Laudatio für Prälat Paul Julius Kockelmann
zur Verleihung des Ehrenrings des Landkreises Eichsfeld
Herr Prälat Paul Julius Kockelmann, ehemalig Bischöflicher Kommissarius in Heiligenstadt, ist am 22. März 2000, dem Vorabend seines 70. Geburtstages, in der Schloßkapelle des Landratsamtes Eichsfeld mit dem Ehrenring des Landkreises Eichsfeld ausgezeichnet worden.
Die Auszeichnung mit dem Ehrenring gilt Persönlichkeiten des Eichsfeldes, die dazu beigetragen haben, das Eichsfeld in seiner Eigenart zu erhalten und bekannter zu machen. Der Ehrenring ist die höchste Auszeichnung des Landkreises und wird seit 1996 höchstens einmal jährlich vergeben.
Im folgenden dokumentieren wir die Laudatio, die Weihbischof Hans-Reinhard Koch auf Prälat Kockelmann gehalten hat.
Weihbischof Hans-Reinhard Koch
Laudatio für Prälat Paul Julius Kockelmann
zur Verleihung des Ehrenrings des Landkreises Eichsfeld
Lieber Herr Prälat Kockelmann!
Oder besser lieber Paul Julius, oder noch besser lieber Jus!
Es ist für mich eine ganz ungewohnte Aufgabe, für einen Priester, der eine weltliche Ehrung erfährt, eine Lobrede zu halten, denn das heißt ja wohl Laudatio.
Ich wurde deshalb angefragt, weil ich vielleicht schon am längsten durch Studium und gemeinsamen priesterlichen Dienst mit Dir verbunden sei. Da gibt es mit Sicherheit noch andere, die Dich schon länger kennen und noch länger mit Dir im gemeinsamen Joch sind.
Ich habe aber gerne zugesagt. So will ich das versuchen in der Kürze der Zeit.
Zuerst ein kursorischer Durchlauf durch Dein Leben aus meiner Sicht. Die drei weiteren Punkte sollen auf bestimmte Akzente Deines Dienstes hinweisen, die für mich besonders beeindruckend waren und die Dich auch in besonderer Weise charakterisieren:
- Dein Engagement für die Jugend
- Dein Dienst in der Ökumene und
- Deine Aufgabe als Bischöflicher Kommissarius in Heiligenstadt in seiner Bedeutung für das gläubige Gottesvolk, für die Priester aber auch für jeden Menschen, der hier lebt.
Du bist in Berlin-Dahlem geboren am 23.03.1930. So kannst Du morgen Dein 70. Lebensjahr vollenden. Dein Vater Franz war Diplomingenieur, Deine Mutter Therese konnte prima Kuchen backen. Das haben wir Theologen des öfteren erfahren. Die Familie zog 1936 von Berlin nach Nordhausen. Dort bist Du in die Grundschule und die ersten Klassen des Gymnasiums gegangen. 1943 war der Umzug nach Erfurt. Dort hast Du 1948 am Thomas-Müntzer-Gymnasium das Abitur absolviert. Für diese Zeit war prägend und wichtig die Pfarrjugend in St. Wigbert. Es gab damals in Erfurt einen Jugendvikar, der hieß Karl Schollmeier. Ab Oktober 1948 hast Du das Theologiestudium in Fulda begonnen, die Externitas hast Du in München verlebt. Im Mai 1953 - also schon vor dem 17. Juni 1953 - da war noch absolut kalter Krieg - bist Du als Minorist nach Neuzelle in das Pastoralseminar gekommen. Die Priesterweihe war am 25. April 1954 im Erfurter Dom durch Weihbischof Dr. Joseph Freusberg.
Deine erste Kaplanstelle war zusammen mit Alfred Viering in Gotha 1954 - 56, die zweite Kaplanstelle in Rudolstadt 1956 - 57. Dann bist Du für zwie Jahre Pfarrkurat in Keula geworden. Das war für Dich als Stadtmenschen " Jotwede - janz weit draußen".
Danach begann die Eichsfelder Zeit. 1959 - 64 warst Du als Jugendvikar in Heiligenstadt. Du wohntest in der Duvalstraße in der Pfarrei St. Ägidien. Du hast dort viele Aufgaben in der Pfarrei gehabt, zum Beispiel 220 Kinder im Religionsunterricht. Damit verbunden war aber besonders der Auftrag für die Jugendseelsorge im Eichsfeld.
Du wurdest Pfarrer in Birkungen. 1967 rief Dich Bischof Hugo Aufderbeck als Pfarrer an die Propsteikirche St. Marien in Heiligenstadt, damit auch als Propst, als Dechant des Dekanates Heiligenstadt und als Bischöflicher Kommissarius in Heiligenstadt für die Katholiken im Eichsfeld. So bist Du fast dreißig Jahre Kommissarius im Eichsfeld gewesen. Aber Deine "Eichsfelder Zeit" dauert schon von 1959 als Jugendvikar in Heiligenstadt bis auf den heutigen Tag als Rektor auf dem Kerbschen Berg, also über 40 Jahre inzwischen.
Damit komme ich schon zu den eigentlichen Punkten, die ich besonders herausheben möchte: Zuerst Dein Engagement für die Jugend im Eichsfeld.
Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, dann gibt es für Deine Ernennung zum Jugendvikar im Eichsfeld ein Erlebnis: Weihbischof Dr. Joseph Freusberg hatte in Dingelstädt eine Firmung. Es waren so viele Firmlinge, dass die ganze Spendung der Firmung Stunden dauerte. Nach der Firmung war er in Schweiß gebadet und ließ sich in der Sakristei entkräftet auf einen Stuhl fallen. Diese Gelegenheit nutzte Rektor Göller und baute sich vor ihm auf und sagte: "Exzellenz, im Eichsfeld steht ein D-Zug, dem fehlt die Lokomotive." Daraufhin wurde endlich ein Jugendvikar für das Eichsfeld ernannt. Das warst Du. Aus Deinen Erfahrungen mit der Jugend in Nordhausen und mit der St.-Wigbert-Jugend in Erfurt hast Du Dich sogleich darangemacht, um eine Jugendhelferschar im Eichsfeld zusammenzubringen. Das war mühsam, denn das gab es bis dahin noch nicht. Von Pfarrei zu Pfarrei, von Pfarrer zu Pfarrer bist Du gefahren und hast Dich gemüht, ein Mädchen und einen Jungen als Sprecher für die Pfarrjugend zu gewinnen, um sie dann zu einer Helferrunde für das Eichsfeld zusammen zu holen, zu schulen, Impulse zu geben und die Sache in Gang zu bringen. Das war mühsam. Und doch war es sehr fruchtbar. Deine Nachfolger haben dann das Jugendhaus "Marcel Callo" im Konvikt gegründet und was daraus geworden ist, ist ja auch zu Deiner Amtszeit schon so in die Wege geleitet worden. Du hast eine Sprache gesprochen, die die jungen Menschen verstanden haben. Wichtig war für sie in einem totalitär ausgerichteten Schulwesen und Staatswesen, dass ihnen ein Raum der Freiheit, ein sturmfreier Raum gleichermaßen, eröffnet wurde. Das ist in den Glaubensstunden der Pfarrjugend, in Treffen auf Dekanats- und Eichsfeldebene geschehen. Das ist in Einkehrtagen und Exerzitien geschehen. Man kann auch in dem Buch "Zerissen ist die Schlinge" nachlesen, wie die Botschaft des Evangeliums den Menschen innerlich frei macht.
Als Pfarrer von Birkungen hast Du das fortgeführt und bist in die Grundzüge der Pfarreiverwaltung hineingekommen, aber Dein erstes Anliegen die Verkündigung des Evangeliums. In diesen Jahren 1964 - 67 war auf der Straße zwischen Leinefelde und Birkungen vor und nach der Zeit des Hochamtes ein ganz lebhaftes Hin und Her festzustellen. Es hatte sich rumgesprochen: Dort predigt Einer mit ganz neuen Tönen. Einmal hattest Du einen Vertreter für Gottesdienst und Predigt. Da bist Du während des Amtes in die Wirtschaft gegangen, wo die Gebetbücher Henkel haben. Auch das war neu und hat Aufsehen erregt.
1967 bist Du dann Propst und Bischöflicher Kommissarius in Heiligenstadt geworden. Der Ehrenring des Landkreises Eichsfeld wird Dir ja für Deine Verdienste um das Eichsfeld verliehen.
Ich möchte zu allererst erwähnen: Du bist vom Bischof beauftragt worden, Dich in dem Miteinander der evangelischen und katholischen Kirche zu engagieren. Du wurdest Beauftragter für ökumenische Fragen und Leiter der Ökumenekommission des Bischöflichen Amtes Erfurt-Meiningen. Du wurdest Mitglied in der ökumenischen Kontaktgruppe Thüringens und der Ökumenischen Kommission der Berliner Bischofskonferenz. In wohlwollender und kluger Weise hast Du die Herausforderung, die Dir diese Aufgabe gestellt hat, gemeistert. Das Miteinander von evangelischen und katholischen Christen hier in der Stadt Heiligenstadt, aber auch im Bereich des Eichsfeldes, in Thüringen und im Bereich der damaligen Berliner Bischofskonferenz, war eine relativ neue Aufgabe und dafür mussten erst einmal Freunde gewonnen werden, die mitziehen. Bei dem guten Miteinander der beiden Konfessionen ist Dein Anteil nicht gering zu schätzen. Dazu gehören Geduld, Humor, Wohlwollen und Menschenfreundlichkeit, um auf die Gesprächspartner zuzugehen, aber auch Klarheit und Entschiedenheit in der eigenen Position. Diese Aufgabe ist uns aufgetragen vom Evangelium und wird auf lange Zeit noch eine dauernde Aufgabe sein.
Zum eigentlichen Akzent Deines Wirkens hier im Eichsfeld gäbe es ungeheuer viel zu sagen. Ich habe mir einfach mal die wichtigsten Dinge, die mir so spontan eingefallen sind, auf ein Blatt zusammengeschrieben. Dabei fehlt mit Sicherheit noch Wichtiges.
Ich will es einfach mal so der Reihe nach aufzählen: 1967 bist Du Propst und Bischöflicher Kommissarius geworden, 1968 war der Einmarsch der Warschauer-Pakt-Staaten, damit auch der NVA, in die damalige Tschechoslowakei, also kalter Krieg. 1973 bis 75 war in Dresden die Pastoralsynode der katholischen Kirche in den Jurisdiktionsbezirken der Berliner Bischofskonferenz der damaligen DDR. Du warst einer ihrer Vizepräsidenten. Du bist in den Priesterrat und in den Seelsorgerat berufen worden. Du hattest die Leitung der AG Seelsorge im Eichsfeld. Du warst korrespondierendes Mitglied bei den Sitzungen des Seelsorgeamtes und hast die Anliegen und Interessen der Eichsfelder Katholiken vertreten. Du hast in der Dechantenkonferenz ein gewichtiges Wort mitgesprochen. Du hast 1965 - 68 den Verwaltungskurs absolviert. Dabei gab es viel Freude mit Prof. Dr. Löbmann und den Prälaten Bulang und Hötzel. Du hast immer wieder Kapläne, häufig Neupriester gehabt. Es gab hier in der Pfarrei Praktikumsstellen für Theologen. Du warst im Ordinariatsrat. Du warst Vorsitzender der Bischöflichen Schlichtungsstelle. Du hast den Marienkalender herausgegeben, und, und, und ...
Das sind einzelne Aufzählungen. Aber Dein Leben und Deine Persönlichkeit ist ja eine Einheit. Mit Humor, mit Sachverstand, mit Nüchternheit, mit Witz hast Du alles, was Dich herausgefordert hat, angenommen und in souveräner Weise gemeistert. Der Bischöfliche Kommissarius im Eichsfeld war in den Zeiten des staatlich verordneten Sozialismus ja auch eine Indentifikationsfigur für die Menschen hier im Eichsfeld, nicht nur für die Katholiken. Ich möchte nicht wissen, wie viele Menschen in stiller Stunde zu Dir gekommen sind und sich Rat geholt haben oder sich ausgesprochen haben.
Bei den Wallfahrten, bei Festen, bei Jubiläen bist Du immer wieder als Prediger dabei gewesen und hast den Menschen Mut zugesprochen. Dabei hast Du immer ein klares Wort gesprochen zur Sitution der Zeit. Und das mit Humor, der Menschen zum Lachen bringt. Das ist schon eine kostbare Gabe und befreit.
Für die Seelsorger warst Du eben der Propst und der Kommissarius. Das war eine unangefochtene Autorität. Bei den Priesterkonferenzen hast Du die Versammlungen geleitet, immer mit Durchblick und Sicht auf das Wesentliche. Du hast die Vorträge und Beiträge der Mitbrüder auf den Punkt gebracht. Du hast mit großem menschlichen Einfühlungsvermögen bei Priester-Beerdigungen geholfen, das Leben zu deuten im Lichte des Evangeliums.
Als Beispiel dafür nur eine einzige Begebenheit: Pfarrer Daniel in Mengelrode hatte silbernes Priesterjubiläum. Er wollte eigentlich nicht feieren, weil er sich krank fühlte. Aber dann hat er doch eingesehen, dass die Gemeinde mit ihm feiern möchte. Also fand ein feierliches Hochamt in Mengelrode statt. Propst Kockelmann hielt die Predigt. Und während der Predigt ging Pfarrer Daniel in die Sakristei. Es war ihm nicht gut. Als die Predigt zu Ende war, wurde der Propst in die Sakristei gerufen. Pfarrer Daniel war gestorben. Das war ein Moment, in dem menschliche Größe, tiefer Glaube und das Herz für das rechte Wort in diesem Augenblick notwendig waren. Du hast diese Situation gemeistert, die Gemeinde konnte diesen Festtag ?hres Pfarrers dann auch als seinen Geburtstag für den Himmel feiern und die Eucharistie als Dankmesse auch als Requiem weiterfeiern, im festen Vertrauen und im Glauben auf die Güte und das Erbarmen Gottes.
Die Menschen hier haben so immer wieder gespürt, dass Du dem Evangelium gemäß - allen alles geworden bist - den Eichsfeldern halt ein Eichsfelder. Das zeigte sich besonders in den Wochen und Monaten vor 10 Jahren, als die DDR ihrem Ende entgegenging. Doch das wissen andere hier vor Ort besser als ich.
Ich will zum Schluss kommen, obwohl ich jetzt eigentlich erst anfangen müsste. Jedes Jahr zu Weihnachten und zum Jahreswechsel hast Du uns ein Chronogramm geschenkt. Ein Chronogramm ist ein kurzer lateinischer poetischer Satz, in dem die Buchstaben, die gleichzeitig auch eine lateinische römische Zahl darstellen, die Jahreszahl angeben. Man findet das in der Barockzeit an vielen Gebäuden. Ich möchte zu den zwei Chronogrammen kommen, die wir dieses Jahr von Dir als Geschenk bekamen. Das erste möchte ich nur in deutsch vorlesen. Da hast Du das M, das mille, tausend, bedeutet, weggelassen und hast den Spruch dadurch länger gestaltet, weil er viele I und V und X und C darin hatte, um auf die Jahreszahl 2000 zu kommen. Diese längere Chronogramm ist ein Blick in das dritte Jahrtausend mit Vertrauen und Hoffnung. Es heißt: "In Zukunft werde uns geschenkt in Offenheit die Kirche, der Einheit Geist und Frieden, besonders aber der Heiligen Dreifaltigkeit Anbetung." Damit ist die Hoffnung der Kirche auf den Punkt gebracht.
Aber noch schöner ist das zweite Chronogramm. Da hast Du alle kleinen Zahlbuchstaben weggelassen und nur zweimal das M für mille genommen, um auf die Jahreszahl 2000 zu kommen. Das heißt einfach: "Amor manet. - Was bleibt ist die Liebe." Schöner kann man es nicht sagen.
Dankeschön und Gott behüte Dich!
Hans-Reinhard Koch
Weihbischof
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