Von Bischof Joachim Wanke, Erfurt
Umfragen sind heute sehr beliebt. Angenommen, man hätte das schon im 13. Jahrhundert gemacht: Elisabeth hätte sich sehr gewundert, wenn sie damals gefragt worden wäre: Sind Sie religiös? Vermutlich hätte sie diese Frage überhaupt nicht verstanden. Das lag sicher daran, dass damals die Religiosität eine Selbstverständlichkeit war – auch für jene, die nur selten in die Kirche gingen. Aber Elisabeth hätte nicht verstanden, was ein Leipziger Jugendlicher bei einer Umfrage geantwortet haben soll. Auf die Frage: "Bist du religiös?" antwortete er: "Religiös?
Ich bin nicht religiös. Ich bin normal!"Vermutlich hätte Elisabeth so auf die Frage geantwortet: "Ob ich religiös bin, weiß ich nicht. Aber das eine weiß ich: Ich kann nicht anders – als lieben!" Damit kommen wir zum Kernpunkt dessen, was christliche Religion meint: Sie ist Einladung zur Liebe – zur Liebe, die auf Gottes Liebesofferte antwortet, zur Liebe, die jene liebt, die Gott in seine Liebe einschließt – den Mitmenschen, den Nächsten. Mit dem Apostel Paulus Paulus können wir sagen: "Was nützt es uns, religiös zu sein, wenn wir die Liebe nicht haben!" Wir wären "dröhnendes Erz oder eine lärmende Pauke" oder wie Luther übersetzt "... eine klingende Schelle". Alle Erkenntnis und Weisheit und Frömmigkeit werden uns nichts nützen – ohne die Liebe. Eine kühne, gewaltige Aussage, die wir wieder recht bedenken sollten. "Und wenn ich meine ganze Habe verschenkte und wenn ich meinen Leib dem Feuer übergäbe, hätte aber die Liebe nicht, nützte es mir nichts."
Vielleicht sollten wir deshalb so sagen: Was unsere Gesellschaft braucht, ist nicht in erster Linie Religiosität. Was unsere Gesellschaft braucht, sind liebende Menschen. "Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig. Sie ereifert sich nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf. Sie handelt nicht ungehörig und sucht nicht ihren Vorteil, lässt sich nicht zum Zorn reizen, trägt das Böse nicht nach."
So schreibt Paulus im Hohenlied der Liebe (1 Kor 13). Ein großartiger Text – ich empfehle ihn Ihrem abendlichen Gebet – und wer nicht beten kann, möge ihn besinnlich und offenen Herzens einfach lesen und meditieren. Was von uns einmal Bestand haben wird, ist die Liebe – jene, mit der wir geliebt wurden und jene, die wir verschenkt haben! Auch im Lieben gibt es so etwas wie eine Kindheit und ein Reifen zum Erwachsen-Werden. Das sage ich zum Trost allen, die mit Gott nichts so Rechtes anzufangen wissen. Paulus sagt: "Jetzt (gleichsam wie Kinder) schauen wir in einen Spiegel und sehen nur rätselhafte Umrisse. Dann aber (wenn wir das Reifealter im Himmel erreicht haben) dann schauen wir von Angesicht zu Angesicht. Jetzt (auf Erden, im Alltagsgeschäft unserer Aufgaben) erkenne ich unvollkommen, dann aber (in der Ewigkeit) werde ich durch und durch erkennen, so wie ich auch durch und durch (von Gott nämlich) erkannt worden bin."
"Ich meine, das Wort, mit dem Paulus das ganze Lied beschließt, könnte ein großartiges Lebensmotto sein: "Für jetzt bleiben Glaube – Hoffnung – Liebe, diese drei; doch am größten ist die Liebe!" Dafür steht die hl. Elisabeth von Thüringen und mit ihr jeder, der seinen Einsatz für den Nächsten nicht von irdischer Anerkennung abhängig macht. Wir kommen nicht aus dem Nichts und wir gehen nicht in das Nichts. Uns erwartet eine Liebe, die umso intensiver sein wird, je mehr wir uns schon heute auf sie einlassen. Dann aber (wenn wir das Reifealter im Himmel erreicht haben) dann schauen wir von Angesicht zu Angesicht.
Jetzt (auf Erden, im Alltagsgeschäft unserer Aufgaben) erkenne ich unvollkommen, dann aber (in der Ewigkeit) werde ich durch und durch erkennen, so wie ich auch durch und durch (von Gott nämlich) erkannt worden bin."Ich meine, das Wort, mit dem Paulus das ganze Lied beschließt, könnte ein großartiges Lebensmotto sein: "Für jetzt bleiben Glaube – Hoffnung – Liebe, diese drei; doch am größten ist die Liebe!" Dafür steht die hl. Elisabeth von Thüringen und mit ihr jeder, der seinen Einsatz für den Nächsten nicht von irdischer Anerkennung abhängig macht. Wir kommen nicht aus dem Nichts und wir gehen nicht in das Nichts. Uns erwartet eine Liebe, die umso intensiver sein wird, je mehr wir uns schon heute auf sie einlassen.
Quelle: Gekürzte Fassung der Predigt von Bischof Joachim Wanke
im Wortgottesdienst zum Elisabeth-Empfang 2004 in Erfurt