"Gott verantwortlich dem Frieden dienen!"

Bischof Wanke predigt vor katholischen Soldaten des Apostolat Militaire International

Erfurt (BiP). Die Generalversammlung des Apostolat Militaire International (AMI), einer internationalen Gemeinschaft katholischer Soldaten, tagt vom 14. bis 21. September 2001 im Erfurter Augustinerkloster. Am Montag, 17. September, fand im St. Marien-Dom ein Pontifikalamt mit Bischof Dr. Joachim Wanke statt. Im Folgenden dokumentieren wir die Predigt des Bischofs:

Liebe katholische Soldaten! Liebe Mitchristen!

Es gibt nur wenige Menschen, die von Jesus ausdrücklich gelobt werden. Dazu gehört etwa Johannes der Täufer, von dem Jesus sagt: "Es gibt keinen Größeren, der je von einer Frau geboren wurde", oder Natanael, der spätere Jünger und Apostel, von dem Jesus sagt, er sei ein echter Israelit, ein Mann ohne Falschheit.

Zu solchen, im Evangelium eigens als vorbildlich hervorgehobenen Menschen gehört auch - was die Christen der Frühzeit sicher mehr erstaunte als uns - ein heidnischer Offizier. Wir kennen die entsprechende Ü;berlieferung, die sowohl im Lukas- als auch im Matthäus-Evangelium zu finden ist. Der Offizier vertraut der Macht und der Autorität Jesu. "Sprich nur ein Wort, so wird mein Diener gesund werden!" In diesem Satz spricht sich sein Glaube an Jesus aus. Diese Haltung eines heidnischen Mannes, dazu noch eines Angehörigen der verhassten Besatzungsmacht hat sich dem Gedächtnis der Jünger Christi tief eingeprägt. Und so wird das Lob Jesu für diesen Offizier seit dieser Zeit in unseren Gottesdiensten immer wieder gelesen: "Ich sage euch: Nicht einmal in Israel habe ich solch einen Glauben gefunden."

Ich bin überzeugt, dass auch heute von vielen Menschen, auch von Soldaten, solche Glaubensgeschichten erzählt werden können. Für uns hier in den neuen Bundesländern in dem vormals kommunistischen Teil Deutschlands ist es immer noch eine staunenswerte Sache, dass Offiziere und Soldaten der Bundeswehr am Gottesdienst teilnehmen, ja sich aktiv und wie selbstverständlich mit ihren Familien in das Leben der Pfarrgemeinde einbringen. Auch in dieser Stadt Erfurt geben katholische Offiziere und Soldaten ein solches positives Glaubenszeugnis. Dafür bin ich, dafür sind die anderen katholischen Christen unserer Stadt von Herzen dankbar.

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Sie beraten in diesen Tagen bei Ihrer Versammlung, die katholische Soldaten aus Europa, Nord- und Südamerika, Asien und Afrika zusammenführt, über das Selbstverständnis, über das Profil eines katholischen Soldaten. Was ist notwendig für einen Soldaten bzw. Offizier, um in ähnlicher Weise wie der Hauptmann von Kapharnaum von Jesus Anerkennung und Lob zu finden? Ich nenne drei Stichworte:

Der christliche Soldat weiß, dass er in seinem Handeln Gott verantwortlich ist.

Das zeichnet den heidnischen Offizier aus, der sich an Jesus wendet. Er weiß, das er jemanden über sich hat, dem auch er gehorchen muss und frohen Herzens gehorchen kann: Gott, der uns in Jesus Christus begegnet und uns in seinem Sohn zum Gehorsam des Glaubens ruft. Für den Offizier, der in eine militärische Befehlskette eingebunden ist, wird diese Einbindung zu einer Erinnerung für jenen Gehorsam, der keine Vorbehalte kennt: den Gehorsam gegenüber Gott, dem Herrn und Schöpfer jedes Menschenlebens.

Die Armeen der Staaten z. B. der Europäischen Union sind an ihre Parlamente gebunden, also an demokratisch legitimierte Macht. Sie sind nicht mehr Instrumente der Willkür und Unterdrückung, sondern sie sind gebunden an Recht und Ordnung. Sie wissen sich dem Frieden und der Verständigung der Völker verpflichtet. Es ist wichtig, dass es in solchen Armeen gläubige Menschen gibt, deren Gewissen an das Recht und die Ordnung Gottes gebunden ist. Denn staatliches Recht und auch das Völkerrecht können nur Bestand haben, wenn sie in Gottes Recht verwurzelt sind. Katholische Soldaten wissen sich über alles menschliche Recht hinaus Gottes Recht und seinem Gebot verpflichtet. Das ist ihr spezifischer Beitrag für einen militärischen Dienst, der dem Wohl der Völker und der Bewahrung der Würde jedes Menschen gelten soll. Wer Gott liebt und ehrt, wird auch den konkreten Menschen, das Abbild Gottes, lieben und seine Würde respektieren und verteidigen. Damit bin ich schon beim zweiten Gesichtspunkt:

Der christliche Soldat will dem gerechten Frieden dienen.

Das ist sein Beitrag in einer Welt, in der Hass und Gewalt unter Menschen und Völkern traurige Realitäten sind. Gerade erleben wir an verschiedenen Brennpunkten der Welt, was passiert, wenn dem Hass und der Gewalt zwischen Völkern und Kulturen freier Lauf gelassen wird. Die neuere Militärgeschichte kennt sogenannte "friedenssichernde Maßnahmen", etwa die Hilfe bei der Entwaffnung von Konfliktparteien oder die Sicherung eines ausgehandelten Friedensabkommens. Ich bin froh, in einem Land zu leben, dessen Armee sich der Vision eines gerechten Friedens und der Verständigung zwischen den Völkern verpflichtet weiß und nicht einer agressiven Ideologie, die auf der Durchsetzung eigener nationaler Interessen mit allen Mitteln setzt.

Der Gedanke der europäischen Einigung hat seine Wurzeln in der Ü;berwindung bzw. im Ausgleich nationaler Eigeninteressen. Es ist kein Zufall, dass gerade christliche Politiker nach dem Schrecken des 2. Weltkrieges das Fundament für ein gemeinsames Europa legten: Robert Schumann, Konrad Adenauer und Alcide de Gasperi. Wir sollten helfen, dass dieser Impuls christlicher Friedensgesinnung im weiteren Verlauf der Ausgestaltung des gemeinsamen europäischen Hauses nicht verlorengeht. Die Tatsache, dass katholische Soldaten aus der ganzen Welt gemeinsam nach ihrem Beitrag für eine gerechte Friedensordnung fragen, ist angesichts der Kriege der letzten Jahrzehnte ein großartiges Hoffnungszeichen. - Und schließlich:

Der christliche Soldat weiß um die Würde jedes Menschen.

Er weiß auch um die Würde des potentiellen Feindes. Im Evangelium heißt es, der heidnische Offizier sei bei den Juden beliebt gewesen: "Er liebt unser Volk und hat uns die Synagoge gebaut", sagen die jüdischen Ältesten zu Jesus. Man muss wissen, dass die Römer zum Teil mit Verachtung auf die von ihnen beherrschten Völker und Religionen schauten. Der Hauptmann von Kapharnaum ist also eine rühmliche Ausnahme.

Jeder Mensch ist von Gott mit einer unveräußerlichen Würde ausgestattet. Er ist dazu berufen, als vernunftbegabtes und verantwortliches Wesen in Beziehung zu Gott, zu den Mitmenschen und zur Schöpfung zu leben. Trotz aller Gebrochenheit der Sünde, des Missbrauchs menschlicher Freiheit geht den Menschen diese Würde nicht verloren.

Darum gehört es zum Selbstverständnis des christlichen Glaubens, sich für die Rechte und die Würde der Menschen einzusetzen. Es gilt überall auf der Welt Verhältnisse zu schaffen, in denen alle Menschen menschenwürdig leben können. Nur so kann unsere Welt Zukunft gewinnen und der Friede eine Chance erhalten.

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Das Lob Jesu über den Hauptmann von Kapharnaum zielt sicher in erster Linie auf dessen Offenheit für Jesus und seine demütige Bereitschaft, sich Jesus gläubig anzuvertrauen. Darum hat Jesus ihm auch helfen können. Jetzt in dieser Eucharistiefeier begegnen wir Jesus, der uns seine Gemeinschaft schenken will, der uns "gesund machen" will an Leib und Seele. Die Worte des Hauptmanns haben in leichter Abwandlung Eingang in unsere Liturgie gefunden:

"Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach. Aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund."

Dieses Wort sollten wir nicht nur vor der Hl. Kommunion sprechen. Es kann ein Leitwort unseres Christseins insgesamt sein.

Jesu Wort kann und wird unser Leben verändern. Mit und durch ihn Gott kennen und fürchten lernen, dem Frieden dienen wollen und jeden Mitmenschen als Nächsten annehmen, ehren und lieben: Wer das tut, wird auch heute wie damals der heidnische Offizier von Jesus Lob erhalten. Amen.

Erfurt, den 17.9.2001

Bischof Joachim Wanke

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