Einsatz für Frauen in Not

Bundesverdienstkreuz für Schwester Benedikta, die in Erfurt ein Frauenhaus mit aufgebaut hat

Erfurt (BiP). Rentenreformer sollten Schwester Benedikta besser nicht als Maßstab wählen. Die ging mit 68 Jahren, als andere Frauen ihres Jahrgangs den wohl verdienten Ruhestand genossen, nach Erfurt, um hier ein Haus für Frauen in Not aufzubauen. Das war 1991 und das Frauenhaus ist längst nicht mehr aus der Stadt wegzudenken. Am kommenden Montag, 4. Oktober, überreicht Bundespräsident Horst Köhler in Berlin persönlich das Bundesverdienstkreuz an Schwester Benedikta. "Niemand hat es mehr verdient als sie", sagen diejenigen, die sie kennen. Nur eine erhebt Einspruch, und das ist die Schwester selbst: "Die Auszeichnung gilt nicht mir, sondern der Arbeit unserer Gemeinschaft."


Schwester Benedikta gehört dem Orden "Schwestern vom Guten Hirten" an, der sich besonders um Mädchen und Frauen am gesellschaftlichen Rand kümmert. Als im November 1990 in München eine Versammlung ihrer Ordensprovinz stattfand, sprach sie sich mit anderen Schwestern dafür aus, in die neuen Bundesländer zu gehen. Vier Monate später saßen Schwester Benedikta, ihre Oberin und eine Mitschwester im Erfurter Bischofshaus und boten an, ein Frauenhaus einzurichten. "Anfangs waren die Erfurter ein wenig unsicher. Brauchen wir denn so etwas wie ein Frauenhaus, fragten sie sich. Aber dann bekamen wir doch die gewünschte Unterstützung", erinnert sich Schwester Benedikta. Das Zögern der Kirchenvertreter vor Ort ist ihr verständlich. "Wer konnte denn damals ahnen, was auf die Frauen zukommen würde? Alkoholismus und Gewalt in der Familie gab es natürlich schon in der DDR. Aber die Nöte vieler Frauen und ihrer Familien wurden durch die Arbeitslosigkeit noch einmal verstärkt."


Zu zweit bezog man eine kleine Wohnung, dann machten sich die Schwestern auf die Suche nach einem geeigneten Haus, das sowohl notbedürftige Frauen als auch die Schwestern beherbergen sollte. 1993 konnte ein geeignetes Objekt, welches das Bistum gekauft und saniert hatte, bezogen werden. "In der Zeit nach der Wende gab es lange Wartezeiten für Wohnungen. Das war für Frauen, die von ihrem Mann weg mussten, ein großes Problem. Damals haben wir diesen Frauen vor allem ein Dach über dem Kopf geboten", erzählt Schwester Benedikta von den Anfängen, die sie rückblickend als "anstrengend" bezeichnet.


Es reichte ja nicht, das Haus einzurichten. Die Schwestern mussten auch bei den zuständigen Stellen bekannt werden. "Unser Frauenhaus soll möglichst anonym sein. So kann man Frauen am Besten vor gewalttätigen Männern schützen", erklärt die Schwester. Betroffene Frauen werden daher meist von der Polizei und den Behörden ins Frauenhaus gebracht. "Also habe ich von Anfang an Kontakte ins Rathaus, zum Jugendamt, zur Polizei, zu den Sozialbehörden und den Ministerien geknüpft und uns vorgestellt." Ü;berall sei sie freundlich aufgenommen worden und besonders die Zusammenarbeit mit Caritas und Diakonie stünde nach wie vor unter einem guten Stern.


Fünf Zimmer mit zehn Betten stehen im Frauenhaus bereit. Für die Doppelzimmer gibt es einen guten Grund, sagt Schwester Benedikta. "Wir beherbergen oft Frauen mit ihren Kindern." Die Schwester geht nicht ins Detail, was diese Frauen und Kinder an Gewalt, Demütigungen und Not erlebt haben. "Für die Kinder ist es ganz besonders wichtig, dass wir ihnen Geborgenheit vermitteln, sonst kommen sie noch mehr aus dem Gleis." Verschlossene Türen gibt es daher innerhalb des Hauses nicht. "Die Kinder flitzen zwischen den Räumen der Schwestern und den ihrer Mütter hin und her, das ist oft ein Spektakel", lacht Schwester Benedikta. Für die Frauen sei es dagegen wichtig, zur Ruhe zu kommen. "Anfangs beruhigen wir nur und stellen keine Fragen."


Eine große Rolle spielen die Ehemänner und Väter. Sollen sie bei der Hilfe mit einbezogen werden oder ist eine totale Trennung besser? Solche Fragen beantworten die Schwestern nicht für die Frauen. "Wir sind nicht zu ihrer Erziehung da, sondern holen die Frauen dort ab, wo sie stehen, helfen ihnen und begleiten sie." Diese Begleitung kann auch dann noch stattfinden, wenn die Frauen längst das Haus verlassen haben. "Hausbesuche gehören zu unseren Aufgaben", sagt Schwester Benedikta. Nicht selten ergeben sich jahrelange Kontakte. "Schwierigkeiten verstärken die Beziehungen", ist die Erfahrung der Schwestern.


Im letzten Jahr hat Schwester Benedikta die Leitung der kleinen Gemeinschaft von fünf Schwestern abgegeben. "Ich kümmer mich heute mehr um die Verwaltung. Die Frauen in unserem Haus kenne ich natürlich alle, aber ich habe nicht mehr die Hauptverantwortung." Mehrmals am Tag sitzt sie in der kleinen Hauskapelle, um die Arbeit ihrer Schwestern "innerlich mitzutragen und indirekt zu unterstützen". 44 Jahre ist es her, dass sie die ewigen Gelübde abgelegt hat. Fasziniert hatte die damals 37-jährige Sozialarbeiterin, was der Orden für Frauen und Mädchen tat. Mit ihrem feinen Gesicht und dem weißen Haar könnte man sie sich heute auch als Großmutter vorstellen. Tatsächlich hat ein Kind einmal zu ihr gesagt: "Du bist meine Oma und hier ist mein Zuhause." Schwester Benedikta lächelt leise. Das bewegt sie mehr als alle Orden auf der Welt zusammen.


Peter Weidemann



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