Abschied - Trauer - Erinnerung

Angehörige und Seelsorger laden zu einem Gedenkgottesdienst für verstorbene Kinder ein


Sternenkinder
Angehörige und Seelsorger laden zu einem Gedenkgottesdienst für verstorbene Kinder ein

Erfurt (BiP/dh). Eine Trauerfeier zum Gedenken an verstorbene Kinder findet am Sonntag, 14. Dezember um 17 Uhr in der Allerheiligenkirche (Marktstraße) statt. Trauernde Eltern können Kerzen anzünden und ihre verstorbenen Kinder ins Totenbuch des Erfurter Domes einschreiben. Der ökumenische Gottesdienst wird von Krankenhausseelsorgern und Elterngruppen vorbereitet. Anlass ist der internationale Gedenktag für verstorbene Kinder.


Die Initiatoren wollen Eltern und Angehörigen verstorbener Kinder die Möglichkeit bieten, "ihre Trauer auszudrücken und die Erinnerung an das tote Kind lebendig zu halten", sagt Trauerbegleiterin Maria Zucht von der Erfurter Kontaktgruppe "Weiterleben ohne Dich".* Tod und Trauer seien in der Gesellschaft ein Tabu. Vor allem aber die Trauer um fehl- und totgeborene Kinder stoße bei Außenstehenden auf wenig Verständnis, ist Zuchts Erfahrung. Sie rät verwaisten Eltern, sich ihre Trauer nicht verbieten lassen. David Hassenforder sprach mit Maria Zucht (46), die die Kontaktgruppe "Weiterleben ohne Dich" gemeinsam mit der Hebamme Uta Altmann begleitet.



Frau Zucht, Ihre Kontaktgruppe lädt am 14. Dezember zu einem Gedenkgottesdienst ein. Was genau wird dort passieren?


Aus Anlass des internationalen Gedenktages für verstorbene Kinder feiern wir einen ökumenischen Trauergottesdienst in der Allerheiligenkirche. Dabei kann für jedes tote Kind eine Kerze angezündet werden, und es besteht die Möglichkeit, das Kind ins Totenbuch des Erfurter Domes einzutragen. Das Totenbuch wird ganzjährig im Dom aufbewahrt, eine Kerze brennt davor. Das ist ein guter Erinnerungsort, vor allem für Eltern, denen das alte Bestattungsrecht die Beisetzung ihres tot- oder fehlgeborenen Kindes noch nicht gestattete.


Und wer kann zu dieser Feier kommen?


In erster Linie sollen sich verwaiste Eltern und Angehörige angesprochen fühlen, die ein oder mehrere Kinder verloren haben. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Kind in der frühen Schwangerschaft oder im Erwachsenenalter gestorben ist.


Es klingt ungewöhnlich, von verwaisten Eltern zu sprechen.


Man spricht sonst nur von Waisenkindern. Der Begriff "verwaiste Eltern" kommt von den Betroffenen selbst. Für Eltern, die ihre Kinder verloren haben, gehört diese Selbstbezeichnung zur Ü;berwindung ihrer Sprachlosigkeit dazu. Wer sich selbst verwaiste Mutter oder verwaister Vater nennen kann, hat gelernt, die Trauer auszuhalten und weiterzuleben, ohne das Kind zu vergessen. In einer besonderen Situation befinden sich die verwaisten Eltern von "Sternenkindern", wie wir die in der Schwangerschaft verstorbenen Kinder nennen. Diese Eltern konnten keine Zeit damit verbringen, ihre Kinder im Arm zu halten. Dennoch ist die Beziehung zu ihnen, selbst wenn die Schwangerschaft nur kurz war, oft sehr intensiv.


Sie erwähnen die Sprachlosigkeit. Ist der Tod eines Kindes ein besonderes Tabuthema?


Absolut. Heutzutage wird ohnehin nur ungern über den Tod gesprochen, er wird aus dem Leben verdrängt. Der Tod von Kindern ist da ein doppeltes Tabu. Es passt einfach nicht in unsere Vorstellung, dass Kinder vor den Eltern sterben. Und gerade wenn Kinder vor, während oder kurz nach der Geburt sterben, ist die Fassungs- und Sprachlosigkeit groß. Das macht es besonders schwer, um das tote Kind zu trauern.


Was genau erschwert diese Trauer?


Da kommt sehr vieles zusammen. In den letzten Jahrzehnten hat sich unsere Trauerkultur sehr negativ verändert, man hat kaum noch Verständnis, wenn Menschen lange und intensiv trauern. Früher gab es zum Beispiel ein Trauerjahr, das als Schutzraum diente. Bekannte wussten genau, in diesem Jahr brauchen die Trauernden besondere Aufmerksamkeit und Fürsorge. Das fehlt heute. Und gerade bei Fehl- und Totgeburten müssen sich trauernde Eltern die schlimmsten Sprüche anhören.


Mit welchen Aussagen werden die Eltern konfrontiert?


Außenstehende sind oft sehr hilflos und können die Beziehung, die Eltern zu früh gestorbenen Kindern haben, nicht nachvollziehen. Sprüche wie "Wer weiß, was euch erspart geblieben ist" oder "Du bist doch noch so jung und kannst schnell wieder schwanger werden" helfen nicht weiter. Daran sind schon ganze Familien zerbrochen. Das macht Trauerarbeit fast unmöglich.


Wie sieht gute Trauerarbeit aus?


Aus vielen Beratungen und Gesprächen in unserer Eltern-Kontaktgruppe weiß ich, Trauer braucht Zeit, Raum und Erlaubnis. Das heißt: Man muss sich selbst erlauben zu trauern - auch gegen Widerstände von außen. Dann muss man sich genau die Zeit nehmen, die man braucht, und sich Räume schaffen, diese Trauer zu leben.


Welche Rolle spielen dabei Rituale?


Rituale sind immens wichtig und existenzieller Bestandteil einer Trauerkultur, sozusagen "Gehhilfen" auf dem Weg der Trauerverarbeitung. Dazu gehört, dass man sich bewusst von dem toten Kind verabschiedet und dabei erfährt: Der Tod meines Kindes ist Realität und nicht nur ein böser Traum. Seit einigen Jahren sieht das Bestattungsrecht glücklicherweise auch für vor der Geburt gestorbene Kinder eine würdige Beisetzung vor. Und dann ist es wichtig, die Erinnerung an das Kind zu pflegen und auch dem vor der Geburt gestorbenen Baby einen Platz zu geben.


Können Sie dafür Beispiele nennen?


Solche Zeichen können zum Beispiel Fußabdrücke des Babys sein. Oder ich gebe Frauen, die wissen, dass ihr Kind tot zur Welt kommen wird, einen kleinen Stein mit, den sie während der Geburt in der Hand halten. Den können sie später, wenn die Trauer besonders schmerzhaft ist, solange drücken, bis es schmerzt. Ich empfehle außerdem, sich zu Hause sichtbare Erinnerungs-Ecken einzurichten. Immer mehr verwaiste Eltern nutzen dazu auch das Internet, um ihrer Kinder zu gedenken. Am 14. Dezember, dem Gedenktag für tote Kinder, stellen verwaiste Eltern auf der ganzen Welt abends Kerzen in ihre Fenster. Und in Erfurt bieten wir, wie gesagt, eine Trauerfeier an.


Man stellt sich die Arbeit mit verwaisten Eltern sehr traurig vor. Gibt es auch schöne Momente?


Ja natürlich, es gibt sogar sehr viele schöne Momente. Wir arbeiten beispielsweise auch mit Geschwistern verstorbener Kinder und veranstalten Familientage. Es ist wunderbar zu sehen, wie solidarisch sie untereinander sind, weil jeder ähnliche Erfahrungen gemacht hat und sie sich deshalb ohne große Worte verstehen. Wenn die Familien dann zusammen Luftballons steigen lassen, wird ganz deutlich: Zeichen und Rituale brauchen zum Ü;berwinden der Sprachlosigkeit manchmal gar keine Worte.


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*Die Kontaktgruppe "Weiterleben ohne Dich" gibt es seit sechs Jahren für Eltern, die ihr Kind während der Schwangerschaft, unter der Geburt oder im ersten Lebensjahr verloren haben. Die Treffen finden an jedem ersten Dienstag im Monat um 20 Uhr im Haus der Malteser (August-Schleicher-Str. 2, Erfurt) statt, um miteinander zu sprechen, zu trauern und sich beraten zu lassen.



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