Bischof Joachim Wanke
Predigt von Bischof Joachim Wanke bei der Jugendwallfahrt des Bistums Erfurt
Liebe junge Christen!
Meine Predigt hat zwei Teile. Der erste Teil ist überschrieben: Sag?s einfach! Der zweite: Sag?s einfach! Auf die Betonung kommt es an.
Sag?s einfach!
Was habe ich manchmal als Theologiestudent geseufzt, besonders wenn ich Texte von gelehrten Theologen studieren musste, z. B. von Karl Rahner. Das war unbestritten ein großer Denker. Aber manches, was er uns Studenten zumutete, war schon hart. Ich gebe euch einmal eine Kostprobe.
In einem Artikel, in dem Rahner über das Miteinander der göttlichen und menschlichen Natur in Jesus Christus nachdenkt, was man in der Theologie die "hypostatische Union" nennt, schreibt er: "Die unio hypostatica ist die denkbar höchste - ontologisch höchste - Aktualisation einer geschöpflichen Wirklichkeit, die überhaupt möglich ist ... Gibt es also in dieser (von der hypostatischen Union bestimmten) menschlichen Wirklichkeit ein Selbstbewusstsein, dann ist diese ontologische Selbstmitteilung Gottes auch, ja erst recht und in erster Linie, ein Moment des Beisichseins der menschlichen Subjektivität Christi" (Dogmatische Erwägungen über das Wissen und Selbstbewusstsein Christi, in: Sämtliche Werke, Bd. XII, Freiburg 2005, 340).
Nun gebe ich zu: Karl Rahner hat das nicht für eine Predigt bei einer Jugendwallfahrt geschrieben. Das ist Fachtheologie "vom Feinsten"! Für uns Normalchristen reicht zu sagen, was wir im Credo von Christus bekennen: Der für uns Mensch Gewordene ist wahrer Gott vom wahren Gott ...
Sag?s einfach! Das heißt:
- sag das, was du selbst verstanden hast
- sag es mit einfachen Worten
- sag es so, dass andere die Chance haben zu begreifen, was du meinst.
Kann man vom Glauben an Gott einfach sprechen? Ja, das ist möglich. Jesus selbst mit seinen Gleichnissen und Predigten ist dafür ein Beispiel. Heute das Evangelium (Mk 12,41-44: Das Opfer der Witwe): Nicht die Menge des Geldes macht es. Das Herz muss dabei sein. Auch das kleine Opfer kann für Leute, die wenig haben, viel sein. Oder: Die Geschichte vom barmherzigen Samariter, der zudem noch ein Ausländer war! Das versteht jeder. Es kommt aufs Tun an. Wegschauen lässt Gott nicht durchgehen. Oder auch das Gleichnis vom Schatz im Acker oder der kostbaren Perle. Da gibt einer alles drein, um den Schatz, um die Perle zu ergattern. Ich vermute: Jesus, und später die Jünger bei ihrer Predigt haben noch einiges mehr zu diesem Gleichnis gesagt. Aber im Kern ist die Sache klar. Gott finden - das verändert die Lebensperspektive! Oder das Bildwort, dass eher ein Kamel durch ein Nadelöhr geht als ein Mann, der sein Herz an den Reichtum verloren hat, ins Himmelreich kommt, versteht man auch heute. Was tut man nicht alles für ein Milliönchen!
Es gibt auch heute Menschen, die eine Gabe haben, ganz einfach vom Glauben und von dem, was daraus folgt, zu sprechen. Für mich gehörte dazu der unvergessene Roger Schutz, etwa mit seinen "Briefen aus Taiz?". Heute Nachmittag werden wir ein paar gute Beispiele einfacher, aber überzeugender Rede hören, wenn junge Christen bezeugen werden, was ihnen Gott und der Glaube an Jesus Christus bedeutet.
Ich meine, dass es immer gut ist, Bilder und Vergleiche zu gebrauchen, um das auszudrücken, was uns im Herzen bewegt, was uns wichtig ist, was ich anderen vermitteln möchte. Versucht es einfach so:
- Gott ist für mich wie ...... ein alpines Gebirge: Man kann immer wieder darin herumwandern und kommt nie aus dem Staunen heraus.
- Der Heilige Geist ist für mich wie .... ein GPS im Auto. Man sieht den Satelliten nicht, und doch werde ich effektiv und sicher geleitet.
- Der Glaube an Jesus ist für mich ...... wie ein gute Freundschaft. Da ist einer, der es gut mit mir meint und der mich niemals im Regen stehen lässt.
- Beten ist für mich ..... so notwendig wie ein Handy. Ich könnte keinen Tag "ohne" sein, weil ich einfach wissen möchte, nicht nur, was die Freunde machen und was los ist, sondern weil ich?s mit mir allein nicht lange aushalten würde. Good to see you. Good to meet him. (oder auch: "her"!, weil ja auch Maria, die Mutter Jesu, gemeint sein könnte!)
Solche Bilder und Vergleiche fallen einem meist leicht. Sie drücken etwas von unserem Fühlen und Empfinden aus. Sie sind ehrlich - und eben darum: verständlich. Gute Literatur und Kunst leben von Geschichten und Bildern, von erzählten und gemalten. Geht bei Jesus, in der Bibel auf Suche. Ich denke, Jesus würde heute ein Reich-Gottes-Gleichnis vom Jackpot-Knacken erzählen: Gott entdecken ist so spannend wie das Lotto-Spielen, der Unterschied ist nur: Gott kann uns echtes Leben geben, und das jedem, der sich ihm anvertraut - nicht nur für einzelne einige EUROs locker machen.
Dort wird unser Reden und Erzählen für andere interessant: wenn ich vom eigenen Leben etwas gucken lasse. Jesus hat etwas gefunden - und daran gibt er den Jüngern, gibt er uns Anteil. Und deshalb ist sein Reden so verständlich, so glaubwürdig, so einfach.
Und einen Rat möchte ich euch geben: Gerade in der Schule, oder dort, wo ich mich als Christ allein weiß mit meiner Ü;berzeugung, da hilft manchmal, bei entsprechenden Situationen - wenn mich einer anmacht, oder spottet, oder die Kirche madig macht, mit einem eleganten Florettstoß zu parieren. Ich las irgendwo einmal diesen Kurzdialog zwischen einem Schüler und einem Lehrer:
Schüler: Schon 2000 Jahre gibt es das Christentum - und schauen Sie sich die Welt an. Sie ist nicht besser geworden!
Lehrer: Schon eine halbe Ewigkeit gibt es Wasser zum Waschen - und nun schau dir einmal deinen Hals an! (Das war wohl ein Dialog aus einer Zeit, wo noch nicht so viel geduscht wurde wie heute!)
Manchmal reicht es, Nachdenklichkeit zu schaffen, eine Ahnung davon, worum es eigentlich beim Gottesglauben und beim Christsein geht. Manchmal entwickelt sich aus solch einem Florett-Geplänkel etwas. Aber da ist dann auch Gottes Geist am Werk, der Menschen in Bewegung bringt.
Ich möchte euch Mut machen, miteinander über euren Glauben, eure Beziehung zu Jesus, über euer Beten, eure Erfahrungen im Glauben zu sprechen. Heute etwa, wo zu solchen Gesprächen in den Räumen des Kreuzganges eingeladen wird. Es sind Themen, bei denen jeder von euch mitreden kann:
Gott - was ist er für mich persönlich,
oder: Könnte Gott die Evolution erfunden haben?
oder: Was passiert denn nach dem Tode?
oder: Hat mein Leben eigentlich Profil?
Und: Wozu ist Kirche gut? Und was trag ich dazu bei, dass sie gut ist?
Tauscht euch einmal darüber aus - und ihr werdet merken, dass dies eurem eigenen Glauben gut tut und ihr so in ihm stark werdet. Eine Mathe-Aufgabe, die ich einem anderen erklärt habe, die habe ich auch selbst begriffen. Und eine gute Story, die mir ein anderer erzählt hat, werde ich so schnell nicht vergessen. (Wie die von dem Mann, der die Woche über auswärts arbeitet, und abends - nach dem telephonischen Plausch mit Frau und Kindern - mit den Kindern per Telephon betet: Wozu TELEKOM nicht alles gut ist!)
Sag?s einfach. Aber auch:
Sag?s einfach!
Das ist der wichtigere Teil meiner Predigt. Man muss den Mut haben, in manchen Situationen den Mund aufzumachen, etwas gucken zu lassen, Farbe zu bekennen.
Damit meine ich nicht, dass wir unser Christsein wie ein Plakat vor uns hertragen müssen. Ich meine vielmehr: Es gibt Situationen, wo es angebracht und hilfreich ist, seinen eigenen Standpunkt erkennen zu lassen. Ich gebe zu: Das ist nicht immer einfach. Dazu gehört Mut, Zivilcourage, ja Tapferkeit.
Aber ihr kennt das auch von anderen Situationen, die nichts oder nicht unmittelbar mit unserem Christsein zu tun haben. Etwa: wenn es darum geht, rechtsradikale Parolen, ausländerfeindliche Sprüche oder Gewaltverherrlichung zurückzuweisen. Es gibt heute Leute, die auf junge Menschen mit solchen Dingen Endruck machen wollen. Da wird gelockt, verdeckt oder offen, da gibt es Angebote für schwache Typen, denen die Zugehörigkeit zu einer Gruppe aus Kahlköpfen und Lederjacken mit einem starken Führer angeblich Halt und Selbstbewusstsein versprechen. Was hilft da? Den Anfängen wehren, Durchblick zeigen, eigenes Profil entwickeln.
Oder wenn eine Meute jemanden anmachen will, sich an Schwachen vergreift, zum Mobbing anstiftet. Da gilt es Farbe zu bekennen. Ich bin froh, dass katholische Jugendliche im Normalfall in einem solchen Umfeld nicht zu finden sind. Aber bleibt wachsam und schaut genau hin, wer sich da um euch bemüht.
Und eine ähnliche Klugheit, "Blickigkeit" und damit verbunden: Tapferkeit gilt es auch zu haben, wenn es um Gott und unseren Glauben geht. Es braucht, um in dieser offenen und pluralen Gesellschaft zu bestehen, einen Standpunkt, sonst wird man untergebuttert und Spielball für fremde Interessen.
Es wird heute viel von den Muslimen geredet, wie die sich zu ihrer Kultur, zu ihrem Glauben bekennen. Vielen hier in Deutschland macht das Angst. Doch meine ich: Angst muss nur der haben, der selbst keinen Standpunkt hat. Genau da liegt das Problem. Wem alles gleichgültig ist, dem wird eine fremde persönliche Ü;berzeugung unheimlich. Der kann sich auch mit niemanden echt auseinandersetzen.
Wir brauchen wieder Mut, uns zum christlichen Glauben zu bekennen. Dazu gehört, dass wir auch fremde Gewissensüberzeugungen respektieren. Echte Toleranz ist nicht allgemeine Gleichgültigkeit, sondern gemeinsame Suche nach der Wahrheit, mit Respekt voreinander und mit festen Spielregeln, an die sich alle halten. Manche waren im April bei dem Wochenende im Sebastian-Haus dabei, wo es um das Gespräch mit einem Imam aus einer Erfurter Moschee ging. Das war ein Beispiel für das Kennenlernen und Achten fremder Gewissensüberzeugungen. Manchmal denke ich, dass Gott uns die Muslime ins Land schickt, damit wir hier in Europa wieder wach werden und uns wieder an unsere Glaubenstradition erinnern.
Hier bei uns gibt es weniger Muslime, die uns munter machen können, sondern die vielen, die von Gott und Kirche keine Ahnung haben, oder höchstens einige vage, meist falsche Vorstellungen. Dazu gehören nicht wenige eurer Bekannten oder Freunde. Wer kann da Dinge ins rechte Licht rücken - wenn nicht ihr? Petrus, der bekanntlich auch nicht der mutigste der Jünger war, er hat, als es darauf ankam, den Mund aufgemacht. Er hat bezeugt, was er mit Jesus erfahren hat, und er hat Menschen für Christus gewonnen. Das ist auch heute möglich. Darum: Sag?s einfach!
Wann und wie - das zeigt euch der Heilige Geist. Da gibt es viele Möglichkeiten und Anknüpfungspunkte. Einige Hinweise darauf, die von Jugendlichen aus unserem Bistum stammen, habe ich im Internet unter www.jugendwallfahrt.de entdeckt. Das hat mich sehr interessiert.
Auf die Frage: Bei welchen Gelegenheiten sprichst Du über deinen Glauben? da kamen Hinweise auf die Familie, auf die Jugend- oder Verbandsgruppe, auf das SEB und MCH, aber auch Hinweise, dass ihr durchaus auch mit anderen Jugendlichen in der Schule und in der Ausbildung diskutiert. Leider kamen auch Stimmen, auch aus dem Eichsfeld, die sagten: Wir haben in der Gemeinde keine Angebote, uns über den Glauben auszutauschen. Das ist schade. Aber ich bitte euch: Gebt die Suche nicht auf. Entdeckt die beiden Jugendhäuser unseres Bistums! Es gibt katholische Verbände wie die Malteser, die Pfadfinder, Kolping, Schönstatt. Sucht Gleichgesinnte am Ort, in den Nachbarorten, im Dekanat, in einer geistlichen Gemeinschaft.
Gefreut habe ich mich auch über die Antworten, die auf ein Zeugnis durch Taten oder Zeichen hinwiesen: Das Kreuz im Zimmer, das Mitmachen beim Gottesdienst, bei Wallfahrten, oder bei einem sozialen Einsatz. Wir haben junge Leute, die sind "Missionare auf Zeit". Ich bin richtig stolz auf diese jungen Leute, die ein ganzes Jahr im Ausland dran geben, um Menschen zu begleiten und so auch selbst im Glauben zu wachsen. Für sie ist unsere heutige Kollekte bestimmt. Oder ich nenne einmal ein Beispiel hier aus Erfurt: die Adventsinitiative Weihnachtsmarkt-Führer hier beim Erfurter Weihnachtsmarkt. Es gibt auf der Marienwiese einen Info-Stand dafür. Wer sich interessiert, sollte dort hinschauen.
"Also: "Sag?s einfach!" gilt nicht nur für die, die eine flotte Zunge haben, sondern auch für jene, die sich mit Reden schwer tun, aber durch konkreten Einsatz auch zeigen können, wo sie stehen.
Aber das eigentliche Geheimnis sind weder einige Tricks, die man sich durch Schulung aneignet, noch angelernte Sprüche, die keinen vom Hocker reißen. Das eigentliche Geheimnis, wie man zum Sprechen kommt und damit ankommt, das ist: dass wir Gott im eigenen Leben in die Mitte rücken und die gern haben, die Gott noch nicht oder nicht gut genug kennen. Wer einen heißen Tipp hat, wo es preiswerte Modesachen gibt, wird der das für sich behalten? Wer einen guten Song auf einer (natürlich legalen) Download-Seite im Internet gefunden hat, wird der den Link nicht seinen Freunden geben? Oder die damals in Köln beim Weltjugendtag dabei waren - oder demnächst in Sydney, werden die nicht davon anderen erzählen? Darum: Macht euer Herz auch da auf, wo es um Gott und Jesus Christus geht.
Ich brauche junge Mitchristen, die das können: Weitersagen, was in ihren Herzen brennt. Darum: Sag?s einfach!, und: Sags?seinfach!
www.jugendwallfahrt.de