Angst überwinden helfen

Ein Jahr Thüringer Grundbildungs-Hotline für Menschen mit Lese- und Schreibschwierigkeiten

Vor genau einem Jahr wurde die Thüringer Grundbildungs-Hotline ins Leben gerufen. Die kostenfreie Telefonberatung dient seitdem als Anlaufstelle für Erwachsene mit Schwierigkeiten beim Lesen, Schreiben, Rechnen und Umgang mit digitalen Medien.

Die Thüringer Grundbildungs-Hotline ist Teil des Kooperationsprojektes GruKiTel (Grundbildung-Kirchengemeinden-Telefonberatung). Dieses Projekt wird in Kooperation zwischen dem Bildungswerk im Bistum Erfurt, dem Caritasverband für das Bistum Erfurt und dem Thüringer Volkshochschulverband durchgeführt.

Ein Ziel des Projektes ist es, Teilhabe-Barrieren zu Grundbildung abzubauen und mehr Menschen für Bildungsangebote im Bereich der Alphabetisierung und Grundbildung zu gewinnen.


In Deutschland können 6,2 Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter nicht ausreichend lesen und schreiben. Das ist jeder achte Erwachsene. Zusätzliche 20,5 Prozent können nur ihnen bekannte, gebräuchliche Wörter lesen und schreiben, ihre Rechtschreibung liegt unter dem Niveau, das am Ende der vierten Klasse erreicht wird. Häufig geht geringe Literalität mit mangelnder Grundbildung einher. Das hat Auswirkungen z. B. auf den Umgang mit Geld, das Ausfüllen des Wahlzettels, gesunde Ernährung, die richtige Dosierung von Medikamenten oder das Verstehen von Nachrichten. Alles das sind Hürden, die es schwer machen, in vielen Bereichen der Gesellschaft teilzuhaben. Menschen mit Lese- und Schreibschwierigkeiten nehmen oft große Benachteiligungen in Kauf, um ihre mangelnde Grundbildung nicht preiszugeben. Häufig haben sie Angst, bestimmte Institutionen zu betreten und wissen nicht, welche Angebote für sie bereitstehen.


Hier setzt die Thüringer Grundbildungs-Hotline an. Sie möchte Zugangsbarrieren zu Angeboten und Dienstleistungen für Menschen mit geringen Lese- und Schreibkompetenzen abbauen.
An der Hotline stehen professionelle Ansprechpersonen zur Verfügung, die zu den kostenfreien Lernangeboten in Thüringen beraten. Unter der Hotline können sich Betroffene, Angehörige, Arbeitskolleg*innen, Multiplikator*innen und andere interessierte Personen melden.

Multiplikator*innen sind Menschen, die im beruflichen Kontext mit Betroffenen in Kontakt stehen (z.B. Behörden, Beratungs- und Sozialeinrichtungen, Jobcenter etc.). Diese erhalten an der Hotline Informationen, wie sie innerhalb ihrer Einrichtung Menschen mit diesen Problemen erkennen, ansprechen und informieren können.


Rückblickend auf das erste Jahr lässt sich feststellen, dass die Anliegen der Anrufenden sehr unterschiedlich waren. Dazu zählten Betroffene und deren Umfeld, die sich über Lern- und Unterstützungsangebote informieren wollten; Senior*innen, die Hilfe beim Umgang mit digitalen Medien suchten; Geringqualifizierte, die Informationen zum Nachholen von Schulabschlüssen benötigten, aber auch Menschen mit Migrationshintergrund, die ihre Sprache verbessern wollten. Viele der Anrufenden konnten direkt in Kurse an den Volkshochschulen vermittelt werden.


Zwei Teilnehmende konnten auf diesem Wege mit dem neuen innovativen Lernformat „Lernen am Telefon“ beginnen. Gemeinsam mit einem Tutor werden Lese- und Schreibaufgaben gelöst. Diese können sowohl per Post als auch online über ein Lernportal zur Verfügung gestellt werden. Die Lerneinheiten finden dabei 2-3-mal pro Woche für maximal eine halbe Stunde bequem von zu Hause aus statt. Das neue Lernformat bietet Menschen, die bisher keine Lernangebote der Erwachsenenbildung wahrgenommen haben, eine neue Form des Lernens. Die Gründe für das nicht wahrnehmen können ganz unterschiedlich und sehr persönlicher Art sein. Manche Personen schämen sich, im Kurs mit anderen ihr Problem einzugestehen. Für sie ist das Lernen am Telefon ein erster Schritt zum Abbau von Ängsten.

Für andere Personen stellen wechselnde Arbeitszeiten, familiäre Verpflichtungen oder schlechte öffentliche Verkehrsanbindungen zum nächsten Kursort eine Barriere dar. Somit bietet das Lernformat auch Personen im ländlichen Raum die Möglichkeit, ihre Lese- und Schreibschwierigkeiten zu verbessern. Der Beginn ist jederzeit möglich und richtet sich nach den Bedürfnissen der Lernenden.


Die Thüringer Grundbildungs-Hotline ist unter der kostenfreien Telefonnummer 0800 89 89 789 zu erreichen.

Die Beratungszeiten sind von Dienstag bis Donnerstag von 10:00 – 15:00 Uhr.

Das lebensweltlich orientierte Entwicklungsvorhaben in der Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener wird im Rahmen der Alpha-Dekade (2016-2026) durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.