Auf dem Erfurter Domberg versteckt

Online-Veranstaltung zur Rettung der Tora in Erfurt während der NS-Zeit

Am Mittwoch, 21. April,  lädt das Projekt "Tora ist Leben" um 19 Uhr zu einer weiteren Online-Veranstaltung ein.
 
Von 1938 bis 1945 fand die Tora der Jüdischen Gemeinde Erfurt ein sicheres Versteck auf dem Erfurter Domberg. Was wissen wir heute über diese gemeinsame Geschichte? Was lernen wir daraus?

Ein Gespräch mit Vertretern der jüdischen und katholischen Gemeinden.
Online-Gespräch über Zoom mit:
• Frau Ines Beese, Mitglied des Arbeitskreises „Erfurter GeDenken 1933-1945“
• Herr Dr. Claudio Kullmann, Ordinariatsrat des Bistums Erfurt
• Herr Prof. Reinhard Schramm, Vorsitzender der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen
 

Anmeldung:
Bitte per E-Mail anmelden bei Alexandra Husemeyer: a.husemeyer@gmx.de.

Der Link zum Zoom-Meeting wird am 21.04.2021 gegen 14 Uhr per Mail an alle Interessierten gesandt.

Auf Facebook lässt sich das Gespräch ohne Anmeldung live verfolgen: https://www.facebook.com/events/1696906433826253

Das Zoom-Gespräch wird aufgezeichnet und zum Nachhören später hier veröffentlicht: https://www.youtube.com/channel/UCT_9NZwVFvJEjb0N0-QmP8A.

Wir danken sehr herzlich der Deutsch-Israelischen Gesellschaft e.V. für die großzügige Unterstützung. Durch ihre Hilfe ist es möglich, das ursprünglich als Präsenzveranstaltung in der Kleinen Synagoge Erfurt geplante Gespräch online anzubieten und dauerhaft zu sichern.


Was geschah in der Pogromnacht 1938 in Erfurt?


In der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 brennt die Große Synagoge am Kartäuserring in Erfurt lichterloh, Feuerwehrmänner schauen dem Brand zu. Sie löschen ihn nicht.
193 männliche Erfurter Juden werden in dieser Nacht in der Turnhalle der Erfurter Humboldtschule festgehalten und brutal misshandelt. 189 von ihnen lassen die Verantwortlichen des Foltermartyriums am nächsten Morgen in das nahegelegene Konzentrationslager Buchenwald transportieren, wo man ihnen bei der Registrierung das Haar schert. Die Männer sind mit der Glatze gedemütigt und gezeichnet.

Eine andere, religiöse Ebene der Demütigung ist die Schändung oder Zerstörung der Tora. In ganz Europa ist der Vandalismus an Tora-Rollen bewusst von den Vandalen öffentlich im Beisein von Juden und Jüdinnen zur Schau gestellt worden. Für sie ist diese demütigende Inszenierung gedacht.

Denn seit der Zerstörung des zweiten Tempels in Jerusalem 70 n. d. Z. und der damit fortschreitenden Diaspora, nimmt die Tora im Judentum eine außerordentliche und nicht zu überschätzende Rolle ein. Sie ist das zentrale Kultobjekt aller Juden, unabhängig von ihrer religiösen Orientierung oder ihrer Kultur.
In der jüdischen Gemeinde gelang es, eine Tora vor den Flammen zu retten. Sie wird auf dem Domberg vor dem NS-Terror geschützt und nach dem Ende des Krieges an die Synagogen-Gemeinde Erfurt zurückgegeben.

Zeitzeugen können zur Rettung der Erfurter Tora nicht mehr befragt werden. Auf die Befragung von Gemeindemitgliedern nachfolgender Generationen ist hier bewusst verzichtet worden.

Im Gespräch mit Ines Beese, Claudio Kullmann und Reinhard Schramm wollen wir uns daher darauf konzentrieren, welche Bedeutung mitmenschliches Handeln für alle Beteiligten und die nächsten Generationen hat.

Die Bundesrepublik feiert in diesem Jahr "1700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland". Warum? 

Am 11. Dezember 321 erlässt der römische Kaiser Konstantin ein Gesetz, welches festlegt, dass Juden städtische Ämter in der Stadtverwaltung Kölns bekleiden dürfen und sollen. Dieses Edikt belegt, dass jüdische Gemeinden bereits seit der Spätantike wichtiger integrativer Bestandteil der europäischen Kultur sind. Eine frühmittelalterliche Handschrift dieses Dokuments befindet sich heute im Vatikan und ist Zeugnis der mehr als 1700 Jahre alten jüdischen Geschichte in Deutschland und Europa.
 

Thüringen feiert in diesem Jahr "Neun Jahrhunderte jüdisches Leben in Thüringen". Warum?

 
Eine prächtige Urkunde mit einem genauen Datum für den ersten Nachweis jüdischen Lebens in Thüringen haben wir leider nicht. Aber seit dem 12. Jahrhundert werden jüdische Gemeinden immer wieder in den Thüringer Chroniken erwähnt. Die ältesten Teile der Alten Synagoge Erfurt datieren in das Jahr 1094. Mit ihrem stattlichen Alter von über 900 Jahren ist diese Synagoge damit die älteste Synagoge Europas. Also können wir getrost neun Jahrhunderte jüdischen Lebens in Thüringen feiern.

Die Erfurter Synagoge bekommt eine neue Torarolle. Warum?

 
Die Tora, das Wort G'ttes, ist das Herzstück einer jeden Synagoge und Mittelpunkt des Lebens einer jüdischen Gemeinde. Die beiden christlichen Kirchen Thüringens (Evangelische Kirche in Mitteldeutschland und Bistum Erfurt) schenken der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen eine neue Tora. Wie das jüdische Volk wurde auch die Tora immer wieder geschändet, missbraucht und verbrannt; so etwa in den Pogromen von 1348/49 oder im November 1938.
Das Geschenk von Protestanten und Katholiken an ihre jüdischen Geschwister ist also ein Zeichen für Versöhnung und Frieden. Gemeinsam beziehen die Glaubensgemeinschaften Position gegen Antisemitismus und Rassismus und für Dialog und Toleranz.

 

Was beinhaltet das Projekt "Tora ist Leben"?

 
Das Projekt lädt zu Bildungsformaten und Begegnungen ein. Zurzeit digital, aber hoffentlich bald auch wieder live. Der Toraschreiber Reuven Yaacobov wird im Sommer vor Ort an der Tora schreiben: in Erfurt, Eisenach, Jena, Mühlhausen und Nordhausen kann man ihm beim "Öffentlichen Schreiben" über die Schulter schauen.
Am Donnerstag, den 30. September 2021 schließlich wird die neue Tora in einem fröhlichen Festzug durch die Erfurter Altstadt in die Neue Synagoge gebracht.


Pressemitteilung der Arbeitsgemeinschaft "Tora ist Leben" / Alexandra Husemeyer

 

v.l.n.r. Claudio Kullmann ((c) Nadine Grimm), Ines Beese (privat), Reinhard Schramm (JLGT)