Ansprache von Bischof Dr. Joachim Wanke
beim Jahrespresseempfang des Bistums Erfurt in der Bildungsstätte St. Martin, Erfurt, am 9. Juni 2005
Niemand Geringerer als Papst Johannes Paul II. hat die Jugend der Welt aufgefordert, Baumeister einer Zivilisation der Liebe und Gerechtigkeit zu sein. Junge Menschen lassen sich für einen solchen Auftrag begeistern. Das zeigen nicht zuletzt die Weltjugendtage, auch der im August stattfindende, zu dem Papst Benedikt XVI. nach Deutschland reist.
Freilich gilt der Aufruf des Papstes auch uns Erwachsenen und besonders jenen, die Verantwortung in und für die Gesellschaft übernommen haben. Unter diesem Aspekt bitte ich die folgenden Anmerkungen zu einigen Entwicklungen in Deutschland und der Welt zu verstehen.
I.
Zur möglichen Neuwahl des Deutschen Bundestages
Die Möglichkeit einer Neuwahl des Bundestages hat alle Parteien geradezu beflügelt und wird von vielen als Lösungsansatz aller anstehenden Probleme gesehen.
Das mittlerweile eingetretene Gezänk innerhalb der Parteien, was man, zu welchem Zeitpunkt, wie und in welchem Ausmaß, unter Berücksichtigung der verschiedensten Bevölkerungs- und Interessengruppen und unter dem Eindruck der nationalen wie internationalen wirtschaftlichen Entwicklung sowie vor dem Hintergrund einer allumfassenden Globalisierung den Wählern sagen kann, darf, müsste, dämpft ein wenig die Hoffnung auf Besserung.
Als Nichtpolitiker scheinen mir folgende Grundsätze wichtig:
- Wahrheit statt Taktik
Die Bevölkerung ist weniger an den Erfolgen der Parteien interessiert als daran, wie es im Land und mit jedem einzelnen weitergeht. Darum ist es nicht entscheidend, dass einer Macht hat, sondern was er mit Macht macht! Darüber sollten die Parteien Auskunft geben: welche Zukunft sie den Menschen und mit welchen gemeinsamen Anstrengungen eröffnen wollen.
- Themen statt Köpfe
Die Personalisierung von Wahlkämpfen hat sich in den letzten Jahren verstärkt. Themen- und Sachorientierung drohen so auf der Strecke zu bleiben. Wer schon auf Köpfe setzt, sollte das betonen, was sie hervorbringen, und nicht, welchen Charme sie ausstrahlen.
- Weiter mit den Reformen!
Eine sozialverträgliche Fortführung der Reformen ist eine berechtigte Erwartung. Es lohnt - nicht nur im Wahlkampf - der Streit darüber, wie dies geschehen kann, damit der Mensch in allem den Vorrang hat. Kapital, Aktiendividenden, Großfusionen und Erweiterungen von Firmen und Konzernen u.a.m., können nicht grundsätzlich in Frage gestellt werden, sie bleiben aber immer nachrangig und sind kein Wert in sich.
II.
Finanzielle Schwerpunkte setzen in Zeiten knapper Kassen
Keine neue Nachricht: Das Geld ist knapp. Die Handlungsmöglichkeiten verändern sich aufgrund der schwierigen finanziellen Situation allerorten.
Was für den Bund gilt, gilt in gleicher Weise für den Freistaat Thüringen und seine Kommunen wie auch für die Kirchen. Die finanziellen Spielräume sind nicht mehr so wie früher gegeben, wollen aber nach wie vor genutzt - und gestaltet werden!
Wer über wenig Geld verfügt, muss sorgfältig planen, wofür er es ausgeben will. Das hat nicht nur ökonomische Gründe. Veränderungen im sozialen Bereich, neue Armut und die dürftige Lage des Arbeitsmarktes kann niemand bezweifeln. Sie müssen bei der Finanzplanung berücksichtigt werden, um nicht noch zusätzliche Nöte für Betroffene zu provozieren.
Bildung und Soziales gehören zu den Kernaufgaben des Staates, der sich freier Träger bedient, um seine Aufgaben erledigen zu können. Es bedarf daher finanzieller Schwerpunktsetzungen seitens des Staates, die die finanziellen Spielräume freier Träger ausweisen, sichern und in Kernbereichen vielleicht sogar ausweiten.
- In diesem Zusammenhang: Es ist positiv zu vermerken, dass gegenwärtig die Gespräche zwischen Land und Kirche von dem Bemühen um Offenheit, Berechenbarkeit und Planungssicherheit gekennzeichnet sind. -
Die erwähnten Schwerpunkte sollten nicht nur finanztechnisch begründet werden, sondern erkennen lassen, welche "Werte" hinter diesen Entscheidungen stehen und warum sie für die Gesellschaft und ihre Menschen unaufgebbar sind. Solche "Wertebindung" stärkt auch die Bereitschaft der Menschen, einschneidende Reformen mitzutragen. Wer nicht fördert, kann nicht fordern!
III.
Europa und seine Verfassung
Es ist bedauerlich, dass der europäische Verfassungsvertrag nicht wie geplant ratifiziert werden kann. Auch wenn die Kirchen den fehlenden Gottesbezug in der Präambel kritisiert haben, wollten doch die katholischen Bischöfe Deutschlands und die Konferenz der katholischen Bischofskonferenzen für Europa den Verfassungsvertrag ratifiziert sehen.
Leider bleibt so die Grundrechtecharta, wie in der Verfassung formuliert, nur politisch bindend und wird nicht rechtsverbindlich und einklagbar.
Und was den Status der Kirchen in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union betrifft, gilt nach wie vor die Erklärung zum Vertrag von Amsterdam: Es ist politisch bindend, aber ohne unmittelbare juristische Bindekraft, dass die EU den Status achtet, den die Kirchen in den Mitgliedsstaaten nach deren Rechtsvorschriften genießen.
Ohne ein Inkrafttreten des Verfassungsvertrages entsteht keine rechtliche Grundlage für einen regelmäßigen Dialog der Union mit den Kirchen in Anerkennung ihrer Identität und ihres besonderen Beitrages.
IV.
Klonen: Die "Kritik" der Kritiker
Als im Januar 2002 im Deutschen Bundestag eine Mehrheit für den Import von embryonalen Stammzellen unter strengen Auflagen gestimmt hatte, sagte ich in meiner Stellungnahme: "Meine Sorge ist, dass das künftige Gesetz nicht ein Schlusspunkt, sondern der Beginn weiter reichender Forderungen von Politikern und Forschern ist. Auf keinen Fall darf es dazu kommen, das unter dem Vorwand der Forschungsfreiheit das Embryonenschutzgesetz ausgehebelt wird." (30.1.2002)
Wir sind auf dem Weg, die befürchtete Entwicklung zu forcieren.
Aber das soll heute nicht Thema sein. Es ist vermutlich hinlänglich bekannt, dass die katholische Kirche die verbrauchende Embryonenforschung ablehnt, weil dabei menschliches Leben instrumentalisiert und zerstört wird.
Und damit sind wir bei dem Problem, das ich ansprechen möchte.
Die Debatte um den Stammzellenimport wurde vor dem Januar 2002 und an diesem Tag auf einem hohen Niveau geführt, wo jede Stimme gehört und in die Auseinandersetzung miteinbezogen wurde. Das gilt für das Parlament ebenso wie für die Medien, denen man dafür nicht genug danken kann.
Was aber liest man nach den Klon-Erfolgen in Korea? Da ist in einem Beitrag "von biopolitischen Hardlinern im Bundestag" die Rede, die angeblich die Schwerpunktbildung bei der Erforschung ethisch unbedenklicher adulter Stammzellen "verordnet" hätten, was als "Fehlentscheidung" bewertet wird. Da wird die "Bedenkenträgerei" Älterer genannt, der Jüngere immer weniger abgewinnen könnten. Und in einer Partei würden die "Blockierer" dominieren, weil man gegen das Therapeutische Klonen sei (Online-Ausgabe der Zeit 22/2005, Beitrag von Ulrich Bahnsen und Urs Willmann).
Es liegt mir fern, eine globale Medienschelte zu betreiben. Das wäre höchst ungerecht. Aber wenn ein solcher Stil Schule macht und Gegner des Forschungs- und reproduktiven Klonens derart verächtlich in die Ecke des Rückständigen und der Fortschrittsfeindlichkeit gerückt werden, sehe ich höchst unmenschliche Zeiten auf uns zukommen.
Dabei nehme ich durchaus so etwas wie ein journalistisches Dilemma wahr: Was in Korea und danach in Großbritannien geschehen und bekannt geworden ist, sind wirkliche News, schlagzeilenträchtig, weil vorher nicht dagewesen. Dagegen wirken die grundsätzlichen Bedenken gegen solche Forschungsrichtungen wie ein alter Hut - seit Jahren schon bekannt und immer wieder geäußert.
Das freilich ändert nichts daran, dass diese Bedenken berechtigt sein können und berücksichtigt werden sollten - auch wenn man sie nicht ständig in neuem Gewand oder als Event präsentieren kann. Werden sie dagegen, in der Sachdiskussion wie in der Berichterstattung darüber, als veraltet abgetan, verengt sich das Meinungsspektrum. Die Medien sollten - und wollen doch auch - aus Gründen der Objektivität möglichst viele Stimmen zu Gehör bringen. Wie anders könnten sie zur Information und Meinungsbildung ihrer Hörer, Leser und Zuschauer beitragen?! Gerade weil den Medien hier eine Schlüsselstellung zukommt, erlaube ich mir, an diesen Auftrag zu erinnern.
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