Christine von Kessel mit dem jüngsten Caf?-Besucher und seiner Mutter
Sieben Werke der Barmherzigkeit für Thüringen: Du gehörst dazu...
Bei der Eröffnung des Elisabeth-Jahres gab Bischof Joachim Wanke "Sieben Werke der Barmherzigkeit für Thüringen" bekannt, die aus einer Umfrage im Bistum Erfurt, welches Werk der Barmherzigkeit heute besonders notwendig sei, entstanden sind. Dabei handelt es sich um "sieben Angebote, sich sehr konkret auf den Geist und die Gesinnung der heiligen Elisabeth einzulassen". Nachfolgend eine Reportage über eine Initiative, die ein Werk der Barmherzigkeit realisiert.
"Was unsere Gesellschaft oft kalt und unbarmherzig macht, ist die Tatsache, dass in ihr Menschen an den Rand gedrückt werden: die Arbeitslosen, die Ungeborenen, die psychisch Kranken, die Ausländer. Das Signal, auf welche Weise auch immer ausgesendet: "Du bist kein Außenseiter!", "Du gehörst zu uns!" - z.B. auch zu unserer Pfarrgemeinde - das ist ein sehr aktuelles Werk der Barmherzigkeit." (Bischof Wanke)
Erfurt (BiP). Christine von Kessel war nicht die einzige, die die afrikanische Familie im Dom-Gottesdienst bemerkt hatte, aber sie war die erste, die die Afrikaner ansprach. Aus dem Kontakt entwickelte sich eine lockere Bekanntschaft. Man sah einander in der Kirche und unterhielt sich ein wenig nach der Messe, während die Kinder beider Familien gemeinsam auf dem Domberg herumtollten.
Dann hatte Frau von Kessel eine Idee: "Was halten Sie von einem Treffen für deutsche und ausländische Gemeindemitglieder", fragte sie den damaligen Dompfarrer Reinhard Hauke. Der sagte nur: "Fangen Sie mal an" und ließ ihr freie Hand. Daraus entstand, was sich heute das "Caf? International" nennt.
"Mir schwebte so etwas wie ein Kreis vor, in dem sich Ausländer und Deutsche gegenseitig kennen lernen, damit auch die nichtdeutschen Familien in der Gemeinde heimisch werden", erzählt Christine von Kessel. Zuvor hatte sie sich schon länger gefragt, ob sich Ausländer in der Erfurter Kirche angesprochen fühlen. "Das kann ja auch Deutschen passieren, dass man als Christ nicht mit anderen Christen in Kontakt kommt. Und wenn die deutsche Sprache nicht richtig beherrscht wird, ist die Kontaktaufnahme ja noch schwieriger", sagt die junge Frau.
Die Treffen des Caf? International finden meist in Privatwohnungen statt. "Ab und zu gehen wir auch ins Gemeindehaus, aber am schönsten ist es doch bei einer Familie zu Hause", ist die Erfahrung von Christine von Kessel. Dort geht es nicht so ruhig und vornehm zu, wie es in einem Caf? üblich ist. Schon auf der Treppe lässt die Geräuschkulisse ahnen, dass im Caf? International viele Kinder ihren Spaß haben.
"Die kennen überhaupt keine Berührungsängste", freut sich Frau von Kessel. Niemand müsse bei ihnen integriert werden, weil die Kinder zwischen Ausländern und Deutschen keine Grenze ziehen würden. Auch Sprachschwierigkeiten fallen nicht ins Gewicht: "Worte, die nicht deutsch klingen, sind für Kinder doch eher interessant als befremdlich", sagt sie. Außerdem würden die jüngeren Caf?besucher notfalls mit Händen und Füßen reden.
Die Erwachsenen im Wohnzimmer bedürfen keiner Zeichensprache. Meist wird Deutsch gesprochen, das die Gäste aus dem Ausland, wenn sie es nicht bereits beherrschen, erlernen wollen. Und sollte es einmal gar nicht klappen mit der Verständigung, gibt es immer einen, der helfen kann. Kommen alle, versammeln sich Menschen aus sieben Nationen und von drei Kontinenten um den großen Esstisch: Kameruner, Libanesen, Vietnamesen, Armenier, Franzosen, Polen und Deutsche.
Es herrscht eine gemütliche Atmosphäre. Während in der Küche ein großer Topf Suppe für das gemeinsame Mittagessen brodelt, bestaunen alle die nur wenige Wochen alte Shakain auf dem Arm ihrer Mutter Yolanda. Für das Kind haben sich Paten im Caf? International gefunden.
Bevor das Essen beginnt, singen Kinder und Erwachsene gemeinsam Lieder, die zur Jahreszeit und zum Kirchenjahr passen. "Oder die einfach Spaß machen", erklärt Christine von Kessel. Ihr Mann Silvius trägt den riesigen Suppentopf ins Zimmer. "Mit dem Kochen geht es reihum", erzählt sie, während Silvius die Suppe austeilt. Auf dem Tisch stehen bereits Brotkörbe, Gebäck und Kuchen für nachher. "Wer will, bringt einfach etwas mit." Es geht unkompliziert zu im Caf? International.
In diesem Kreis haben sie schon über Einwanderung und Asyl gesprochen und auch die Ausländerfeindlichkeit thematisiert. "Arbeitslose Niggerin", rief ein junger Bursche einmal, als Christine von Kessel eine Afrikanerin nach Hause begleitete. Die Initiatorin des Caf?s kann so etwas nicht verstehen. "Muss man so miteinander umgehen?", fragt sie.
Doch kleinkriegen lässt sie sich davon ebenso wenig wie die anderen. Während des Essens wird geredet und gelacht - eine Atmosphäre zum Wohlfühlen. Einmal im Monat treffen sie sich im Caf? International. Sonntags sieht man sich in der Kirche. Und: Man kennt sich...
Peter Weidemann
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