Gemeinsame Wurzeln entdecken

Statement des Bischofs Ulrich Neymeyr zum „Unesco-Welterbe-Titel“ für die Stadt Erfurt

Bischof Ulrich Neymeyr bei der Zeremonie des Schreibens des ersten Buchstabens einer neuen Tora-Rolle am 23.10.2019 in der Neuen Synagoge in Erfurt. Foto: Peter Weidemann, in pfarrbriefservice.de

„Ich freue mich sehr, dass das jüdisch-mittelalterliche Erbe unserer Landeshauptstadt in die Liste des Unesco-Welterbes aufgenommen wurde. Alles andere hätte mich auch überrascht – und das ist mehr als Lokalpatriotismus! Schließlich handelt es sich im Fall Erfurts um äußerst bedeutende mittelalterliche Denkmäler der jüdischen Kultur in Europa. Die Erfurter Mikwe gilt unter den wenigen erhaltenen Ritualbädern des Mittelalters sogar als einzigartig.

Mein herzlicher Dank gilt darum allen Beteiligten innerhalb und außerhalb Erfurts, die sich für diesen Welterbe-Titel starkgemacht haben. Es hat sich gelohnt, und wir dürfen als Erfurter und Thüringer durchaus stolz sein. Das auch, weil mit dem Erfurter Titel erst zum zweiten Mal jüdisches Welterbe in Deutschland von der Unesco gewürdigt wird.

Ich hoffe, dass sich auch unsere jüdischen Mitbürgerinnen und -bürger freuen können. Sie haben zunehmend Grund zur Sorge. Die als Welterbe ausgezeichneten Denkmäler bezeugen zwar eine Blütezeit jüdischen Lebens in Erfurt. Auch das Thüringer Themenjahr 2021 „Neun Jahrhunderte jüdisches Leben in Thüringen“ hat deutlich gemacht, welchen bedeutenden Anteil Jüdinnen und Juden immer schon in unserer Geschichte, Wissenschaft und Kultur hatten. Aber das Verhältnis zum Judentum war in der Vergangenheit nie frei von Ablehnung, Diskriminierung und Gewalt – wir Christen hatten unseren Anteil daran – bis hin zur Vernichtung im Rassenwahn des Nationalsozialismus´.

Es treibt mich um und sorgt mich stark, dass noch immer Menschen unter uns leben, die ihren Antisemitismus pflegen und sogar Gewalt gegenüber Jüdinnen und Juden üben. Jüdinnen und Juden können immer noch nicht unbesorgt in Deutschland leben, und es sieht so aus, als würden sie es immer weniger können. Das ist ein Skandal! Dagegen vorzugehen und die gemeinsamen Wurzeln zu entdecken, die Juden und Nichtjuden verbinden, ist auch eine Verpflichtung, die sich aus dem Welterbe-Titel ergibt.“

 

Am Sonntagnachmittag (17. September 2023) gab die Unesco bekannt, dass Erfurt ab sofort in die Liste des Weltkulturerbe aufgenommen wird. Damit betonte das Komitee die Besonderheit des jüdisch-mittelalterlichen Erbes der Stadt. Die Alte Synagoge, die Mikwe (ein mittelalterliches Ritualbad) und das sogenannte Steinerne Hausein (ein historisches Wohngebäude) bilden damit die 52. Welterbestätte in Deutschland.

Weitere Informtionen zum Welterbetitel finden Sie hier (bitte anklicken).