Gott offenbart sich - er führt aus Angst zum Glauben

Predigt zum 2. Fastensonntag von Pfarrer Dr. Karl-Heinz Ducke, Jena


Predigt zum 2. Fastensonntag von Pfarrer Dr. Karl-Heinz Ducke...

"Ich versteh das nicht." So reagieren wir Menschen oft in unerklärlichen Situationen. Unverständnis führt zu Unsicherheiten bei Entscheidungen.

"Ich verstehe dich nicht!" Das klingt wie eine Bitte um Erklärung, um Begründung eines unverstehbaren Handelns.

"Ich verstehe dich nicht" - Dieser Ausruf scheint - unausgesprochen - die Lesungen dieses 2. Fastensonntags zu durchziehen. Deshalb nun ein Blick auf die Botschaft dieses Sonntags:



1. Die Offenbarung Gottes an Abraham: Grundlegung des Ersten Testamentes


Wir haben in der ersten Lesung von der Begegnung Abrahams mit Gott gehört. Es ist eine ganz eigene Begegnung mit Gott, der große Versprechen gibt und dabei doch unverständlich und furchteinflößend bleibt. Bevor unser Text einsetzt, ging es bereits darum: Gott hatte Abraham neues Land und Nachkommen versprochen, im Vertrauen darauf war Abraham losgezogen. Dann aber gingen die Jahre dahin, ohne dass sich die Verheißung erfüllte. Kurz bevor die Begegnung geschieht, von der wir gehört haben, fragt Abraham seinen Gott: "Was willst du mir schon geben? Ich gehe doch kinderlos dahin!"(Gen 15,2) Abraham hat Angst, er kann nicht mehr glauben, dass Gott seine Verheißung erfüllt. Er sieht keine Zukunft für sich. Auch nach der erneuten Verheißung von Gott, kommt die Angst wieder: tiefer Schlaf und doch keine Ruhe!


Da, so denke ich, finden viele Menschen sich betroffen wieder. Doch diese tiefe existentielle Angst - wie auch immer sie in unserer Zeit benannt werden könnte - wird nicht einfach aufgelöst, sondern in eine Verheißung verwandelt. Gott führt Abraham hinaus: hinaus aus seiner gewohnten Umgebung. Hinaus auch aus den nagenden Fragen. Die Sterne am Himmel werden auf die Erde geholt: So viele Nachkommen wirst du haben! Glaubst du das? Und Abraham glaubte, noch voller Zweifel und Angst. Gott aber offenbart sich im Feuer, im rauchenden Ofen, der zwischen den Opfertieren hindurchfährt. So wurde Abraham zum Urvater aller Glaubenden! Gott bindet sich in Abraham an einen menschlichen Namen: Von nun an wird es immer heißen: Der Gott Abrahams, Isaaks und Israels.


Gott begegnet mir seitdem immer in einem konkreten Menschen. Ihn verstehen heißt, auf seine Geschichte mit einzelnen Menschen zu schauen. Abraham suchte die Begegnung mit Gott und wurde so aus Angst zum Glauben geführt. Er gibt auch mir eine leise Hoffnung: Wenn ich mich suche, finde ich mich eingeschrieben in Gottes Adressbuch?



2. Die Offenbarung Gottes in der Person Christi: die Verklärung


Auch im Evangelium von der Verklärung werden Menschen hinausgeführt. Die Jünger gehen mit Jesus auf einen Berg. Die Situation auf dem Berg der Verklärung wird sehr konkret geschildert: Da ist wieder die Dunkelheit und der Schlaf der Jünger. Licht weckt sie. Sie sehen Jesus in neuer Gestalt, als Lichtgestalt im Gespräch mit großen Männern der Geschichte Israels. Ob sie etwas von der Leidensankündigung und vom Kreuz mitbekommen haben? Sie wollen in diesem Licht bleiben. Als sich Mose und Elija von Jesus trennen wollen, gibt es die schnelle Aussage des Petrus, dass alles so bleiben solle: ein Wohlfühl - Gefühl der Jünger, die noch nicht wissen, was auf sie zukommt. Wir bauen hier erst einmal Hütten und schaffen so eine Beheimatung. Dann wissen wir, wo wir hingehören. So könnten ihre Gedanken gewesen sein.


Aber die Geschichte geht weiter. Wieder Wolken und Dunkelheit und Angst. Doch da ist eine Stimme, die Klarheit schafft. Sie offenbart Jesus als den Sohn Gottes und prägt im "Normallicht" des Alltags ihre Beziehung zu Jesus: "Auf ihn sollt ihr hören!" Sie werden dieses Erlebnis im Herzen bewahren. Sie werden es brauchen, um Kreuz und Auferstehung zu verstehen und davon Zeugnis geben zu können.


Gott knüpft seine Offenbarung an Menschen, die uns dann Zeugen sind.


Gilt das nur für die biblische Zeit? Das glaube ich nicht. Dieses Handeln Gottes gilt für immer: Menschen begegnen Gott und werden zu seinen Verkündern. Und dies geschieht nicht nur in Worten sondern wird zum Zeugnis des Lebens.


Ein Beispiel dafür ist die heilige Elisabeth von Thüringen, deren Gedenken uns Christen in diesem Jahr, dem 800. Jahr ihrer Geburt - begleitet. Deshalb:



3. Die Offenbarung Gottes als Liebe zu den Menschen:

Elisabeth von Thüringen


Elisabeth begegnet Gott in den Armen, Kranken und Verlassenen. Sie sind gleichsam das Licht, das sie Jesus erkennen lässt. Im Angesicht von Menschen sieht sie Jesus selbst. In denen, für die sie sorgt, blickt sie Jesus an.


Die Orte ihrer Gotteserkenntnis, ihrer Begegnung mit ihm, ihr Berg der Verklärung, der Jesus im Licht verklären lässt, das sind die unwirtlichen Behausungen der Armen, das sind die Orte "draußen vor der Tür" (Borchert). Unter allen Verhüllungen des Menschen, allen Verfremdungen, Entstellungen durch Krankheit und Not erblickt sie den Menschen als Ebenbild Gottes und damit als liebenswert. An ihr lässt sich die philosophische Erkenntnis der Würde des Menschen in konkretem Handeln ablesen.


Träumt Elisabeth von Gott? Nimmt sie denn die Realität wahr? Kann sie wirklich etwas bewirken, etwas ändern im Bewusstsein der Menschen? Das sind alles sehr vernünftige Fragen. Aber Vernunft stößt bei Elisabeth an Grenzen. Denn eigentlich handelt sie nach menschlichem Verständnis sehr unvernünftig. Aber sie handelt aus Liebe. Diese unvernünftige Liebe ist bei ihr die konkrete Ü;bersetzung von Glaube.


Ja, das ist Glaube: Bei Abraham wurde Glaube, der im Ungewissen bleibt und doch an Gott festhält zur Existenzgrundlage eines ganzen Volkes.

Bei den Jüngern wurde der Glaube aus der Begegnung mit Jesus zum Fundament der Kirche.

Bei Elisabeth finden wir einen Glauben, der zum Maßstab und damit zum Kriterium christlichen Lebens wurde.


Die Eingangssätze: "Ich verstehe das nicht!" "Ich verstehe dich nicht." werden in unserer Beziehung zu Gott nie eine letzte Lösung erfahren. Aber der Weg aus dem Unverständnis hinaus hat zumindest eine Richtung: Die Begegnung mit Gott, der sich Menschen offenbart. Eine Begegnung, die Angst und neues Unverständnis hervorrufen kann. Die uns aber zum Glauben und wachsenden Vertrauen in den sich Menschen zuwendenden Gott führen kann. Dahin könnte auch ich denken!



Predigtreihe zur Fastenzeit: Mit den Augen Gottes sehen lernen