Predigt über Mt 8,5-17
Freunde sehen manchmal mehr als wir selbst! "Weißt du eigentlich, wie schön euer Thüringer Wald ist?" Das sagte mir vor einigen Jahren der inzwischen verstorbene Erzbischof von Paderborn, Kardinal Degenhardt. Ich hatte ihm einen Urlaubsplatz in der Nähe des Rennsteigs besorgt. Ein Außenstehender sieht manchmal mehr als wir selbst!
Oder wenn ich mit Gästen am Abend vor dem beleuchteten Domberg in Erfurt stehe: "Was habt ihr da für einen prächtigen Schatz!" Ich sehe an Dom und St. Severi meist die Bauprobleme - die Fremden sehen das Eigentliche!
Der heidnische Offizier war solch ein Fremder, ein Außenstehender. Er erkennt, worauf es ankommt. Darum hat ihn Jesus gelobt!
Die christliche Gemeinde fand das so verwunderlich, dass sie diese Geschichte in ihrem Gedächtnis behielt - ja, diese Geschichte kam in das Evangelium. Der Heide - ein Außenstehender - der Religionsfremde: Er erfasst, worum es geht: um das unbegrenzte Vertrauen in Gott. Dieses Vertrauen bringt er Jesus entgegen: "Sprich nur ein Wort, dann wird mein Diener gesund!"
Da ist selbst Jesus verwundert. "Einen solchen Glauben habe ich in Israel noch bei niemand gefunden." Der heidnische Offizier - ein Reich-Gottes-Anwärter! Einer der verstanden hat, worum es Jesus geht: in Gott unbegrenztes Vertrauen zu setzen. "Vater, dir ist alles möglich!" so betet Jesus selbst. Einem verständigen, jüdischen Schriftgelehrten kann er sagen: "Amen - Du bist nicht fern vom Reiche Gottes!" Das hätte Jesus auch diesem Heiden sagen können. Der Fremde, der Außenstehende - ein Vorbild für die Nachfolger Jesu.
Das ist eine erstaunliche Geschichte! Ich möchte sie einmal mit uns und unserer Caritas-Arbeit in Beziehung setzen. Drei Ü;berlegungen:
1. Es gibt mehr Reich-Gottes-Anwärter als wir denken!
Sie kommen in Ihrer konkreten Arbeit mit vielen Menschen zusammen, mit Christen und oftmals noch mehr mit Nicht-Christen. Es wird Ihnen und Ihrer Arbeit großes Vertrauen entgegengebracht. Die Menschen erwarten viel von Ihnen. Sie werden sagen: zu viel! Die Menschen sehnen sich nach Geborgenheit, nach Annahme, nach Menschlichkeit. "Können Sie uns helfen?" Vielleicht sind Sie manchmal selbst erstaunt, wieviel Vertrauen der Caritas entgegengebracht wird - als ob Sie Wunder wirken könnten.
Wer um Hilfe bittet, gibt zu, dass er hilfsbedürftig ist. Wer im Beratungsdienst tätig ist, weiß: Der erste Schritt zur Heilung ist das Eingeständnis, allein nicht zurechtzukommen.
Ihnen, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Caritas, begegnen Menschen, die potentielle Reich-Gottes-Anwärter sind. Oftmals sind es Menschen, die vom Leben "gebeutelt" sind, die um ihre Schwachheit wissen, die sich allen falschen Stolz abgeschminkt haben. "Können Sie mir helfen? "Die Nachfrage nach Ihren Dienstleistungen und Angeboten im sozialen Bereich zeigt: Menschen suchen nach Annahme, nach Hilfe, nach Heilung. Caritas-Arbeit ist Reich-Gottes-Arbeit. Sie begleitet Menschen, die alles falsche Selbstvertrauen abgelegt haben und die, ohne es vielleicht selbst zu wissen, auf der Suche sind nach dem, der für immer heilen und retten kann.
Unsere Geschichte vom heidnischen Hauptmann, der von Jesus gelobt wird, sagt mir ein Zweites:
2. Auch vorläufige, gleichsam nur "Erste Hilfe" ist echte Hilfe zu neuem Lebens- und Glaubensmut.
Sie werden manchmal etwas frustriert sagen: "Was können wir schon helfen?" Gerade in Zeiten knapper werdender Kassen - wieviel Nöte gibt es - und wir können oft nur eine kleine, begrenzte Hilfe geben!
Nochmals: Auch Erste Hilfe ist echte Hilfe! Sie stärkt das Vertrauen, nicht allein gelassen zu werden. Ein Verletzter kann bei einem Autounfall am Straßenrand meist nur provisorisch versorgt werden. Aber er weiß: Man kümmert sich um mich! Ich bin nicht vergessen!
Jesus hat sich nicht allen Kranken zuwenden können. Er hat auch die sozialen Probleme seiner Zeit nicht aus der Welt schaffen können. Aber er hat beispielhaft gehandelt. Er sagt uns: "Erweist einander Hilfe, damit dadurch das Vertrauen gestärkt wird auf den Helfer, der wirklich die Nöte, auch die Sünde, auch den Tod überwinden kann."
Ich sage es so: Durch Ihre konkrete Caritas-Arbeit werden Glaubens- und Hoffnungskräfte bei den Menschen geweckt. Vielleicht war es die spontane Bereitschaft Jesu, in das Haus des Hauptmanns zu kommen, die dann dessen Vertrauen derart hat wachsen lassen, dass er sich ganz und radikal Jesus anvertraute. Der erste Schritt, mit dem wir einem Bittenden entgegenkommen, kann Wunder bewirken. Denken wir darum auch von jener Hilfe groß, die manchmal nur wie eine Notversorgung aussieht. Auch Erste Hilfe ist echte Hilfe - ja, sie kann der Anfang einer wirklichen Heilung werden, einer Heilung des Leibes und der Seele!
Und ein Drittes sagt mir unser heutiges Evangelium:
3. Jedes Danke, dass Sie hören, ist ein verborgenes Danke an Gott!
Es gehört wohl zu den schönsten Erfahrungen Ihrer Tätigkeit, dass Sie hin und wieder die Dankbarkeit von Menschen erfahren können. Selbst ich, der ich persönlich nicht im Katholischen Krankenhaus Erfurt die Patienten behandle oder pflege, bekomme ab und zu einen Dankesbrief für die im Krankenhaus erfahrene Zuwendung. (Das tröstet mich und den Geschäftsführer über manchen anderen Ärger hinweg!)
Manchmal frage ich mich, was christliches Handeln - auch im Bereich der Diakonie und Caritas - von dem unterscheidet, was Nichtchristen tun. Wollen nicht beide dem Menschen dienen und für ihn dasein?
Ich meine: Das konkrete Werk der Nächstenliebe wird dadurch christlich, dass es aus der Haltung des Dankes erwächst und zum Danken anstiften möchte.
In den Verbänden der LIGA sind viele Menschen hochengagiert sozial tätig - Christen wie Nichtchristen, Glaubende wie Agnostiker oder gar ausdrückliche Atheisten. Caritasarbeiter dürfen dankbar sein für so viele Koalitionäre im sozialen Einsatz. Aber sie sollen auch wissen:
Dort, wo aus einer Zuwendung zu einem Mitmenschen in Not ein Danke entsteht -
dort, wo Menschen durch konkrete Hilfe, und mag sie noch so bruchstückhaft und begrenzt sein, wieder lernen, sich "verdankt" zu wissen -
dort wird Gott gelobt!
Ein echtes Danke, aus dem tiefsten Grund des Menschenherzens, auch von einem vermeintlichen Atheisten gesprochen, ist immer ein Gebet!
Und wenn Sie selbst als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Caritas Ihren Dienst verstehen - natürlich auch als Broterwerb, aber eben darüber hinaus auch - als Antwort auf das, was Gott uns als Leben in Jesus Christus geschenkt hat, dann wird auch aus Ihrem konkreten Dienst - "Gottesdienst"! Und gerade auch dann, wenn Sie kein Danke auf Ihren Einsatz von denen hören, um die Sie sich mühen: Sagen Sie dann: "Gott - sei gelobt dafür, dass du mir Kraft gibst, für diesen Menschen da zu sein!" Dann gilt auch Ihnen das Lob und die Anerkennung Jesu wie damals dem heidnischen Hauptmann.
Ja, das sollten wir bedenken: Manche Heiden werden zu unserer Verwunderung mit Abraham, Isaak und Jakob im Reich Gottes zu Tische sitzen - und Kirchensteuer zahlende Christen bleiben ausgeschlossen, weil sie selbst nicht gelernt haben, mit ihrem ganzen Leben Gott zu danken, weil sie nicht darauf vertrauen, dass sie durch ihre Liebe zum Nächsten in jedem Menschen die Kraft zum Danken wecken können.
Lassen wir uns von diesem heidnischen Offizier anstecken in dem grenzenlosen Vertrauen, zu dem uns unser katholischer Glaube ermuntert:
- Es gibt mehr Reich-Gottes-Anwärter als wir denken! Auch hier in Thüringen!
- Auch "Erste Hilfe", also vorläufige Hilfe, ist Stärkung im Vertrauen auf letzte Heilung und Rettung. Denken wir groß von unserem Caritas-Dienst!
- Jeder Dank - auch der, den wir ab und zu hören dürfen - ist ein verborgener Dank an Gott. Leiten wir das noch nicht religiös gemeinte Danken unserer kirchenfernen Zeitgenossen weiter - hin zu Gott, damit er verherrlicht werde als Quelle, aus der uns allen Heil und Leben kommt.
Ich sehe jetzt hier im Kirchenraum nicht nur Euch, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Gleich, wenn das große Dankgebet der Kirche anhebt, sehe ich neben Euch die vielen, denen Ihr dient. Diese können oder wollen nicht beten - aber sie nehmen dankbar Euren Dienst an, ja - sie suchen ihn. Gebt ihnen zu erkennen, das Ihr sie alle in Euer Beten und Danken mit hineinnehmt. Und darum ist es gut, dass unser Kongress hier in der Kirche anfängt. Es ist wichtig, dass vor dem Diskutieren und Problematisieren das Danken kommt.
Amen.
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