Liebe Angehörige der Familie Koch, liebe hier beim Requiem für den verstorbenen Weihbischof Hans-Reinhard versammelte Gemeinde!
Es kam mir vor, als ob sich in die Worte des Täufers Johannes, die wir soeben im Evangelium hörten, die Stimme von Hans-Reinhard Koch gemischt hat. Der Täufer sprach zu seinen Jüngern über Jesus. Er bezeichnete ihn als den von Gott gesandten Bräutigam, den er bezeugen will. Er, der Täufer ist gleichsam der Freund des Bräutigams. Und so ruft er voll Jubel aus: „Der Freund des Bräutigams … freut sich über … (dessen) Stimme. Diese Freude ist nun für mich Wirklichkeit geworden. Er muss wachsen, ich aber geringer werden.“
Dieses Wort vom „Wachsen und Geringer- Werden“ war bekanntlich der Wahlspruch von Weihbischof Hans-Reinhard, sowohl für seinen Dienst als Bischof und Seelsorger als auch für sein Selbstverständnis als Christ und Mensch. Die Einfachheit, mit der er allen, die mit ihm zu tun hatten, freundlich und liebenswürdig begegnete, die „Selbstzurücknahme“, die sich einfach nicht in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit schieben wollte und konnte, die fraglose Selbstverständlichkeit, mit der er auch einfache Aufgaben und Dienste übernahm, ohne sich dafür zu schade zu sein – all dies und manch anderes, was den Verstorbenen auszeichnete. hatte Quellen, die ihn zu einer anerkannten, in sich ruhenden, „authentischen“ Persönlichkeit machten.
Ich möchte drei dieser Quellen benennen:
Da ist zum einen seine Verwurzelung in der eigenen Familie. Ich hatte noch die Freude, die Eltern Koch kennenzulernen: der Vater, ein bekannter Arzt und geschätzter Bürger in Leinefelde, mit einem offenen Herzen für die Nöte der Menschen in damals schwierigen Zeiten und mit einer selbstverständlichen Frömmigkeit, die überzeugte.
Da war die Mutter, aus dem Rheinland stammend, mit ihrem so ganz anderen Naturell, den Karneval und die Geselligkeit liebend, die Familie zusammen haltend und, wie der Vater, von der gleichen, überzeugenden Frömmigkeit geprägt, freilich einer rheinischen – von der Hans-Reinhard so manches geerbt hatte. Auch dieser Familie ist das Leid nicht erspart geblieben. Der älteste Sohn noch in den letzten Tagen eines verbrecherischen Krieges zu Tode gekommen, mancherlei Bedrängnisse und überraschende Todesfälle bei den Familien der Kinder und Enkel und dazu all das, was Krieg und Nachkriegszeit vielen damals zu tragen auferlegte – wahrlich eine ganz normale Familie, die fest zusammenhielt und immer wieder Geborgenheit und Halt vermitteln konnte, die offen war für Nachbarn und Freunde, für die Anliegen der Kommune und der Pfarrgemeinde und nicht zuletzt für Menschen in mancherlei Notlagen.
Hans- Reinhard hat engen Kontakt mit seiner Familie gehalten, immer wieder die Familienfeste mitgefeiert und Anteil genommen am Wohl und Wehe der Seinen. Die Familie war ihm eine wichtige Kraftquelle für sein Leben – und sicherlich war es für euch, liebe Familie Koch, ein großes Geschenk, Hans-Reinhard in eurer Mitte zu haben.
In diesem Zusammenhang möchte ich eine weitere Beheimatung unseres verstorbenen Weihbischofs nennen: seine Verwurzelung im Eichsfeld. Es war nicht nur ein Scherz, wenn er manchmal bei einer Autofahrt ins Eichsfeld an der Lengenfelder Warte die Fensterscheibe herunterkurbelte und den Mitfahrenden zurief: „Eichsfeldluft – bitte tief einatmen!“ Ja, das Eichsfeld hat er als seine Heimat verstanden. Und obwohl die Bischöfe Freusberg, Aufderbeck und Wanke ihn sein Leben lang in der Diaspora tätig sein ließen: Im Eichsfeld weilte er gerne, dienstlich bei Firmungen, Jubiläen und Gemeindefesten, bei diversen Konferenzen und Besuchen und nicht zuletzt eben auch ganz privat – bei der Familie und bei Freunden. Und da hatte er Recht: Das Eichsfelder Land, nicht nur in diesen schönen Frühlingstagen, ist ein gesegnetes Stück Erde, von den dort Beheimateten geliebt, von der Politik respektiert und in seiner Bedeutung für das ganze katholische Thüringen im Bewusstsein der Bischöfe und Priester und wohl der meisten Katholiken fest verankert.
Weihbischof Koch hat uns immer wieder aufmerksam gemacht besonders auch auf die kirchlichen Schätze dieser Region, auf Brauchtum und Festkultur, auf Kunstwerke und Kirchbauten, auf tapferes Bekennen des Glaubens in Geschichte und Gegenwart. Und er hat mir als ausgesprochenem Diasporachristen, der zwar um Wallfahrten und Prozessionen theoretisch wusste und als Dingelstädter Vikar das Gebet zu den Hl. Fünf Wunden an den Gräbern andächtig mitbeten lernte, er hat mir die Bedeutung tradierten Eichsfelder Frömmigkeitsformen lebendig vermittelt – und vor allem die Freude daran, diese zu pflegen und zu fördern. Hier müssen nun Propst Gremler, Generalvikar Beck und Domkapitular Hübenthal in die Fußspuren von Weihbischof Koch treten – und hoffentlich noch viele aus dem Eichsfeld nachwachsende Priester und Frauen und Männer im Dienst der Seelsorge und Caritas. Das hoffe ich zuversichtlich! Ich vermute, dass unser Weihbischof in diesem Sinn auch weiter vom Himmel her tätig sein wird! Die Handvoll Erde aus den drei Eichsfelder Dekanaten, die die Priester heute von dort mitgebracht haben und dann auf den Sarg werfen werden, mögen ihn an seine Fürbittpflicht erinnern.
Aber sicher die wichtigste Verwurzelung und Kraftquelle für sein Leben und seinen Dienst fand unser Weihbischof in der Freundschaft mit dem Herrn. Es war nicht nur seine Freude an wertvoller religiöser Kunst: Hans-Reinhard besaß eine Sammlung ausdrucksvoller Darstellungen des gekreuzigten Christus aus den verschiedenen Stilepochen, vom Frühmittelalter an über die Gotik und den Barock bis in die Neuzeit hinein. Das Angesicht des leidenden, aber in seiner Lebenshingabe „uns zugute“ vom Vater verherrlichten Christus hat ihn immer wieder bewegt – zu Meditation und lobpreisendem Gebet. Wahrlich: Er wusste sich als Freund des Bräutigams, der – wie das biblische Bild sagt – seine „Braut“, das Gottesvolk, zu allen Zeiten und in allen Nationen sucht und heimführen will. Der Seelsorger Hans-Reinhard freute sich über alle, die zu Christus, dem Quell des Lebens und der Freude fanden – nicht zuletzt auch durch seinen Dienst als Priester und Bischof. Vielen ist er ein Zeuge des Evangeliums geworden: seinen Bausoldaten aus der DDR-Zeit, um die er sich rührend kümmerte, den Gemeinden, in denen er tätig war, den vier nichtreligiösen Mitpatienten, mit denen er einmal für längere Zeit in Quarantäne in einem gemeinsamen Krankenzimmer zusammenlag – und mit denen er über viele Jahre hinweg persönlich Kontakt hielt. (Er sprach immer von seiner „Gelbsüchtigen-Gruppe“!). Vielen von uns Priestern, Gemeinde- und Caritasmitarbeitern wurde er zum geistlichen Begleiter und Inspirator für den eigenen Dienst. Und nicht zuletzt auch Künstlern und Chagall-Interessierten und vielen anderen am Rande der Kirche Stehenden wurde er Wegführer hin zu Christus, getreu seinem bischöflichen Leitwort: „Er muss wachsen, ich aber geringer werden.“
Der Abschied von ihm fällt schwer, auch mir ganz persönlich. Aber wir danken Gott, dass ER ihn uns geschenkt hat. Und wir bitten, dass Bischof Hans-Reinhard nun selbst mit großer Freude für immer die Stimme des Bräutigams hören darf, dem er die Menschen in seinem Leben zugeführt hat. Amen.