lernen - ihn verstehen lernen hieß, viel an Befindlichkeit und Provinz abzulegen. Dann eröffnete sich ein respektvoller und bereichernder Dialog.
Ich trauere um Wilhelm Kümpel, dem ich viel verdanke, wenn wir jedoch beim Requiem im Erfurter Mariendom am Schluß das "In Paradisum ... " anstimmen, werden meine Gedanken wieder bei dieser dritten Strophe sein: "....Kein Aug hat je gespürt, kein Ohr hat mehr gehört solche Freude. Des jauchzen wir und singen dir das Halleluja für und für."
3. Februar 2000
Silvius von Kessel, Domorganist
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