Glauben anbieten durch Wort und Tat

Predigt von Bischof Neymeyr bei der Bistumswallfahrt am 16. September 2018

Bild: Hartmut Schwarzbach | missio

In diesem Jahr ist die jährliche Wallfahrt des Bistums Erfurt verbunden mit der bundesweiten Eröffnung des Monats der Weltmission. Wir begrüßen ganz besonders Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien aus der Kirche in Äthiopien, dem diesjährigen Beispielland zum Monat der Weltmission, und wir begrüßen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des katholischen Hilfswerks Missio.

Der Begriff „Mission“ weckt bei vielen Menschen Vorstellungen, die in die Irre führen. Menschen, die mit Religion nichts anfangen können – manche sind vielleicht zufällig hier auf dem Domplatz oder haben das MDR-Fernsehen eingeschaltet – verbinden mit dem Begriff „Mission“ Bevormundung und ideologische Indoktrination. Nicht wenige verbinden dies mit Erfahrungen unter der Diktatur der SED. Der Begriff „Mission“ verbindet sich für sie mit der Befürchtung, die Kirchen wollten ihnen mit politischer Macht oder raffinierten Werbestrategien ihren Glauben aufdrängen. Das wollen wir als Christen heute nicht – oder auch nicht mehr. Wir wollen unseren Glauben anbieten und ins Gespräch bringen, nicht nur durch Worte, sondern auch durch Taten. Wir sind dankbar für die caritativen Einrichtungen, die Kindergärten und  die Schulen, die wir betreiben können. Wir lassen uns durch unseren Glauben immer wieder zum Engagement für unsere Mitmenschen motivieren und wir suchen den Dialog. Ich bin sehr froh, dass es an der Erfurter Universität eine Katholisch-Theologische Fakultät gibt, die sich als kompetenter Gesprächspartner in die Universität und in die Gesellschaft einbringt, genauso wie das Katholische Forum, die Akademie unseres Bistums. So verstehen und praktizieren wir heute „Mission“.

Dieses Glaubenszeugnis der Kirche wird verdunkelt durch jede Sünde, in ganz extremen Maß durch den sexuellen Missbrauch von Priestern an Kindern und Jugendlichen. Sie haben gewiss von der Studie gehört, die die Deutsche Bischofskonferenz in Auftrag gegeben hat und deren Inhalte durch Indiskretion vorzeitig veröffentlicht wurden. Wir Bischöfe wollten nichts geheim halten. Im Gegenteil: Wir wollen wissen, was in den Jahren zwischen 1946 und 2014 geschehen ist. Das Ergebnis ist erschütternd. Tausende von Kindern und Jugendlichen waren in unserer Kirche von sexuellem Missbrauch betroffen. Die Verantwortlichen und die Bischöfe haben den Betroffenen oft nicht geglaubt und damit ihr Leiden vervielfacht. Die hellen Seiten unserer Kirche werden dadurch in den Schatten gestellt, und alle müssen mithelfen, den „Sauerteig der Sünde wegzuschaffen“, wie der Apostel Paulus sagt (1 Kor 5,7): durch verständnisvolle Hilfe für die Betroffenen, durch kritische Sicht auf Strukturen und Mentalitäten unserer Kirche und durch wirkungsvolle Präventionsmaßnahmen. Das schulden wir den Betroffenen und dafür setze ich mich ein.

Auch von Christen kann das Wort „Mission“ missverstanden werden. „Mission“ meint im allgemeinen Sprachgebrach einen sachlich und zeitlich begrenzten Auftrag. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hatte im Sommer die „Mission 5. Stern“. Diese Mission wurde vertagt. Unsere Aufgabe, den Glauben den Menschen anzubieten, lässt sich aber nicht auf bestimmte Aktionen oder Leuchtturm-Projekte begrenzen, es ist eine bleibende und durchgängige Herausforderung für alle in der Kirche. Mission ist nicht nur eine Aufgabe, die wir zu bestimmten Zeiten oder als vorübergehende Aufgabe unter anderen erfüllen, sondern Kirche ist Mission. Jede kirchliche Gemeinschaft darf den Glauben nicht nur für sich feiern und sich an der Gemeinschaft mit dem Dreifaltigen Gott erfreuen, sondern sie muss sich immer öffnen für ihre Mitmenschen. Dazu braucht es nicht nur einen überzeugten Glauben, sondern auch Freude am Glauben. „Gott ist uns Zuflucht und Stärke.“ Das Thema unserer Wallfahrt bestärkt uns darin. Der auferstandene Herr Jesus Christus geht mit uns durch das Leben. Er stärkt uns, seinen Weisungen zu folgen. Auch in den schlimmsten Situationen unseres Lebens haben wir bei Gott eine Zuflucht. Wir glauben an die Auferstehung der Toten und das ewige Leben. Paulus fragt triumphierend: „Tod, wo ist dein Stachel?“ (1 Kor 15,55) Wir feiern unseren Glauben in wunderschönen Kirchen und beeindruckenden Riten. In allen Sakramenten – außer dem Sakrament der Eucharistie – wird der Einzelne im Wort und im Zeichen von Gott angesprochen. Zugleich ist die katholische Kirche eine weltumspannende Organisation, in der für Nationalismus und Rassismus kein Platz ist. Wir haben allen Grund, uns immer wieder einmal zu sagen: „Was haben wir für eine schöne Religion!“ Und zugleich anderen zu sagen: „Du verpasst etwas, wenn du sie nicht kennenlernst.“

Für Christen gibt es noch ein weiteres Missverständnis im Gebrauch des Wortes „Mission“. Es ist das Missverständnis, die Missionsländer seien anderswo. Wir hier im Osten Deutschlands sind uns bewusst, dass wir mit vielen Menschen zusammenleben, für die Religion keine Bedeutung hat. In Thüringen sind dies etwa 70 Prozent unserer Mitmenschen. Dies macht uns besonders sensibel für unsere Mitchristen in aller Welt, die ihren Glauben nicht wie wir frei leben und anderen anbieten können. In 128 Ländern der Erde werden Christen bedrängt und verfolgt. Sie sind Opfer von Gewalt, staatlicher Unterdrückung oder gesellschaftlichen Anfeindungen. Ursache ist meist der politische Missbrauch von Religion. Aber die Äthiopier kennen auch die Unterdrückung durch eine sozialistische Diktatur in den Jahren 1974-1991. Auch heute kommt es in Äthiopien zu Übergriffen gegenüber Christen. Dennoch hat die römisch-katholische Kirche, der nur weniger als 1 Prozent der Bevölkerung angehört, ein hohes Ansehen in der Gesellschaft. In politisch unruhigen Zeiten kann sie sich in verschiedenen Gegenden umfassend für die Lösung von Konflikten einsetzen. Davon berichten unsere Gäste aus Äthiopien. Wir freuen uns, dass wir bei der diesjährigen Bistumswallfahrt durch die Eröffnung der Missio-Aktion ein Zeichen der Verbundenheit mit der Kirche in Äthiopien setzen können und neu ermutigt werden, unseren Glauben anderen anzubieten.

Lassen Sie mich diesen Auftrag, diese „Mission“ ganz konkret machen: Viele von Ihnen sind Taufpaten. Bei der Taufe haben Sie den Auftrag angenommen, mitzuhelfen, dass aus dem Kind ein guter Christ wird. Auch wenn der Täufling mittlerweile ein Jugendlicher oder ein Erwachsener ist, scheuen Sie sich nicht, ihn auf sein Christsein anzusprechen und Ihren Glauben zu bezeugen. Sie können ja sagen: Der Bischof hat mich an meine „Mission Pate“ erinnert.