Meine liebe Schwestern und Brüder im Herrn,
der Heilige Geist verbindet die Welt der Menschen mit der Welt Gottes. Schon bei der Schöpfung schwebte er über der Urflut, wie es im Buch Genesis heißt. Die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus geschah im Heiligen Geist, der die Jungfrau Maria überschattete. Auch heute ist der Heilige Geist die Verbindung zwischen Gott und den Menschen. Besondere Brücken bilden dabei die Sakramente als ganz besondere wirksame Zeichen der Nähe Gottes zu uns Menschen. Das spüren wir besonders in Zeiten der Corona-Pandemie, in denen die Feier der Sakramente zunächst fast unmöglich war und jetzt nur unter besonderen Maßnahmen geschehen kann. Das Versammlungsverbot auch in Kirchen war nicht nur ein gravierender Einschnitt in die Religionsfreiheit. Es war auch eine äußerst schmerzliche Absperrung der sakramentalen Brücken zwischen Gott und uns Menschen. Es war und ist ein Trost, dass Jesus auch neben der Feier der Sakramente seine Gemeinschaft allen zugesagt hat, die in seinem Namen versammelt sind, auch wenn es nur zwei oder drei sind. (Matthäus 18,20) Ich hoffe, dass viele, die zuhause Andachten feiern, dies auch geistlich erleben können. Auch alle, die sich um Menschen in Not kümmern, können die Gemeinschaft mit Jesus Christus erfahren: „Was Ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt Ihr mir getan.“ (Matthäus 25,40) sagt Jesus in seiner Gerichtspredigt am Ende des Matthäus-Evangeliums. Dennoch bleibt die Gemeinschaft mit dem Dreifaltigen Gott in der Feier der Sakramente die dichteste Form der Begegnung.
Deswegen kann auch unter den Bedingungen der Infektionsschutzmaßnahmen nicht darauf verzichtet werden. Die Gläubigen haben ein Recht auf den Empfang der Sakramente. Es heißt in Canon 213: „Die Gläubigen haben das Recht, aus den geistlichen Gütern der Kirche, insbesondere dem Wort Gottes und den Sakramenten, Hilfe von den geistlichen Hirten zu empfangen.“
Dies wiegt schwerer als die Bedenken, die gegenüber Gottesdiensten unter den Bedingungen des Schutzkonzeptes vorgebracht werden. Manche sagen, es sei unsolidarisch, wenn wir Gottesdienst feiern, während kulturelle Veranstaltungen nicht möglich sind. Wache Politiker, denen ich sehr dankbar bin, haben rasch gemerkt, dass Religionsfreiheit und Meinungs- und Versammlungsfreiheit Verfassungsgüter sind, die nur soweit beschnitten werden dürfen, wie es unbedingt nötig ist.
Manche halten es für unsozial, dass nicht alle, die es wünschen, zum Gottesdienst kommen können. Nun ist mir diese Erfahrung bei manchen Fest- oder Firmgottesdiensten durchaus vertraut. Möglicherweise wird man nach der Corona-Pandemie fragen, ob es sinnvoll ist, bei einem Festgottesdienst die erste Reihe für Honoratioren zu reservieren, wenn absehbar ist, dass der Platz in der Kirche nicht für alle reicht.
Manche halten es auch für unverantwortlich, in Zeiten der Pandemie gemeinsam Gottesdienst zu feiern, weil die Gefahr der Infektion besteht. Das ist natürlich nicht ganz von der Hand zu weisen. Wir haben aber in unserem Bistum die Erfahrung gemacht, dass ein Infizierter den Gottesdienst mitgefeiert und niemanden angesteckt hat.
Schließlich bemängeln die Liturgiker, dass es schwierig sei, mit 1,50 m Abstand voneinander mit wenig Liedgesang und besonderen Infektionsschutzmaßnahmen bei der Kommunionspendung wirklich Gottesdienst zu feiern. „Corona-Gottesdienste“ sind nicht feierlich. Das erlebe ich auch so. Gerade in der Osterzeit, in der ich gerne und laut die schönen Osterlieder singen würde, fällt dies besonders auf. Es ist aber auch eine ganz neue Erfahrung, dass Sorgen, die unsere Gesellschaft und die Menschen bewegen, nicht nur in den Fürbitten zur Sprache kommen, sondern den ganzen Gottesdienst prägen. Ich denke an die erkrankten Menschen und ihre Angehörigen, an die Bewohnerinnen und Bewohner in den Altenheimen und das Pflegepersonal, an die Menschen, die um ihre wirtschaftliche Existenz fürchten und an die Familien, die an den Rand ihrer Möglichkeiten gekommen sind. Die „Corona-Gottesdienste“ zeigen uns, dass Ostern den Karfreitag nicht einfach ablöst. Die Schöpfung ist nicht in Ordnung (Römer 8,22). Ich habe in dieser Situation das Bistum dem Gekreuzigten auf dem Hülfensberg anvertraut. Wir werden den Kreuzestod Jesu nie verstehen, aber er nährt unsere Hoffnung auf Erlösung mitten im Unerlösten.
An Pfingsten feiern wir, dass wir nicht von allen guten Geistern verlassen sind. Es gibt den Ungeist von Schuldzuweisungen und Verschwörungstheorien, von Populismus und Despotentum, von Egoismus, Nationalismus und Antisemitismus. Aber es gibt auch den guten Geist der Solidarität mit alten und kranken Menschen, des Bewusstseins der gleichen Würde aller Menschen, der tätigen Hilfsbereitschaft und Nachbarschaftshilfe, des Gottvertrauens und der Glaubensfreude.
Zum Heiligen Geist flehen wir: „Die Macht des Bösen banne weit. Schenk Deinen Frieden alle Zeit. Erhalte uns auf rechter Bahn, dass Unheil uns nicht schaden kann.“