"Koch es, schäl es oder vergiss es!"

Zwei Thüringer Jugendliche gehen als Missionare auf Zeit nach Afrika und Südamerika


Lernt Kisuaheli: Alexander Wickert
Meiningen/Teistungen (BiP). Wie verrückt muss man eigentlich sein, um 15 Monate ohne Lohn zu arbeiten und dafür auch noch drei- bis viertausend Euro zu bezahlen? Alexander Wickert aus Teistungen und der Meininger Johannes Döring haben genau dies vor. Doch die beiden 19-Jährigen wirken keineswegs unorientiert oder gar verrückt. Im Gegenteil: Ohne intensive Ü;berlegungen hätten die jungen Männer nicht den Schritt tun können, den sie jetzt tun werden: Als Missionar auf Zeit nach Kenia und Argentinien zu gehen.


Die Oma von Johannes war erschrocken, als sie von den Plänen ihres Enkels erfuhr. "Sie machte sich Sorgen, was mir alles in Südamerika passieren könnte. Aber mittlerweile findet sie mein Vorhaben gut", sagt Johannes. Seine Begeisterung steckte wohl auch die Großmutter an. Wenn er von El Soberbio erzählt, seinem künftigen Einsatzort in der argentinischen Provinz Misiones, lässt nichts ahnen, dass Johannes dort noch nie gewesen ist. Die Informationen sprudeln nur so aus ihm heraus: "El Soberbio heißt übersetzt ?der Stolze?, weil das Dorf, auf einem Hügel gelegen, zu den schönsten Orten der Gegend zählt. Es liegt nur wenige hundert Kilometer von den berühmten Wasserfällen von Iguazu entfernt, die auch im Film The Mission mit Robert de Niro zu sehen waren."


Vor einem Jahr hatte Johannes noch nicht einmal von der Existenz des Dorfes gewusst. Damals stellte sich die Frage, wo er nach dem Abitur seinen Zivildienst leisten sollte. Zum gleichen Zeitpunkt dachte auch Alexander Wickert darüber nach. Unabhängig voneinander fassten beide nach intensiven Gesprächen in ihrer Familie den Entschluss, ins Ausland zu gehen. Alexander meldete sich bei den Pallottinerinnen und Pallottinern, Johannes kontaktierte die Steyler Missionare. Diese Ordensgemeinschaften ermöglichen es jungen Menschen, als Missionare auf Zeit im Ausland zu arbeiten.


Dabei geht es nicht um Missionierung im klassischen Sinn und Wissenstransfer in die Dritte Welt. Die Jugendlichen sollen vielmehr Weltkirche erfahren, sensibel werden für andere Kulturen und soziale Verhältnisse sowie mit den Einheimischen arbeiten, beten und zusammen leben. Der Begriff des Missionars, wie man ihn landläufig versteht, wäre Alexander auch viel zu groß. "Ich rechne eher damit, dass mein Glaube sich verändern und hoffentlich stärker wird", meint er. Und Johannes formuliert griffig als Agenda: "Augen und Ohren öffnen, den Mund schließen! Erst kennen lernen, dann urteilen und handeln."




Freut sich auf Argentinien:

Johannes Döring

Im September brechen die beiden Thüringer "Missionare" in ihre Zielländer auf. Hinter ihnen liegt eine intensive Zeit der Vorbereitung, denn die Orden schicken niemanden auf die Reise, der nur vage den Wunsch nach einem Auslands- aufenthalt äußert. Persönliche Motivationen und Ziele zu überprüfen und zu klären, gehört daher mit zu den wichtigsten Anliegen der vielen Seminare, an denen Alexander und Johannes bei den Ordens- gemeinschaften teilgenommen haben. "Manche Teilnehmer verabschiedeten sich auch von der Idee, Missionar auf Zeit zu werden", berichtet Alexander.


Kein Wunder, denn auf die jungen Leute kommt einiges zu. "Wir haben lange über den Kulturschock gesprochen, der einen fast genau so sicher ereilt wie der Begrüßungsdurchfall", erzählt Johannes. Andere Länder, andere Sitten - damit ist während 15 Monaten Aufenthalt schwerer umzugehen als bei einem zweiwöchigen Urlaub. Fremde Speisen, Hitze, Feuchtigkeit, Parasiten gehören zu den äußeren Umständen, die belasten. Verständigungsschwierigkeiten, Mentalitäten, gesellschaftliche Vorstellungen, Umgang mit der Zeit und ein anderes Arbeitsverständnis können noch zermürbender wirken.


In den Seminaren werden solche und viele andere Themen gezielt angesprochen. Manchmal genügen handfeste Tipps, um Problemen vorzubeugen. "Koch es, schäl es oder vergiss es", nennt Johannes als Beispiel für eine Speiseregel. Anderes musste breiter thematisiert werden. Johannes und Alexander fühlen sich jedenfalls gut vorbereitet nach Seminaren über Identität und Spiritualität, zu Landeskunde, Globalisierung, Volksfrömmigkeit und Aidsproblematik. Dazu trug sicher auch der schulfremde Charakter der Veranstaltungen bei. "Meine Begeisterung ist immer stärker geworden", freut sich Johannes.


In welchem Bereich er genau arbeiten wird, kann er noch nicht sagen. Dass er nach Argentinien geht, hat sich erst während der Vorbereitungszeit geklärt. "Ich war offen für alles", meint Johannes und begründet das mit seinem Glauben. "Ich hatte von Anfang an das Gottvertrauen, dass alles kommen wird, wie es kommen soll." Nach seiner Ankunft auf dem Kontinent wird er sich erst einmal in Paragay einem Intensivkurs Spanisch unterziehen, danach geht es in seine Pfarrei El Soberbio, wo es mehrere pastorale Einsatzmöglichkeiten gibt. Johannes hofft aber auf eine Arbeit bei den Ind?genas, wie sich die Nachkommen der Ureinwohner selber nennen, die das Wort Indio als beleidigend ablehnen.


Für Alexander stand dagegen von Anfang an fest, dass er nach Afrika möchte. Die Pallottiner boten ihm ein Straßenkinderprojekt in Eldoret in Westkenia an. "Das Projekt ist noch im Aufbau und daher ideal, um die Kultur und die Probleme der Menschen kennen zu lernen", findet Alexander. Er könnte sich mit seinen Englischkenntnissen gut durch das ehemalige Kolonialland bewegen, aber sicherheitshalber lernt er bereits Kisuaheli, die Landessprache Kenias.


Die jungen Männer sind begeistert und freuen sich auf ihren Zivildienst. Das will was heißen, denn im Ausland wird er nicht entlohnt und muss obendrein von Alexander und Johannes selbst finanziert werden: Bis zu 4.000 Euro sind fällig. Nur das Bistum Erfurt gibt einen Zuschuss. Alexander ist darum auch von seinen Freunden angefragt worden. "Sie sagten, ich würde ein Jahr verschenken", erinnert er sich. Doch für ihn habe die berufliche Karriere jetzt nicht die Priorität. "Ich werde sicherlich mit einem anderen Weltbild wiederkommen und manche Dinge in Deutschland lässiger sehen", zeigt er sich überzeugt. Erst dann wolle er entscheiden, ob er studiert oder eine Ausbildung beginnt.


Auch Johannes glaubt, reifer zurück zu kehren. Eine große Rolle spielt für ihn während der 15 Monate, seinen Glauben zu festigen. Ansonsten ist er gespannt auf die Begegnung mit den Argentiniern, die Naturschönheiten und auf die vielen neuen Eindrücke, die es zu gewinnen gilt. "So etwas prägt für das ganze Leben", freut er sich schon jetzt. Wie Alexander zeigt er sich sicher, dass die Zeit im Ausland keine verlorene Zeit ist. Darin bestärkten sie nicht zuletzt die Begegnungen mit Rückkehrern, wie die ehemaligen Missionare auf Zeit genannt werden. "Deren Erfahrungen spielten bei den Seminaren eine große Rolle. Das hat Mut gemacht. Und sie haben uns Neue beneidet und würden am liebsten wieder mitfahren", lacht Johannes.


Für trübe Stunden in El Soberbio hat er eine Mundharmonika im Gepäck, Fotos von daheim und eine mit Unterschriften vom Weltjugendtag gezierte Deutschlandfahne, an der bereits die argentinische Nationalflagge angehängt ist. Alexander wird auf jeden Fall seine Gitarre mitnehmen, weiß doch auch er, das Tausende Kilometer zwischen ihm, der Familie und den Freunden liegen. "Manchmal ist es schon komisch. Dann denke ich, in zwei Wochen treffen sie sich ohne dich." Aber es gibt ja auch ein Kwa heri. Das ist Kisuaheli und heißt "Auf Wiedersehen".


Peter Weidemann



Johannes Döring und Alexander Wickert werden von Zeit zu Zeit eMail-Rundbriefe über ihren Aufenthalt und ihre Arbeit schicken. Wer es wünscht, kann sich die Briefe von der Pressestelle des Bistums Erfurt zumailen lassen. Es genügt eine kurze Nachricht an presse@bistum-erfurt.de.



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