Elisabeth bewegt - zur Barmherzigkeit

Hirtenbrief zur österlichen Bußzeit 2007


Liebe Schwestern und Brüder im Herrn!


Vor Ihnen liegt beim Hören des diesjährigen Hirtenbriefes zur Fastenzeit ein Faltblatt mit der Ü;berschrift: Sei barmherzig - wie der Vater im Himmel. Diese Einladung ist ein Wort Jesu und findet sich in der Bergpredigt. So barmherzig werden zu können - wie Gott selbst: Ist das überhaupt möglich, Gott in seiner Vollkommenheit irgendwie ähnlich zu werden, und sei es auch nur annäherungsweise? Jesus war offensichtlich dieser Meinung. Und Elisabeth von Thüringen, unsere Bistumspatronin, war es auch.


Wir feiern in diesem Jahr ihren Geburtstag vor 800 Jahren. Dabei geht es uns nicht um das historische Gedenken. Es geht uns um das, was diese große Frau damals bewegte - und was auch heute so aktuell ist wie im 13. Jahrhundert. Es geht um das Anliegen, barmherzig zu sein, barmherziger zu werden.


Wenn Sie in dem Faltblatt ein wenig blättern, da sehen Sie: Jeweils über den bunten Domfenster-Bildern steht eine kleine, begründende Fortsetzung der Ü;berschrift des Faltblattes.



Sei barmherzig wie der Vater im Himmel...


Warum?


 

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... weil ER es mit dir ist!

Wir leben alle vom Erbarmen Gottes. Wenn Gott nur gerecht mit uns umginge, würden wir alle vor ihm nicht bestehen können. Das Bild zeigt den Auferstandenen, wie er Adam und Eva aus dem Schuldgefängnis in die Freiheit herausführt. Gott hat sich in Christus unser aller erbarmt. Mit Ostern ist die Welt neu geworden. Auch ich bin in meinem persönlichen Ostern, in der Taufe, ein neuer Mensch geworden, dem Sünde und Tod nichts mehr anhaben können.


Es ist gut zu wissen, dass Gott mit uns nicht nach dem Grundsatz verfährt: Wie du mir, so ich dir. Es macht uns Gott ähnlich, wenn wir auch aneinander österlich handeln und uns nicht kleinkariert gegenseitig die Schuld hochrechnen. Wenn es dir schwer fällt barmherzig zu sein, denke daran, was du selbst von Gott empfangen hast.


Zwei Seiten weitergeblättert lesen wir auf der Seite oben eine weitere Begründung für Barmherzigkeit:




... so folgst du SEINER Spur,

der Spur Christi. Das ist ein Wort aus dem 1. Petrusbrief, das mir persönlich sehr wichtig ist. Ich habe es deshalb als meinen bischöflichen Wahlspruch gewählt: den Spuren Christi folgen. Als barmherzige Menschen bleiben wir in der Spur Christi. Das ist sehr beruhigend zu wissen. Was mich zur Barmherzigkeit ruft, ruft mich zu Christus, macht mich ihm ähnlich. Das Bild der Fußwaschung illustriert diese Begründung. Waschen wir einander mehr die Füße als den Kopf!



Wieder weitergeblättert lesen wir über dem nächsten farbigen Bild:



... so bist du GOTT nahe.

Das wunderschöne Motiv aus den Domfenstern - der Lieblingsjünger an der Brust des Herrn - zeigt, worum es geht: Barmherzigkeit verbindet uns ganz innig mit Jesus. Sie ist geistliche Kommunion, mit der eucharistischen Kommunion vergleichbar. Darum die geistliche Regel, vom hl. Vinzenz seinen Schwestern mit auf den Weg gegeben: Wer um eines Kranken willen den Gottesdienst versäumen muss, ist dennoch dem Herrn nahe! Das ist tröstlich gerade für ängstliche und skrupulöse Gemüter, die meinen, nicht fromm genug zu sein oder die denken, ihr ganzes religiöses Leben sei nichts wert. Wie sagt es die Heilige Schrift? "Wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott, und Gott bleibt in ihm" (1 Joh 4,16). Dienst am Nächsten in der Gesinnung Jesu ist immer auch Gottesdienst.


Ü;ber dem nächsten Domfenster-Bild lesen wir:


... damit die Hoffnung nicht stirbt.

Bekannt ist aus dem Alten Testament die Geschichte von Josef in Ägypten. Dort wird von dem Traum des Pharao von den fetten und mageren Kühen und den vollen und leeren Ähren erzählt, den Josef dem Pharao deuten kann. Josef kann den Pharao bewegen, Vorräte anzulegen und die absehbare Hungersnot des Volkes zu lindern. Gott sorgt sich um die Not der Menschen.


Hier zeigt sich eine andere Facette der Barmherzigkeit. Barmherzigkeit eröffnet Zukunft. Sie bewahrt vor mutlosem Aufgeben, vor persönlicher und gesellschaftlicher Resignation. Barmherzigkeit sieht den nächsten, wichtigen Schritt, der jetzt zu tun ist. In unserer Zeit werden oft sehr große Ziele verkündet, wie z. B. Gerechtigkeit für alle. Das klingt sehr gut, aber ist doch wenig realistisch. Da braucht es dringend diese kluge Barmherzigkeit, die sich in ihren Zielen bescheidet, die aber tut, was jetzt möglich und notwendig ist.



Beim nächsten Bild lesen wir eine gewagte 5. Begründung für praktizierte Barmherzigkeit: Sei barmherzig ...


... denn Lieben macht schön.

Jeder möge für sich die Wahrheit dieser Behauptung nachprüfen. Hier geht es nicht um Schönheit, die in Kosmetiksalons fabriziert wird. Aber es gibt ja auch eine andere Schönheit. Man könnte sie eine Schönheit des Herzens nennen, eine Ausstrahlung, die anziehend und liebenswürdig zugleich macht. In diesem Sinne war Elisabeth mit Sicherheit eine große Schönheit.


So betrachtet, gibt es heute im Gottesdienst besonders viele für Gott schöne Menschen! Denn hier sind viele barmherzige Menschen versammelt, und die gefallen Gott besonders.


Und zu guter Letzt ein 6. Motiv für Barmherzigkeit: Sei barmherzig


... weil du es mir wert bist!

Eine Geschichte von Mutter Teresa ist dieser Begründung beigefügt. Ein Besucher habe sie gesehen, wie sie einen Mann pflegte, dessen Körper mit einem übel riechenden Ausschlag behaftet war. Auf seine Äußerung hin, dass er dies nicht für eine Million Dollar tun würde, habe Mutter Teresa geantwortet "Ich auch nicht!"


Und das dazugehörige Bild: Gott schaut dem erschaffenen Adam ins Gesicht. Wir sind es Gott wert - erschaffen zu sein, leben zu dürfen, geliebt zu werden. Wir sollen es einander wert sein, im anderen das Mitgeschöpf zu ehren und zu lieben. Mit dieser Haltung fängt die Erneuerung der Welt an, ja: fängt der Himmel an.


Liebe Schwestern und Brüder,

Barmherzigkeit - ein unerschöpfliches Thema! Aber wir haben auch ein ganzes Jahr Zeit, uns damit zu beschäftigen. Nicht nur der Korb vorn im Altarraum will mit barmherzigen Taten gefüllt sein. Elisabeth ruft zu einer Erneuerung des Herzens: Wage es mit der Barmherzigkeit - sie führt in die Nähe Gottes. Sie macht den Menschen menschlicher.


Wir haben nicht nur ein Jahr lang Gelegenheit, barmherziger zu werden. Wir haben ein Leben lang Zeit dafür, uns in der Haltung und Praxis barmherziger Liebe einzuüben. Am Ende wird allein das zählen.


Elisabeth möchte uns in diesem Jahr zu solcher Gott ähnlichen Barmherzigkeit bewegen. Ich habe im vorderen Teil des Faltblattes dazu eine Anregung gegeben. Dort sind sieben Werke der Barmherzigkeit für Thüringen heute genannt. Menschen in Not haben mich zu dieser Auswahl inspiriert.


Ich bin gewiss: Das eine oder andere Werk ist auch Ihnen möglich. Vermutlich ist der eine oder andere schon in diesem Sinne tätig. Dann freue er sich darüber, wenn er sich in diesen Anregungen wiederfindet. Und wer meint: Barmherzigkeit sei nur etwas für die Caritas - der bekehre sich sofort und auf der Stelle, rufe die heilige Elisabeth um ihren Beistand an und nehme sich fest vor, noch heute etwas Barmherziges zu tun. Die Welt wird dadurch heller werden - und das eigene Herz froher und zuversichtlicher.


Ü;brigens: Das Faltblatt ist zum Mitnehmen und Weitergeben gedacht. Sprechen Sie in der eigenen Familie und mit Ihren Bekannten darüber. Lassen Sie sich so anregen, der hl. Elisabeth demnächst ein Geburtstagsgeschenk in den Gabenkorb am Altar zu legen.


Es segne und behüte Sie alle der gute und barmherzige Gott, der Vater und der Sohn und der Heilige Geist.


Ihr Bischof Joachim Wanke



Der Hirtenbrief wird am ersten Fastensonntag in allen Sonntagsgottesdiensten im Bistum Erfurt verlesen

Was ist ein Hirtenbrief?